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rer Zeit. So wurde das Merk pinders nach dem
Jahre J875, die Beschaffung der Gipsabgüsse, die irn
Unterstocke der Bildergalerie stehen, als zeitbedingt ge
würdigt, wenn wir auch bedauern, daß damals große
Geldbeträge an eine Arbeit gehängt wurden, die doch
nur Stückwerk gewesen ist und bleiben muß, während
heute für andere Aufgaben das Geld ebenso fehlt, wie
man es damals unrichtig anwandte.
Redner gedachte dann der jüngeren Abteilungen des
Landesmuseums, so jener mit jüdischer und mit kirch
licher Kunst des Mittelalters. Diese Abteilung zumal
war notwendig, da erst in unserem Jahrhundert das
volle Verständnis für die Merte der mittelalterlichen
Kunst aufging. Mas Redner in der Einleitung ge
sagt hatte über das Bild einer Distel aus Straßburg
von J360, das schloß sich hier mit der neuesten Ent
wicklung des Museumsausbaues zum Ringe.
In raschem Zuge besprach dann Professor Luthmer
noch die im Merden stehende Sammlung architektoni
scher Altertümer im Marstall, er gab nur der Befürch
tung Ausdruck, daß sie infolge der Not der Zeit doch
unvollendet bleiben müsse. Er ging dann noch einmal
zum Naturalienmuseum über, besprach kurz die
Städtische Galerie neuerer Kunst und das Tapeten
museum, das, zwar oft belächelt, doch ein wichtiges
Stück historischer, musealer Erkenntnis eröffne. Zuni
Schluffe führte er noch in die in Vorbereitung stehende
Sammlung des Kupferstichkabinetts im südlichen Tor
gebäude des Milhelmshöher Tores, für die glücklicher
weise noch Mittel beschafft werden konnten. Die Kupfer
stiche bilden eine wertvolle Ergänzung der reichen Ge
mäldesammlungen von Kassel.
Reicher Beifall dankte Professor Luthmer und Lan
desbibliotheksdirektor Dr. £7 0 p f, der schon einleitend
an das Jubiläum der Landesbibliothek angeknüpft
hatte, dankte nochmals für die so überaus reichhaltigen
Darlegungen, mit denen in Verbindung mit den Mu
seumsführungen erst das volle Verständnis für Kassels
Kulturschätze erschlossen seien. Ib.
Die zünftigen Handwerksgebräuche der deutschen
Vergangenheit sind eine geradezu unerschöpfliche Fund
grube für den Forscher. Dr. Rudolf hallo, der
durch seine feinsinnigen Arbeiten zur Geschichte unserer
heimischen Künstler und Handwerker schon so manchen
Stein zugetragen, sprach an: Abend des 2. März im
wissenschaftlichen Unterhaltungsabend des hessischen
Geschichtsvereins über die große deutsche Zunft der
Steinmetzen, namentlich seit dem [ 6 . Jahrhundert. —
Die Geschichte der mittelalterlichen Bauhütten kam für
ihn und seine Forschung hier nicht in Fraye. Die
große deutsche Steinmetzenzunft konzentrierte sich wohl
erst seit ^60 um den Vorort Straßburg, wo
sich das oberste Hüttengericht befand. Die Zunft war
vom Deutschen Kaiser mit besonderen Privilegien aus
gestattet und ihre Vororte für die vier großen Grup
pen waren Mien, Straßburg, Zürich und Köln. Das
Hessenland stand, wie feine Nachbargebiete, direkt
unter Straßburg. Als am Michaelistage \563 durch
einen großen Tag zu Straßburg die Zunft erneuert
wurde, erscheinen in den Unterschriften zwei hessische
Namen: der Gesell Heinrich von Eassel und
Martin Muß aus Hanau. Es war eine be
sondere Eigenart der Steinmetzenzunft, daß in ihr auch
die Gesellen vertreten waren.
Die Bestätigung der Zunftbriefe erfolgte dann natur
gemäß auch in den einzelnen Territorien: so haben wir
die Bestätigungen der hessischen Landgrafen bis zu
Friedrich Ich vorliegen; allerdings wurde feit dem
Anfang des *8. Jahrhunderts des Vorortes Straßburg,
der in französische Hände gefallen war, nicht mehr ge
dacht. Man hat später gestritten, ob es richtig gewesen
sei, die Ausschaltung des alten Vorortes aus dem
Reiche damit anzuerkennen, der Streit ist aber müßig,
denn es bestand ja auch keine praktische Möglichkeit der
rechtlichen Einwirkung auf das Hüttengericht mehr.
