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der Geschichte des BibeltexteS eine ehrwürdige
Sonderstellung eingeräumt wird. Die 3. Auflage
Dort 1522 (der £25 zugehörig) ist abermals stark
überarbeitet und bringt n8 Abweichungen vom
Text deö Jahres 1519; u. a. jenen berühmten Ein
schub im ersten Johannesbrief, Kap. V, 7, der vor
her fehlte, was als unverständliche und Wider
spruch erzeugende Lücke empfunden wurde.
Diese drei Werke find in typographischer Hin
ficht mit großer Sorgfalt und künstlerischem Sinn
ausgestaltet worden. Wir find gewohnt, die Ge
währ hierfür im Druckerzeichen Frobenö, dem
Schlangenstab, zu sehen. Auf den Randleisten
der Ausgabe begegnen wir dem stolzen schräqlieqen-
den VG des Urs Graf.
Den griechischen Text der Complutenser Poly
glotte und den ErasmuS-Text berückfichtigte
Robert Etienne für feinen Druck von 1546.
Robert Etienne, der größte französische Drucker,
gleichzeitig Gelehrter von anerkannter Bedeutung,
verglich selbst für seine Edition neue Pariser Hand
schriften. Für seine kühne textkritische Arbeit, die
auf die Dogmen der Pariser Theologenzunft keine
Rücksicht nahm, erntete er keinen Dank. Die Fa
kultät war mächtiger als Etienne. Er verließ
Paris und lebte die letzten Jahre seines Lebens in
Genf.
An Robert Etiennes Arbeiten lehnen sich die
zahlreichen unter dem Namen Theodor Beza's be
kannt gewordenen Editionen des N. T.-an. Beza
(1529,—1605) war nach Calvin eine der bedeu
tendsten Führerpersönlichkeiten des Calvinismus.
Ein Basler Druck von 1.563 vertritt diese AnS-
gabengrnppe sehr glücklich: er ist eine Etiennearbeit
von Henri, dem Sohne Roberts, der anfangs in
Paris druckte, in der zweiten Hälfte seines Lebens
aber zerrütteter Vermögensumstände halber unstet
wurde. Er starb 1598, ein weiterer Zeuge der
Aufopferung im Dienst am Geiste.
Zwei frühe Beispiele für griechische Ausgaben
der ganzen Bibel sehen wir in dem Straßburger
Druck von 1526 mit der Vorrede von Lonicerus
und in dem Basler Druck von 1345 mit einer
Vorrede Melanchthons. Vom Text der Complu
tenser Polyglotte abgesehen ist unsere Lonicerus-
AuSgabe die Zweitälteste griechische Gesamtausgabe
der Bibel (die älteste im Aldus-Druck, Venedig
*518). Johannes Lonicerus, 1499 in Artern
geboren, war Theologe und Altphilologe an der
Universität zu Marburg, wo er 1569 gestorben ist.
Bei diesen Gesamtausgaben wird das Grie
chische, der neutestamentliche G r u n d t e x t, für
das A. T. zur Version. Die berühmteste ist die
sog. „Septuaginta", der wir bei den Polyglotten
begegneten. Sie wurde von — angeblich 72 —
jüdischen Gelehrten um die Mitte des dritten vor
christlichen Jahrhunderts in Alexandria geschaffen.
Die Legende erzählt, daß jeder der Gelehrten in
einer Zelle für sich gearbeitet, und daß trotzdem der
Text jeder Übersetzung auf den Buchstaben genau
mit den andern übereingestimmt habe.
Damit stehen wir vor der großen Gruppe der
monoglotten Bibelübersetzungen, von denen zwei die
historisch bedeutendsten geworden find: die lateinische
Vulgata und der deutsche Luthertext.
Die Vulgata.
Den Reigen eröffnen Veteranen des Buch
drucks: sieben Jnkunabelbibeln und ein Faksimile
druck der 42zeiligen Gutenbergbibel, mit dem wir
uns begnügen müssen, da die Kasseler LB nicht so
glücklich find, ein Original zu besitzen, wie die
Schwester-Anstalt in Fulda.
Die Gutenbergbibel, die erste gedruckte Gesamt-
bibel überhaupt, wurde in den Jahren 1453 bis
1456 von Gutenberg unter Fusts finanzieller Bei
hilfe zu Mminz gedruckt. Die Faksimile-Ausgabe,
1913/14 im Insel-Verlag erschienen, vermag
zwar nicht in der farbigen Reproduktion, wohl aber
im Typensatz den ungefähren Eindruck des Origi
nals zu 'vermitteln, zumal wir nachbarliche Inku
nabeln zeigen, die der Phantasie bei der Ergänzung
deö farbigen Eindrucks mittelalterlicher Buchillu
stration behilflich sein können. Wir erinnern uns
bei dieser Gelegenheit, daß vor zwei Jahren ein
Exemplar der 42zeiligen Gutenbergbibel für über
eine halbe Million Mark nach Amerika ab
wanderte.
Die LB besitzt als älteste lateinische Bibel, als
älteste Bibel überhaupt, die sog. 40 zeilige Mainzer
Bibel, im Jahre 1462 von Fust und Schoeffer,
den Mitarbeitern und unmittelbaren Nachfolgern
Gutenbergs, im Druck vollendet. Sie ist um so
seltener, als viele Exemplare kurz nach ihrer Fertig
stellung dem bei der Eroberung von Mainz durch
Adolf von Nassau ausbrechenden Brande zum
Opfer fielen. Da die Auflage dieser frühen Drucke
im allgemeinen 200 bis 300 Stück nicht überstieg,
kann man den Verlust ungefähr ermessen. Am
Schluß der Apokalypse sehen wir das Impressum
in roten Lettern, darunter das Druckerzeichen; als
Tag der Druckbeendigung wird genannt: „In
vigilia assumpcionis virginis marie“ (Brevia-
turen find aufgelöst), d. i. der 14. August 1462.
Über dem Impressum, eingeschoben zwischen ihm
und dem Textausgang, ist ein mit blauer Farbe
eingemalter Besitzvermerk: „l8ta biblia est do
min i Heinriei paradisii de fulda utriusqne