Full text: Hessenland (41.1930)

164 
Ludwig XIV. zurückwich. Spanien trat im Frie 
den zu Aachen RUai 1668 die eroberten Plätze an 
der Südgrenze der spanischen Niederlande an 
Frankreich ab, wogegen Ludwig XIV. die Franche 
Comte zurückgab. Die Gefahr war im Augen 
blick gebannt, aber Ludwig bereitete seine Rache an 
Holland vor. Er glaubte das um so ungestörter 
tun zu können, als Kaiser Leopold durch einen 
schweren Aufstand in Ungarn einstweilen beschäf 
tigt war. Noch aus einem weiteren Grunde 
glaubte Ludwig XIV. vom Kaiser wenig fürchten 
zu müssen: Leopold I. hatte mit ihm 1668 einen 
geheimen Vertrag abgeschlossen über die Teilung 
der spanischen Erbschaft, wenn König Karl II. das 
Zeitliche segnen sollte. 
So standen die Dinge, als Landgraf Wil 
helm VII. von Hessen am 21. November 1670 
im 20. Lebensjahre auf einer Reife in Paris am 
Fieber verstarb und den Thron seinem jüngeren 
Bruder Karl hinterließ, der am Z., bezw. 14. Au 
gust sein 16. Lebensjahr vollendet hatte. Gemäß 
dem Testamente von Karls Vater Wilhelm VI., 
1658 aufgesetzt, führte seine Witwe Hedwig 
Sophie, die kluge und tatkräftige, aber auch 
herrschsüchtige Schwester des großen Kurfürsten 
Friedrich Wilhelm von Brandenburg, wie bisher 
für ihren älteren Sohn Wilhelm VII., so jetzt für 
den jungen Landgrafen Karl Vormundschaft und 
Regierung. Das Hauptaugenmerk der Landgräfin- 
Regentin galt dem inneren Wiederaufbau ihres 
Landes, das noch längst nicht die Schäden des drei 
ßigjährigen Krieges überwunden hatte. Handel, 
Gewerbe und Landwirtschaft hoben sich langsam, 
wüste oder zerstörte Stätten erstanden neu, Justiz 
und Schulwesen wurden gepflegt, für die öffent 
liche Sicherheit nach Kräften gesorgt, das Heer so 
weit instandgesetzt, wie eö die schwache wirtschaft 
liche Leistungsfähigkeit des Landes nur irgend zu 
ließ. Für diese Wiederaufbauarbeit brauchte Hed 
wig Sophie vor allem Ruhe nach außen. Sie ver 
mied daher, wenn irgend möglich, auswärtige Bin 
dungen, die zu kriegerischen Verwickelungen führen 
konnten. Außer mit dem Hause Brandenburg ver 
banden Hedwig Sophie starke dynastische Inter 
essen mit dem Hause Oranien, dessen Bedeutung 
zwar um 1670 in Holland gesunken war, weil die 
Aristokratenpartei unter Führung de Witts an der 
Macht saß. Luise Henriette, die Schwester Wil 
helms II. und Tante Wilhelms III. von Oranien, 
war die Gattin des großen Kurfürsten gewesen, 
allerdings im Juni 1667 gestorben. — Karl hätte 
nun gemäß kaiserlichem MajorennitätSprivilegium 
und den Bestimmungen des väterlichen Testaments 
mit achtzehn Jahren mündig gesprochen werden 
müssen, also zum Z./i 4 . August 1672. Aber es 
geschah nicht, in erster Linie wohl einfach deshalb, 
weil Hedwig Sophie sich nicht zum Verzicht auf 
die Regierung entschließen konnte. Die kompli 
zierten Zeitverhältnifse gaben ihr einen geeigneten 
Vorwand für ihr Verhalten. 
Systematisch arbeitete Ludwig XIV. an dem 
Rachekrieg gegen Holland und an der Isolierung 
des Landes, das ohnehin durch die Parteiungen im 
Inneren geschwächt wurde: Der Oligarchenpartei 
der de Witts stand die demokratische Partei der 
Oranier gegenüber, beide voll Mißtrauen einander 
beobachtend. Ludwig schloß zunächst 1670 zu Dover 
ein geheimes Bündnis gegen Holland mit König 
Karl II. von England aus dem Hause Stuart. 
Ende 1671 und Anfang 1672 folgte ein zehnjäh 
riges Bündnis zwischen Frankreich und Schweden, 
dessen in seinen deutschen Besitzungen einquartierte 
Truppen aus französischen Mitteln erhalten werden 
sollten. In gleicher Weise zog Ludwig den Kur 
fürsten Maximilian Heinrich von Köln, sowie 
Christoph Bernhard von Galen, Bischof von Mun- 
ster, auf seine Seite. Beim großen Kurfürsten 
machte der Sonnenkönig einen ähnlichen Versuch. 
Friedrich Wilhelm von Brandenburg aber erkannte 
die Gefahr und bot warnend den Generalstaaten ein 
Verteidigungsbündnis an. Bester glückte es Lud 
wig XIV. bei Bayern, Pfalz-Neuburg, Württem 
berg und Kurtrier, während Kurmainz eine fried 
liche Auseinandersetzung mit Frankreich anstrebte. 
Anfang 1672 brach der Krieg aus. Da brachte die 
Not des Landes in Holland einen gänzlichen Um 
schwung zustande. Anfang Juli 1672 kam die 
oranische Partei zur Regierung: Wilhelm III. 
wurde zum erblichen Generalstatthalter und Ober 
feldherrn der Mederlande ausgerufen, wogegen die 
Brüder de Witt kurz darauf der Wut des Pöbels 
zum Opfer fielen. — In der Folgezeit schloffen 
Spanien, Dänemark und Lothringen Bündnisse mit 
Holland. Unter dem Eindruck der Verwüstung der 
Pfalz durch die Truppen Turennes raffte man sich 
endlich am Wiener Hofe zu energischerem Handeln 
auf. Dazu trug der Umschwung in der englischen 
Politik wesentlich bei, wo man aus Mißtrauen 
gegen die Katholifierungöbestrebungen des eigenen 
Königs, sowie auch Ludwigs gegenüber den Hollän 
dern 1674 mit der gefährdeten Republik Frieden 
schloß. Kaiser und Reich erklärten ebenfalls im Mai 
1674 Ludwig XIV. den Krieg, und jetzt rührte sich 
auch Hedwig Sophie von Hessen; sie verdoppelte ihr 
Reichökontingent und hielt außerdem in ihrem Lanve 
12000 Mann trefflich geschulter Landmiliz zur 
Verteidigung bereit, stets im Einvernehmen mit 
ihrem Bruder, mit dem sie sich wiederholt persönlich 
besprach. Der Krieg tobte in den Mederlanden, am 
Ober- und Mittelrhein und in der Franche Comte.
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.