Sonntag, dem 7 . September 1929, itn kleinen Ritter
saale des Marburger Schlaffes, statt. Nach Eröffnung
durch den Direktor des Berliner Geheimen Staatsarchivs
Dr. Klinkenborg hielt Staatsarchivdirektor Dr. Knetfch
einen Vortrag über das ihm unterstellte Marburg, der
Archiv- und Staatsarchiv Dr. Gutbier einen solchen
über die waldeckischen Archive, woran sich ein Vortrag
des Archivdirektors Dr. Müller über neue großstädtische
Archivpläne anschloß. Nach dem gemeinsamen Mittags-
effen im Schloßkaffee trat man zur zweiten Lachsitzung
zusammen, in der Professor Dr. Stengel-Marburg über
den Plan einer Zentralstelle für Lichtbildaufnahmcn
der älteren Urkunden und Archivrat Dr. Uhlhorn-Mar
burg über die solmischen Archive in der Wetterau
sprachen. Auf einen Vortrag des Staatsarchivdirektors
Dr. Beschorner-Dresden folgte eine Lührung durch das
Marburger Staatsarchiv.
Die sich nun anschließende Tagung der Geschichts
vereine begann am Sonntag abend im großen pörsaal
des Landgrafenhauses mit einem vortrage des Staats
archivdirektors Dr. Knetfch über das alte Marburg.
An der pand schöner Lichtbilder ließ der vortragende
die alten Baulichkeiten Marburgs vor den Augen der
Lestgäste erscheinen, wobei stille und verträumte Ecken
und Winkel sich zeigten, die mancher der Anwesenden
wohl noch nie erblickt hat. — Ein zwangloses Bei
sammensein im Restaurant pannibal beendete den Tag.
Am Montag (9.9.29) fand noch eine dritte Lach
sitzung des Archivtags statt, in der fachwiffenfchaftliche
Lragen behandelt wurden.
Um 10.30 Uhr wurde die Tagung mit einer allge
meinen und öffentlichen Sitzung in der Aula des Uni-
verfitätsgebäudes eröffnet. Der schöne Saal mit den
herrlichen, wichtige Ereignisse aus der hessischen Ge
schichte darstellenden Wandbildern, konnte die Menge
der Teilnehmer kaum fassen, die nicht nur aus allen
Gegenden Deutschlands, sondern auch aus Esthland,
Livland, der Tschechoslowakei, dem fetzt rumänischen
Siebenbürgen und besonders zahlreich aus Österreich
herbeigekommen waren. Der erste Vorsitzende des Ge
samtvereins, Geheimrat Prof. Dr. Wolfram-Lrankfurt
(Main) leitete die Sitzung mit einer beifällig aufge
nommenen Rede ein, worauf die zahlreichen Be
grüßungsreden der erschienenen Vertreter von Be
hörden, Instituten und vereinen folgten. Die Paupt-
festrede hielt sodann Bibliotheksdirektor Dr. Popf-
Kaffel über „peffen und das Reich seit der Re
formation". Die auf sorgfältiger (Quellenforschung be
ruhende, den umfangreichen Stoff in formvollendeter
Darstellung bewältigende Rede fand lebhaften Beifall.I
Am Nachmittag begannen die Sitzungen der sechs
Abteilungen des Gesamtvereins. Die hier gehaltenen
Vorträge 3 4 ) sämtlich zu erwähnen, verbietet ihre, dem
hier zu Gebote stehenden Raum, nicht entsprechende
Anzahl. Mir müssen uns darauf beschränken, diejenigen
Vorträge zu erwähnen, deren Themata unser engeres
Vaterland näher berührten oder deren Verfasser dem
peffenlande angehörten. — Am Montag nachmittag
sprach in der Sitzung der Llurnamenforscher Studien
direktor Dr. Schoof-Persfeld über „den Stand der
hessischen Llurnamenforschung". Redner stellte fest, daß
der verein für hessische Geschichte und Landeskunde
nach Kräften auf dem Gebiete der Llurnamen-
3) Der Vortrag ist gedruckt in der Kasseler Post vom
29. 9. 29. Nr. 269 ff.