Eine bedeutende Rolle spielt unter Landgraf
M i lh e l m ,IV. jenes Hüttengericht als oberste Kon-
trollinstanz. Denn wenn der sehr energische Landgraf,
dessen Bautäigkeit in Kassel und Hessen sehr groß war,
mit seinen Steinmetzen einen Streit hatte, so drohte er
ihnen nicht nur mit Maulschellen, sondern namentlich
in schweren Fällen durch Anzeige und Verrufsantrag
beim hüttengericht. Mit außerordentlicher Schnelligkeit
wurden Nachrichten über solche Verrüfe in Deutschland
verbreitet. Als in Köln einmal ein Streit über die
Einordnung der Bildhauer in eine zünftige Ordnung
auskam, bei dem sich die Maler und die Steinmetzen
über die Einordnung der Bildhauer stritten, berief man
sich auf den Vorgang von Kassel, wo auch die Bild
hauer der Zunft der Steinmetzen eingegliedert worden
waren.
Das Zunftbuch der Kasseler Steinmetzen von J750,
das bis in die Mitte des l9- Jahrhunderts geführt ist
und die Steinmetzzeichen der aufgenommenen Mitglie
der enthält, befindet sich im Besitz einer Kasseler Frei
maurerloge, wie diese ja viel von den Geheimnissen
der alten Bauhütten übernommen hatten. Das Buch
ist Dr. hallo für seine Arbeit zur Verfügung gestellt
worden. Die erste Eintragung in dem Buche betrifft
den Steinmetzen Johannes Molff, dessen Narne
unterm jo. April J750 erscheint. Ls ist der Stamm
vater der bekannten Kasseler Architektenfamilie, nach
der auch die Molffchlucht ihren Namen trägt. Redner
hat ja über diese Familie vor einiger Zeit in der Zeit
schrift „heffenland" gearbeitet. Andere bekannte Kas
seler Namen, die uns aus dem Buche entgegentreten
und über die teilweise auch genug Material vorliegt,
um ihre Familiengeschichte zu behandeln, sind die Seid-
ler, Malz, Barthold; ferner aus Mehlheiden die Löser
und Umbach.
Jm 1 , 9 - Jahrhundert werden die Nachrichten dürf
tiger, die Erfindungsgabe der Meister hinsichtlich ihrer
Steinmetzzeichen erlahmt und es werden mehr und
inehr Monogramme oder Buchstaben eingeführt. J 850
wird eine Zunft der Mauer und Steinmetzen geschaf
fen, während bis dahin die letzteren auf die Maurer
herabgesehen hatten.
Eine rege Aussprache, an der sich namentlich Zoll
direktor M 0 r i n g e r und Stadtbibliothekar Hei
delbach beteiligten, schloß sich an. — Dann legten
Privatmann Gustav Mentzel! und Rechtsanwalt
Dr. D e l l e v i e einige Schriften aus ihrem Besitze vor,
letzterer den Abschied des Kaufmanns Katzenstein aus
der französischen Fremdenlegion, in der er J832/35 ge-
dient hatte, also in den ersten Jahren der Truppe, die
damals über 3000 Mann zählte. Der Sohn jenes
Katzenstein führt heute noch, hochbetagt, das vom Va
ter begründete Tapetengeschäft.
hierauf erhielt der Volkswirt Bruno Jacob
das Mort zu einem Referat über Münzstätten und
Münzwesen im Mittelalter in Hessen. Er skizzierte zu
nächst den Unterschied der starken und der dünnen
Münzen und erinnerte daran, daß man im Mittelaller
zumeist nur eine Münzgattung, den Pfennig gekannt,
den Schilling und das Pfund aber nicht in Großmünze
ausgeschlagen habe. Etwa zwei Jahrzehnte umspanne
die Zeit, in der man Brakteaten in Hessen schlug, und
zwar zunächst in den geistlichen Münzstätten zu Fulda