Full text: Hessenland (41.1930)

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Wir brauchen hier seine einzelnen Phasen nicht zu 
verfolgen. Da trat Ende 1674 ein Ereignis ein, 
das auch für Hessen bedeutsam werden sollte. Lud 
wig XIV. veranlaßte Schweden, in die Mark 
Brandenburg einzufallen, um den großen Kur 
fürsten, der mit seinen Truppen am Oberrhein 
stand, von diesem Kriegsschauplätze abzuziehen. Die 
ser eilte in seine bedrohte Heimat und verlangte von 
seiner Schwester Hedwig Sophie Quartiere für 
seine durchziehenden Truppen. Etwa gleichzeitig 
erschien am Hofe zu Kassel der kaiserliche General 
Chavagnac mit dem geheimen Aufträge, den jungen 
Landgrafen Karl enger an den Kaiser zu fesseln. 
War schon der Landgräfin das Anfinnen ihres Bru 
ders, das für ihr armes Land eine schwere Last be 
deutete, sehr zuwider, so noch mehr dem jungen Land 
grafen, der von dem geschmeidigen, glanzvoll auf 
tretenden Chavagnac besonders eingenommen war. 
Karl, der über Gebühr ausgedehnten Vormundschaft 
seiner Mutter längst überdrüssig, ja sogar zeitweilig 
darüber in Melancholie verfallen, erklärte sich 1675 
plötzlich zum Mitregenten, berief die hessische Land- 
miliz ein und umzog sein Land mit einem Grenz 
kordon, um den Brandenburgern den Einmarsch in 
Hessen zu wehren. Er wurde auch dadurch abge 
wendet. Gegen Verstärkung der dem Reiche zu 
stellenden Truppen erlangte dann Hessen von Kaiser 
Leopold die Befreiung von jeglicher Einquartierung. 
Diese Verträge schloß zwar noch Hedwig Sophie 
ab, aber schließlich sah sie sich doch genötigt, dem 
Drängen ihres Sohnes nachzugeben und endlich, am 
8. August 1677, vor den versammelten Landständen 
in feierlicher Sitzung abzudanken und die Regierung 
zugunsten Karls niederzulegen. Mit seinem Re 
gierungsantritt erfolgte eine gewisse Abkehr Hessens 
von Brandenburg und eine Annäherung an Kaiser 
Leopold; in erster Linie war es der hessische Geheime 
Rats- und Kammerpräsident Joh. Kaspar Frhr. 
v. Dörnberg, der kaiserfreundliche Politik empfahl. 
Von dem schwedisch-brandenburgischen Kriege 
wurde auch Hessen mittelbar betroffen. Als nämlich 
der Reichskrieg gegen Schweden beschlossen war, er 
griff Christian V. von Dänemark, als Herzog von 
Holstein deutscher Reichsstand, die Gelegenheit, 
von Schonen aus, der einst in dänischem, seit r 6 Z 8 
schwedischem Besitz befindlichen Landschaft an der 
Südspitze der skandinavischen Halbinsel, die Schwe 
den zu bekämpfen. Er wurde aber Ende 1676 bei 
Lund geschlagen und bat den Kaiser und seine 
Schwiegermutter Hedwig Sophie — er heiratete 
nämlich um diese Zeit Landgraf Karls ältere Schwe 
ster Charlotte Amalie — um Beistand. Weitere 
Truppen vermochte Hesten nun freilich nicht auf 
zubringen. Aber Kaiser Leopold erklärte sich da- 
rnit einverstanden, daß die hessischen Truppen aus 
seinen in die dänischen Dienste überträten. Sie 
kamen zunächst nach Schonen, wurden aber im 
Herbst 1677 nach Rügen verbracht und Anfang 
Januar 1678 Schulter an Schulter mit den däni 
schen Truppen von den Schweden unter Königs- 
marck gefangen genommen. Sehr unwillig über die 
sen Verlust stellte Landgraf Karl seinem Schwager 
Christian V. ein neues Regiment zur Verfügung, 
das 1678 auf Schonen bis zum Ende des Krieges 
mitkämpfte. Die Friedensunterhändler tagten feit 
1676 in Nimwegen, wo 1678 und 1679 die Frie- 
densverträge zwischen den kriegführenden Machten 
zustandekamen. Holland erhielt von Frankreich 
einen günstigen Handelsvertrag, während Spanien 
die Franche Comte und 16 belgische Grenzfestungen 
an Frankreich abtreten mußte. - Ludwig XIV. gab 
Philippsburg zurück und erhielt dafür Freiburg im 
Breisgau. Noch standen Brandenburg und Schwe 
den im Kampfe, jetzt in Ostpreußen. Aber trotz 
seiner glänzenden Erfolge konnte der große Kur 
fürst lediglich das rechte Oderufer im Frieden von 
St. Germain behaupten, da Schweden an Lud 
wig XIV. einen starken Rückhalt hatte. 
Der Friede war zwar geschloffen, aber Lud 
wigs XIV. Machthunger und Erobernngögier fan 
den bald wieder Gelegenheit, neuen Zündstoff auf 
zuhäufen. Er gedachte jetzt, die Erwerbungen 
Frankreichs in den letzten Friedensschlüssen dadurch 
zu erweitern, daß er alles einzog, was jemals zu 
oiesen Gebieten gehört hatte. Seit Oktober 1679 
wurden also Reunionskammern in Metz, Breisach 
llnd Besanyon errichtet, welche die Geschichte der 
neuen französischen Gebiete zu erforschen hatten 
und gegen deren Spruch es keinen Widerstand gab. 
Alsbald wurde mit bewaffneter Macht das Frank 
reich zugesprochene Gebiet besetzt. Die zehn elsässt- 
schen Städte, die 1648 der französischen Schutz- 
herrschaft ausgeliefert waren, erhielten französische 
Besatzungen. Die Kurfürstentümer Mainz und 
Trier, sowie andere benachbarte Reichsfürsten wur 
den durch diese Reunionen, die allenthalben Ent 
rüstung hervorriefen, empfindlich geschädigt. Be 
kanntlich wurde ja auch dank der Mithilfe des seit 
langer Zeit in französischem Solde befindlichen 
Bischofs Franz Egon von Fürstenberg am Zo. 
September 1681 Straßburg dem deutschen Reiche 
enteisten und Frankreich einverleibt. Und wenn 
auch infolge der deutschen Zwiespältigkeit nichts 
Entscheidendes gegen Ludwigs Raubpolitik erfolgte, 
zumal der Kaiser durch die ungarischen Verhält 
nisse und die Türkengefahr hinlänglich beschäftigt 
war, so fehlte es doch nicht an erfreulichen Ansätzen 
zu nationaler Ermannung. 
Seele der franzosenfeindlichen Politik war Graf 
Georg Friedrich von Waldeck. Zu seinen ver
	        

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