¿0 Sie werden im Wortlaut in den nächsten Num
mern des Korrespondenzblatts des Gesamtvereins
(Berlin, Mittler u. Sohn) zu lesen sein.
forschung für Kurheffen tätig ist, daß aber im Volks
staate p essen, wo erheblich größere Mittel zur Ver
fügung stehen, auch bessere Erfolge gezeitigt worden
sind. — In der Sitzung der Abteilung IV sprach
Dr. Wilhelm Karl Prinz von Isenburg über „das
Erbbiologische Archiv der Rheinprovinz in Bonn",
eine Unternehmung, deren auf ausgedehntester Grund
lage aufgebauten Lorschungen einen Erfolg von weit
tragendster Bedeutung versprechen. — Am Abend fand
die Begrüßung der Hauptversammlung duch die Stadt
Marburg im Schloßkaffee statt, bei der eine sehr frohe
Stimmung herrschte.
Der Dienstag ({ 0. 9. 29) brachte vormittags in der
zweiten allgemeinen und öffentlichen Versammlung
einen Vortrag des Archivdirektors Prof. Dr. puyskens-
Aachen über „die heilige Landgräfin Elisabeth von
Thüringen". Der vortragende, bekannt als der beste
Kenner des Lebens der Stammutter unseres hessischen
Lürstenhauses, gab eine vorzügliche Darstellung des
Lebens der Lürstin, die ihm den lebhaftesten Beifall
der Zuhörer eintrug. In den Abteilungen sprachen an
diesem Tage: in der gemeinsamen Sitzung der Ab
teilungen II, III und V Univ.-Professor Dr. Wagner-
Marburg über „Notwendigkeit und Lorm eines deut
schen Atlas", in der öffentlichen Sitzung der Ab
teilung I Kammerdirektor i. R. Müller-Darmstadt über
„die alten Straßen Dberheffens; ihre Erkundung und
vor- und frühgeschichtliche Erforschung". — Am Abend
vereinte ein Essen in den Stadtsälen die Lestteilnehmer,
wobei wiederum eine recht frohe Stimmung herrschte.
Die dritte allgemeine und öffentliche Versammlung
am Mittwoch (^.9.29) wurde eröffnet durch die an
einen Brief Zwinglis vom November (529 anknüpfende
Rede des Prälaten D. Dr. Diehl über „die Bedeutung
des Marburger Religionsgesxräches für die hessischen
evangelischen Landeskirchen" und bot danach einen
äußerst wertvollen Vortrag des Univ.-Professors Dr.
Mommsen,Marburg über „Geschichtswissenschaft und
Kriegsschuldlüge". Die Abteilungssitzungen dieses
Tages boten sehr viel auf peffen Bezügliches. In der
gemeinsamen Sitzung der Abteilungen II, III und V
sprach Univ.-Professor Dr. Wrede-Marburg über
„Sprachatlas und Geschichtsforschung", in der öffent
lichen Sitzung der Abteilungen III und IV Archiv-
direktor Dr. Ruppersberg-Lrankfurt a. M. über „Phi
lipp den Großmütigen und die Reichsstadt Lrankfurt"
und Prälat D. Dr. Diehl-Darmstadt über „Die Bedeu
tung der Reformationen nach der Reformation für die
Lamilienkunde", in der öffentlichen Sitzung der Abtei
lung III Dr. Lreiherr v. Guttenberg-München über
„Grundherren der Karolingerzeit nach den Lulder Ur
kunden", in Abteilung IV Iustizrat Dietz-Pomburg über
„Handelsbeziehungen zwischen peffen und Lrankfurt",
in Abteilung V Prof. Dr. Spamer-Dresden über „pef-
siffiche Volkskunst" und Assistent Dr. Pelm-Nürnberg
über „pesstsche Volkstrachten", in Abteilung VI Zoll
direktor i. R. Woringer-Kaffel über „Lamiliengeschicht-
liche «Quellen Kurheffens".
Nachmittags e 1 /^ Uhr fand die Vertretersitzung statt.
Sie wurde von Geh.-Rat Dr. Wolfram-Lrankfurt a. M.
eröffnet, der das Wort dem Geschäftsführer Staats
archivrat Dr. Eugen Meyer-Berlin zum Geschäftsbe
richt erteilte. Nach diesem war die Zahl der ange
schlossenen vereinen die gleiche geblieben (- 4 - { und —
0 - Die Linanzlage hat sich gebessert, wenn auch ein
zelne Zuschüsse herabgesetzt worden sind. — Auf An
trag der Abt. VI wurde eine Eingabe an den
zuständigen preußischen Minister wegen zweckent
sprechender Aufbewahrung der alten Kirchenbücher