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Die Einrichtung eines selbständigen Provinziellen
Selbstverwaltungsbezirkes innerhalb der Provinz Hes
sens-Nassau mit dem Sitz in Kassel beruht nicht etwa
auf einer zufälligen und inzwischen in ihrer inneren
Berechtigung überholten geschichtlichen Entwickelung.
Dielmehr bestehen die inneren! Gründe für diese wohl
begründete staatsrechtliche Maßnahme fort und sind
inzwischen durch! die Ausgestaltung und günstige Ent
wicklung der seit 6V Jahren bewährten eigenen Selbst
verwaltung in diesem Bezirk nur noch bodeutend
verstärkt worden. Sie finden in der topographischen
Lage des Landes und der dadurch bedingten und
feit vielen Jahrhunderten besonders ausgeprägten
stammeskundigen Eigenart, aber auch in der damit
verbundenen kulturellen und wirtschaftlichen Zusam
mengehörigkeit seiner Bewohner ihre Erklärung. Nir
gends wohl in ganz Deutschland ist das Volkstum
feit so uralter Zeit an der Stelle festgewurzelt, wie
es in der Hessischen Landschaft der Fall ist. Die
Hessen sind nach Jacob Grimm „außer den Friesen
der einzige deutsche Volksstamm, der mit behaup
tetem alten Namen bis heute unverrückt an derselben
Stelle haftet, wo seiner in der Geschichte zuerst er
wähnt wird." Di!e Bevölkerung hält auch, setzt, nach
dem sie bei ihrem Aufgehen in Preußen durch ein
zelne gemeinschaftliche Einrichtungen und Behörden,
insbesondere durch ein gemeinsames Oberpräsidium
mit dem Bezirk Nassau, und der Stadt Frankfurt zu
einer Provinz verbunden ist, ohne Unterschied der
Parteizugehörigkeit zähe an ihrer alten Stammesart
und an ihrer alten Hauptstadt Kassel fest. Sie wird
allen Bestrebungen, die zur Folge haben müßten, daß
dilesem seinem alten und für die Bevölkerung des
Landes äußerst wertvollen kulturellen unb wirt
schaftlichen Mittelpunkt seine Bedeutung genommen
würde, mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Sie
verlangt auch bei einer etwa eintretenden neuen ter
ritorialen Gliederung des Reichs mit dem größten
Nachdruck, daß ihr der übrigens bei dem Verlust
der staatlichen Selbständigkeit an Preußen nicht nur
von der damaligen Staatsgewalt feierlich zugesagte
Schutz >der berechtigten Eigentümlichkeiten des Landes,
sondern auch das bei den Verhandlungen im Preu
ßischen Landtag! ausdrüMch in Aussicht gestellte
Recht auf eine selbständige provinzielle Selbstver
waltung ungeschmälert erhalten bleibt, mag sich auch
im übrigen die territoriale Gliederung vollziehen,
wie sie wolle. Sie gibt sich ferner" der zuversicht
lichen Erwartung hin, daß bei der zu erwartenden
Neugliederung in jedem Falle die Aufrechterhaltung
und räumliche Fortbildung eines voll leistungsfähigen
Verwaltungsgebiets innerhalb des hessischen Stam
mes-, Kultur- und Wittschaftskreises und seiner Aus
strahlungen sichergestellt wird. Der Ausspruch W.
H. Riehls, eines d!er bedeutendsten und- feinsten Ken
ner des deutschen Volkstums, gilt auch für die heu
tige Lage: „Hessenland hat ein historisches Recht auf
der Karte Deutschlands."
Der Landeshauptmann in Hessen,
gez. v. Gehr e n.
Der Vorsitzende des Landesausschusses,
ge z. T h ö n e.
So £)cfcf>soffert in der Sitzung des Landesaus-
fchusses vom 18. Dezember 1938.
Beglaubigt:
S t r u v e, Bürodirektor.
H o chs ch u l na ch r i ch te n. Marburg: Der
ord. Professor für mittlere und neuere Geschichte Geh-
Regierungsrat Dr. Wilhelm Busch, sowie der ovo.
