275
Ende. Ohne solchen Kanonendonner ging es offen
bar nicht mehr. Als im Jahre 1680 die Kur-
fürstin von der Pfalz nach längerem Aufenthalt
in Kastei infolge des Todes ihres Gatten, des Kur
fürsten Karl Ludwig, nach Heidelberg abreiste,
wurden die Kanonen um die Stadt herum 3 mal
abgeschossen. Derselbe Gruß bewillkommnete am
17. Zuli 1681 die Königin Charlotte Amalie von
Dänemark, als fie zum Besuch ihrer Mutter, der
Landgräfin Hedwig Sophie in Kassel ankam —
diesmal wußte freilich der Landgraf feine Schwester
nocb durch besondere Lustbarkeiten, Tänze, Aufzüge,
Komödien, Jagden und Feuerwerk zn ehren.
An den Familienfeiern seiner Untertanen nahm
der Landgraf, wo sich Veranlassung dazu bot, gern
Anteil. Als Lucä am Z. November 1677 ein
Sohn geboren wurde, erfolgte die Taufe am 8.
November bei Hofe — der Landgraf war selbst an
wesend, hob den Knaben aus der Taufe und hieß
ihn nach seinem Namen Carolus benennen; natür
lich durfte ein entsprechendes Patengeschenk nicht
fehlen, und ein mit Figuren ausgestatteter stlber-
vergoldeter Becher wird nicht nur im Augenblick
dem glücklichen Vater, sondern vermutlich später
hin auch dem eigentlich Beschenkten Freude ge
macht haben. Wie heute noch wurde das freudige
Ereignis auch im Haufe mit einer Abendgesellschaft
gefeiert, bei der zahlreiche Gäste zugegen waren —
nur die Nkutter dürfte nicht teilgenommen haben,
wie denn derartige Gastereien überwiegend ohne
Beteiligung der Frauen stattfanden; erst im 18.
Jahrhundert find hier nach und nach andere Ge
wohnheiten Brauch geworden.
Als am 6. April 1679 dem Lucä'schen Haus
eine Tochter geboren wurde, übernahm nach vor
ausgegangenem Anerbieten die Landgräfin die Pa
tenstelle und ließ das Kind Hedwig Sophie benen
nen. Der am 10. April in der Nenstädter Kirche
vollzogenen Taufe folgte wieder eine Bewirtung,
diesmal aber nur der Frauen, nämlich der Frau
Marschallin von Donop, die als Vertreterin der
in Berlin abwesenden Landgräfin an der Taufe
teilgenommen hatte, sowie der übrigen adeligen und
sonstigen dabei anwesenden Damen. Die häus
liche Feier bildete ein „Morgenbrod", während
r % Jahre zuvor nach der Taufe des Sohnes
abends nach Sitte der Zeit vermutlich bis in späte
Stunde hinein gebechert worden ist. Übrigens be
stand das im August nach Rückkehr der Landgrä
fin aus Berlin übergebene Patengeschenk aus einem
vergoldeten Becher mit Deckel, auf 3 Kugeln
stehend. Solche ihnen genehme persönliche Be
ziehungen pflegten unsere Fürsten auch in der Art,
daß sie auch nicht unmittelbar zum Hofe gehörende
Personen bei gegebenem Anlaß in ihren Wohnun
gen besuchten. So empfing Lucä im Jahre 1678
ven Besuch der Lanvgräfin Hedwig Sophie und
ihrer Tochter, der Prinzessin Elisabeth Henriette,
die im Begriff waren, nach Berlin zn reisen, und
über eine Stunde bei ihm verweilten. Ebenso ver
abschiedete sich die Kurfürstin von der Pfalz bei
ihrer Abreise von Kassel nach Heidelberg von allen
Mmistern, Räten und Predigern in deren TOoh-
nung.
Daß die solcher Art angesponnenen und befestig
ten Beziehungen recht wertvoll sein konnten, hatte
Lucä schon bei seiner Ankunft in Kassel erkannt.
Er fand hier in der Umgebung der Landgräfin eine
Frau von Wiallenstein, die — ebenso wie Frau
Lucä aus Bremen stammend — sehr viel bei Hofe
vermochte und manchem zur Beförderung verhalf.
Da Lucä seine Selbstbiographie später verfaßte
und nicht etwa ein jeweils gleichzeitig geführtes
Tagebuch gegeben hat, liegt die Vermutung nahe,
daß die überraschende Schnelligkeit, mit der er als
Landfremder gute, zweifellos auch von anderen er
strebte Posten gewann, freundlicher Nachhilfe dieser
Dame zu danken ist. Diese war es wohl auch, die
auch die damals länger in Kassel weilende Kur
fürstin von der Pfalz veranlaßte, dem neuen Pfar
rer, dessen Zahresgehalt überwiegend in Frucht
gefällen bestand, dadurch beizuspringen, daß sie ihm
einen neuen Priestermantel von feinem Tuch zum
Geschenk machte.
Solche Geschenke mußten überhaupt die einseitige
Art der Besoldung ergänzen, und Lucä verzeichnet
mit besonderer Genugtuung, daß die Anerkennung,
die er in seiner Gemeinde erwarb, auch in reichlichen
Neujahrögeschenken und Gaben für die Küche Auö-
oruck fand. Dem standen freilich auch besondere
Verpflichtungen, die allerdings nur einmal in Be
tracht kamen, gegenüber: es war üblich, die Über
nahme eines Amtes durch ein Gastmahl im gege
benen Kreis zu feiern, und so gab auch Lucä, nach
dem er die Einrichtung seines Hauswesens vollendet
hatte, dem geistlichen Ministerium und dem Stadt
magistrat sein „Acceßgastmahl", was angesichts der
Zahl der hier in Betracht kommenden Personen
keine kleine Leistung war, die aber in diesem Fall
dadurch erleichtert wurde, daß der Magistrat den
Wein stiftete. Gelegentlich übernahm wohl auch
der Landgraf solche Einführung. So wissen wir
aus dem Jahre 1684, daß er die Geistlichkeit an
läßlich einer Pfarrwahl gleich drei Mal auf den
„neuen Bau" zu einer Mahlzeit einlnd.
Lucä war der Mann, der sich auch mit den
praktischen Notwendigkeiten seiner Stellung abzu
finden und auseinanderzusetzen wußte. Sein Amt
belastetete ihn nicht allzu sehr, wenn er es auch
schon als „einige Unbequemlichkeit" bezeichnete, daß