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Floh eines jeden Flohes hat sicher auch sein
Hauskreuz! Und weiter weiß ich, daß ein je
des Geschöpf sich als Krone der Schöpfung
wähnt, und daß es dementsprechend sein Ver
halten zu den Mitgeschöpfen einrichtet.
Merkst du, kleine Mumie, wo hinaus ich
denke? Ich habe nämlich soeben etwas Er
schreckendes getan, etwas, was ich im vorigen
Jahre, als ich den Garten kaufte, noch nicht
tun zu können vermeinte: ich habe Raupen
verbrannt! An meinen Birnbäumen hingen
grau zusammengeklumpt die Raupennester,
und wenn ich hinsah, bemerkte ich, wie die
heimtückischen Fresser auszogen, an den Zwei
gen hinkrochen, an den Blattstielen empor, und
wie sie die Blätter benagten und in kurzer
Frist zerstörten. Da rief mir der Gärtner
übern Zaun, ich müsse sie mit Feuer vernich
ten, und die Polizei kam an den Zaun und
verpflichtete mich zu der ungeheuerlichen Tat.
So nahm ich also einen langen Stab, drahtete
ein Becherlein dran, tat Werg in den Becher,
überschüttete den Werg mit Petroleum. Dann
zündete ich das Erdöl an. hob die stinkige
Flamme empor unter die Nester . . . o, kleine
Mumie, das hättest du hören sollen und sehen!
In einem solchen Nest sitzen hundert Raupen
beisammen und mehr und viele tausend
Raupenkinder und Raupeneier, ein ganzes
Hunnenheer jedes Nest! Ich blieb hart, ich
hielt die Flamme an den rechten Ort, wickelte
jedes Nest in meine Flamme ein, und nun
wollten die Tierchen flüchten! Das Fett, das
sie reichlich meinen Bäumen entzogen hatten,
knisterte auf, viele klumpten sogleich zusam
men, fielen herunter. Andere, die den Flam
men zu entkommen schienen, erreichte meine
Flamme rasch auf den Zweigen und tötete sie.
Viele, die behaglich an den junaarünen Blätt
chen saßen, schreckte ich auf und tötete sie. Die
Blätter kräuselten ein und wurden schwarz,
und jetzt, nachdem die Tat geschehen, ragen die
verbrannten Zweige seitab aus dem Grün und
kreischen mich an.
Siehst du. Kleine, der vorjährige, milliar-
denhafte Ueberschuß an Geburten innerhalb
deiner Generation war verursacht von der an
haltenden Trockenheit des Jahres. Wenn das
heurige Jahr wieder so trocken wird, so werden
deine Genossen wieder so zahlreich auftreten,
und ich, was werde ich zu tun haben? Ich
werde mit einer Spritze voll Gift umhergehen
und die Deinen abtöten! Denn seit ich einen
Garten besitze, bin ich a u ch nur ein Mensch,
wähne mich gleich dir als Krone der Schöpfung
und bitte dich nun: um dein Eigentum gleich
mir einen Zaun zu stellen, und wenn du mir
klagest, daß du wehrlos seiest, so hab ich nur
noch ein Achselzucken übrig!
Verweisest du mich aber auf mein Geschlecht,
daß wir Menschen ebenso zahlreich geworden
seien wie ihr Flöhe, und daß wir den Wir
singkopf Erde nicht anders umschwirren wie
ihr den meinen, so werde ich auch dafür nur
ein Achselzucken übrig haben! Der Kampf
ums Dasein ist hart geworden, seitdem alle
Geschöpfe zahlreich werden wollen wie die
Sterne des Himmels, wie der Sand am Meer.
Die ganze Schöpfung ist in einen Taumel nach
Maste geraten, und die ursprüngliche Absicht
des Schöpfers ward verdunkelt! Schuld daran
scheint freilich nur der Mensch.
Halloh, mein Brüderchen, mein Leidens
gefährt: auch ich sprang ehedem fröhlich und
frei wie du in den Gärten umher und in der
Sonne; doch auf einmal geriet ich gleich dir
zwischen Papier und Zeilen! Auf einmal
bohrte ich die Taster des verführerischen
Geistes in den sogenannten Honigseim des
Geistigen, ich erlernte Kunststückchen des Leibes
und der Seele und tat eines Tages den ver
hängnisvollen Sprung (gleich dir) aufschnel
lend ins blendend Ungewisse, und ich verschrieb
mich mit Haut und Haar Ihrer Majestät, der
Wissenschaft, und geriet unter ihren süßen
Schmeicheleien gänzlich (gleich dir) zwischen
Vapier und Buchstabe! Und vollauf dir gleich
stemmte ich mich mit aller Kraft — das war
meine Rettung — gegen die erdrückende Last,
und der befreiende Sprung gelang mir besser
als dir! Run feh ich mich in dir! Run feh
ich. was aus mir geworden wäre; in deinen
davongestreckten Beinen erkenne ich meine
eigene riesenhafte Anstrengung . . . mir schau-
derts. mir schauderts! . . .
Und nun steh ich erhobenen Hauptes da und
grüße meinen Schöpfer, unseren Vater!
Die Schauspielerin.
Sieh, Bernstein fand ich am Strande des Meeres. Doch einer deutet: „Beim Suchen und Finden,
Ich reiht' ihn auf Schnüre, auf lange, goldne, Beim Gang durch die Lachen,
Und trag ihn stolz um Hals und um Schultern. Ist naß geworden der Saum ihres Kleides."
Wie staunen die Leute mich an ob des Schmuckes. LuifeEauer.