Professor der systematischen Theologie D. Dr. Rudolf
Otto wurden zum 1. April 1929 von den amtlichen
Verpflichtungen entbunden. — Prof. Dr. Harry
M a i n c in Bern hat den Ruf auf den Lehrstuhl der
deutschen Sprache und Literatur an unserer Univer
sität «als Nachfolger von Geheimrat Ernst Elfter ange
nommen. — Die medizinische Fakultät ehrte in einer
Festsitzung ihren Ehrendoktor, den vor 100 Jahren,
am 4, 8. 182-8 geborenen und am 16. 12. 1916 ver
storbenen ehemaligen Dillenburger Kreisarzt Geh. Sa
nitätsrat Dr. med. Karl S p e ck. Speck, der von 1868
bis 1910 in Dillenbuvg wirkte, ist durch seine Ver
suche über die Beeinflussung des menschlichen Stoss-
haushaltes durch körperliche Betätigung als Dater der
heutigen Arbeitsphysiologie einschließlich ihres sport
wissenschaftlichen Teiles anzusehen. — Am 20. De
zember verstarb der Direktor der medizinischen Poli
klinik Prof. Dr. Eduard Müller Müller, 1876 in
Auweiler in der Rheinpsalz geboren, habilitierte sich
1904 in Breslau, wurde 1909 ao. Prof in Marburg,
1921 ebendort ord. Prof, und war feit 1909 Direktor
der medizinischen Poliklinik. Seine wissenschaftlichen
Arbeiten betreffen besonders die Gehirn- und Rücken
marksleiden. — Prof. Dr. Hans Me e r w ein in Kö
nigsberg hat die Berufung auf den Lehrstuhl der
Chemie als Nachfolger des Geheimrats v. Auwers an
genommen. — Pfarrer Lie. Maurer in Michelbach
bei Marburg, ein geborener Kaffelaner, hat sich der
der theolog. Fakultät als Privatdozent für Kirchen-
gefchichte habilitiert. — Die philosophische Fakultät
verlieh dem Ehrenbürger der Stadt Eorbach, dem
Förderer der waldeckischen Geschichtsforschung, Dr.
L e i ß . den Doktortitel ehrenhalber. — Der Hauptaus
schuß des pveuß. Staatsrats forderte, die im Etat vor
gesehene Professur für Auslandsdeutschtum in Mar
burg zu streichen.—Vom Landeskirchentag wurden zur
400jahrfeier des Religionsgesprächs zwischen Luther und
Zwingli in Marburg im Sommer 1526 2000 M. be
willigt. Sie ist geplant als Notabelnversammlung mit
mit hessischen Vorträgen, Aussprache über Probleme
des Konfessionalismus und über die gemeinsame Auf
gabe des Protestantismus. Den historischen Vortrag
hat Pros. D. von Schubert-Heidelberg übernommen;
ein deutscher Lutheraner, ein Schweizer Reformierter
und der bekannte Neuyorker Radiopfarrer Eadman
werden sprechen!; die rekonstruierten Wechselgespräche
der Reformatoren werden von Studenten gesprochen.
Es ist heute fast vergessen, daß man sich in 14 Punk
ten damals geeinigt und nur in der Abendmahls
frage sich nicht gefunden hat. — Zu dem im Besitz der
Marburger Blindenanstalt befindlichen Gelände wur-
den 6000 qm hinzu ge kau ft, auf dem ein 'Bibliotheks
gebäude und eine Schule gebaut werden sollen. —
Gießen: Am 16. November verschied der emerit.
ord. Prof, der Ohrenklinik Dr. med. Ernst L e u t erk
im 66. Lebensjahr. — Der ord. Prof, der Theologie
D. Dr. F ri ck folgte der Einladung des Mansfield-
Eollege in Oxford zu Gastvorlesungen im nächsten
Jahr. — Der Prosektor am veterinär-anatomischen
Institut Dr. S ü p p e l wurde vom bulgarischen Kul
tusminister zum orid. Dozenten für Anatomie, Histo
logie und Embiologie an der Universität Sofia er
nannt. — Die Privatdozenten für innere Medizin Dr,
Erwin Moos, Dr. Erich Woenckh a u s und Dr.
Heinz La wa c zeck wurden zu überplanmäßigen ao.
Professoren ernannt. — Die Philosoph. Fakultät er-