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Wir brauchen hier seine einzelnen Phasen nicht zu
verfolgen. Da trat Ende 1674 ein Ereignis ein,
das auch für Hessen bedeutsam werden sollte. Lud
wig XIV. veranlaßte Schweden, in die Mark
Brandenburg einzufallen, um den großen Kur
fürsten, der mit seinen Truppen am Oberrhein
stand, von diesem Kriegsschauplätze abzuziehen. Die
ser eilte in seine bedrohte Heimat und verlangte von
seiner Schwester Hedwig Sophie Quartiere für
seine durchziehenden Truppen. Etwa gleichzeitig
erschien am Hofe zu Kassel der kaiserliche General
Chavagnac mit dem geheimen Aufträge, den jungen
Landgrafen Karl enger an den Kaiser zu fesseln.
War schon der Landgräfin das Anfinnen ihres Bru
ders, das für ihr armes Land eine schwere Last be
deutete, sehr zuwider, so noch mehr dem jungen Land
grafen, der von dem geschmeidigen, glanzvoll auf
tretenden Chavagnac besonders eingenommen war.
Karl, der über Gebühr ausgedehnten Vormundschaft
seiner Mutter längst überdrüssig, ja sogar zeitweilig
darüber in Melancholie verfallen, erklärte sich 1675
plötzlich zum Mitregenten, berief die hessische Land-
miliz ein und umzog sein Land mit einem Grenz
kordon, um den Brandenburgern den Einmarsch in
Hessen zu wehren. Er wurde auch dadurch abge
wendet. Gegen Verstärkung der dem Reiche zu
stellenden Truppen erlangte dann Hessen von Kaiser
Leopold die Befreiung von jeglicher Einquartierung.
Diese Verträge schloß zwar noch Hedwig Sophie
ab, aber schließlich sah sie sich doch genötigt, dem
Drängen ihres Sohnes nachzugeben und endlich, am
8. August 1677, vor den versammelten Landständen
in feierlicher Sitzung abzudanken und die Regierung
zugunsten Karls niederzulegen. Mit seinem Re
gierungsantritt erfolgte eine gewisse Abkehr Hessens
von Brandenburg und eine Annäherung an Kaiser
Leopold; in erster Linie war es der hessische Geheime
Rats- und Kammerpräsident Joh. Kaspar Frhr.
v. Dörnberg, der kaiserfreundliche Politik empfahl.
Von dem schwedisch-brandenburgischen Kriege
wurde auch Hessen mittelbar betroffen. Als nämlich
der Reichskrieg gegen Schweden beschlossen war, er
griff Christian V. von Dänemark, als Herzog von
Holstein deutscher Reichsstand, die Gelegenheit,
von Schonen aus, der einst in dänischem, seit r 6 Z 8
schwedischem Besitz befindlichen Landschaft an der
Südspitze der skandinavischen Halbinsel, die Schwe
den zu bekämpfen. Er wurde aber Ende 1676 bei
Lund geschlagen und bat den Kaiser und seine
Schwiegermutter Hedwig Sophie — er heiratete
nämlich um diese Zeit Landgraf Karls ältere Schwe
ster Charlotte Amalie — um Beistand. Weitere
Truppen vermochte Hesten nun freilich nicht auf
zubringen. Aber Kaiser Leopold erklärte sich da-
rnit einverstanden, daß die hessischen Truppen aus
seinen in die dänischen Dienste überträten. Sie
kamen zunächst nach Schonen, wurden aber im
Herbst 1677 nach Rügen verbracht und Anfang
Januar 1678 Schulter an Schulter mit den däni
schen Truppen von den Schweden unter Königs-
marck gefangen genommen. Sehr unwillig über die
sen Verlust stellte Landgraf Karl seinem Schwager
Christian V. ein neues Regiment zur Verfügung,
das 1678 auf Schonen bis zum Ende des Krieges
mitkämpfte. Die Friedensunterhändler tagten feit
1676 in Nimwegen, wo 1678 und 1679 die Frie-
densverträge zwischen den kriegführenden Machten
zustandekamen. Holland erhielt von Frankreich
einen günstigen Handelsvertrag, während Spanien
die Franche Comte und 16 belgische Grenzfestungen
an Frankreich abtreten mußte. - Ludwig XIV. gab
Philippsburg zurück und erhielt dafür Freiburg im
Breisgau. Noch standen Brandenburg und Schwe
den im Kampfe, jetzt in Ostpreußen. Aber trotz
seiner glänzenden Erfolge konnte der große Kur
fürst lediglich das rechte Oderufer im Frieden von
St. Germain behaupten, da Schweden an Lud
wig XIV. einen starken Rückhalt hatte.
Der Friede war zwar geschloffen, aber Lud
wigs XIV. Machthunger und Erobernngögier fan
den bald wieder Gelegenheit, neuen Zündstoff auf
zuhäufen. Er gedachte jetzt, die Erwerbungen
Frankreichs in den letzten Friedensschlüssen dadurch
zu erweitern, daß er alles einzog, was jemals zu
oiesen Gebieten gehört hatte. Seit Oktober 1679
wurden also Reunionskammern in Metz, Breisach
llnd Besanyon errichtet, welche die Geschichte der
neuen französischen Gebiete zu erforschen hatten
und gegen deren Spruch es keinen Widerstand gab.
Alsbald wurde mit bewaffneter Macht das Frank
reich zugesprochene Gebiet besetzt. Die zehn elsässt-
schen Städte, die 1648 der französischen Schutz-
herrschaft ausgeliefert waren, erhielten französische
Besatzungen. Die Kurfürstentümer Mainz und
Trier, sowie andere benachbarte Reichsfürsten wur
den durch diese Reunionen, die allenthalben Ent
rüstung hervorriefen, empfindlich geschädigt. Be
kanntlich wurde ja auch dank der Mithilfe des seit
langer Zeit in französischem Solde befindlichen
Bischofs Franz Egon von Fürstenberg am Zo.
September 1681 Straßburg dem deutschen Reiche
enteisten und Frankreich einverleibt. Und wenn
auch infolge der deutschen Zwiespältigkeit nichts
Entscheidendes gegen Ludwigs Raubpolitik erfolgte,
zumal der Kaiser durch die ungarischen Verhält
nisse und die Türkengefahr hinlänglich beschäftigt
war, so fehlte es doch nicht an erfreulichen Ansätzen
zu nationaler Ermannung.
Seele der franzosenfeindlichen Politik war Graf
Georg Friedrich von Waldeck. Zu seinen ver