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ihresgleichen. Begreiflich, daß Frankreich in erster
Linie sich dadurch umklammert und bedroht fühlte
und jede Gelegenheit zu ihrer Schwächung geschickt
ausnutzte, nicht selten im Einvernehmen mit den
deutschen Protestanten und den Türken. Noch
Karl V. verlor das Herzogtum Burgund an
Frankreich. Als der Kaiser 1556 abdankte, über
ließ er die burgundischen und spanischen Lande samt
Mailand seinem Sohne Philipp II., währenv die
österreichisch-ungarischen Gebiete seinem jüngeren
Bruder und Nachfolger Ferdinand I. zufielen.
Spanien, der bei weitem mächtigere Staat
unter habsburgischer Führung, verzehrt seine besten
Kräfte im Kampfe gegen England und vie nieder
ländischen Protestanten; Holland schüttelt das spa
nische Joch schließlich ab. Frankreich ist gelähmt
durch innere Wirren infolge der Hngenottenkriege.
Erst während des 30jährigen Krieges ist es so weit
erstarkt, daß es sich einmischen und den Gegnern
der spanischen, wie der österreichischen Habsburger
den Rücken stärken kann. Dafür erhält es im
Westfälischen Frieden 1648 den Sundgau, die
Landgrafschaft Ober- und Niederelsaß, die Land
vogtei über zehn elsässische Städte, also eine Art
Schutzherrschaft, die sich für weitere Einmischungen
zu gelegener Zeit ausgezeichnet verwenden ließ, fer
ner endgültig die Bistümer Metz, Toul und Ver
dun, endlich auf dem rechten Rheinufer Breisach
und das Besatzungsrecht von Philippsburg. Da
diese Erwerbungen zum größten Teile österreichische
Territorien und Rechte gewesen waren, so war die
habsburgische Stellung im Westen Deutschlands
erschüttert, während Frankreich im Elsaß und am
Rheine festen Fuß gefaßt hatte. — Der gleich
zeitige Krieg Frankreichs mit Spanien wurde erst
Ende 1659 durch den Pyrenäischen Frieden been
digt, in dem der Kamm der Pyrenäen als Grenze
zwischen Frankreich und Spanien festgesetzt, außer
dem von den spanischen Niederlanden Artois und
einige Küstenstädte Flanderns an Frankreich abge
treten wurden. Hatte schon der Westfälische
Friede den Holländern eine Gebietserweiterung nach
Süden hin auf Kosten der spanischen Niederlande
gebracht, so waren diese jetzt neuerdings einer wich
tigen und blühenden Landschaft beraubt worden.
Der Kampf Frankreichs mit Spanien um die
Vormachtstellung ist damit zugunsten Frankreichs
entschieden.
Beenden wir nunmehr unsere Blicke nach dem
Norden und Osten Europas, so sehen wir, daß
Schweden durch den ^Westfälischen Frieden
seine Vormachtstellung an der Ostsee wesentlich ge
stärkt hat. Ihm hatten bis dahin bereits Finnland
und die baltischen Provinzen Ingermanland, Est
land und Livland gehört. Jetzt erhielt es dazu
Pommern links der Over, also das sogenannte Vor
pommern, mit Stettin, Rügen, Usedom und Wol-
lin, dazu einen Landstreifen am rechten Oderufer,
ferner die Stadt Mäsmar. Durch den Erwerb der
Bistümer Bremen und Verden beherrschte es auch
die Mundungen von Weser und Elbe. Unbestrit
ten war aber seine Ostseestellung nicht: Als Ri
valen find anzusehen Dänemark, Polen und Kur
brandenburg, dem auf Grund einer alten Erbver
brüderung ganz Pommern hätte zufallen sollen, das
sich aber mit Hinterpommern und dem Bistum
Kammin begnügen mußte und dafür anderweitig
entschädigt wurde. Rußlanv, im 16. Jahr
hundert wesentlich konsolidiert, sollte erst später als
gefährlichster Gegner Schwedens an der Ostseeküste
auf den Plan treten. Polens Stellung an der
Ostsee war 1660 wesentlich geschwächt worden,
als es im Frieden von Oliva auf die Oberlehns
hoheit über das Herzogtum Preußen zugunsten von
Brandenburg hatte verzichten müssen; seitdem war
der große Kurfürst Friedrich Wilhelm souveräner
Herr in Preußen. — Von der starken Stellung
der Türken im Südosten Europas war schon
die Rede. Dem Szepter des Sultans unterstanden
Ungarn, die Fürstentümer Siebenbürgen, Moldau
und Walachei, also das heutige Rumänien, sowie
die ganze Balkanhalbinsel südlich von Donau und
Save. Die Republik Venedig rang mit den
Türken in wechselvollen Kämpfen um ihre See
geltung im östlichen Mittelmeere.
Um 1660 waren mehrere, für die Geschichte
Europas wichtige Entscheidungen gefallen. Man
kann von da an eine neue Epoche datieren, die man
wohl am besten als den Aufstieg Frankreichs zur
Hegemonie in Europa charakterisiert. 1661 starb
der geniale französtsche Staatsmann Kardinal
Mazarin; sein König, der 23jährige Ludwig XIV.,
übernahm jetzt selbst die Zügel der Regierung.
Für die ersten Jahre hielt er sich noch ruhig; sie
dienten der inneren Festigung des französischen
Staates, dessen Finanzminister Colbert es sich vor
allen Dingen angelegen sein ließ, Frankreich wirt
schaftlich zu stärken. Er nützte weder den Türken
krieg von 1663/64 gegen den Kaiser aus, noch er
griff er Partei in dem Seekriege zwischen England
und Holland von 1664/7. Trotz der Erfolge seines
Landes bot Johann de Mätt, der leitende Staats
mann in Holland, den Engländern den günstigen
Frieden von Breda: Sie behielten die eroberten
amerikanischen Kolonien Hollands, Neu-Amster-
dam, fortan New 2 s)orf genannt, und das Nach
bargebiet, während der holländische Besitz am St.
Lorenzstrom, also in Kanada, französischen Ansied
lern überlassen wurde. De Witt hatte triftige
Gründe für sein Entgegenkommen auch gegenüber