Full text: Hessenland (40.1928)

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Floh eines jeden Flohes hat sicher auch sein 
Hauskreuz! Und weiter weiß ich, daß ein je 
des Geschöpf sich als Krone der Schöpfung 
wähnt, und daß es dementsprechend sein Ver 
halten zu den Mitgeschöpfen einrichtet. 
Merkst du, kleine Mumie, wo hinaus ich 
denke? Ich habe nämlich soeben etwas Er 
schreckendes getan, etwas, was ich im vorigen 
Jahre, als ich den Garten kaufte, noch nicht 
tun zu können vermeinte: ich habe Raupen 
verbrannt! An meinen Birnbäumen hingen 
grau zusammengeklumpt die Raupennester, 
und wenn ich hinsah, bemerkte ich, wie die 
heimtückischen Fresser auszogen, an den Zwei 
gen hinkrochen, an den Blattstielen empor, und 
wie sie die Blätter benagten und in kurzer 
Frist zerstörten. Da rief mir der Gärtner 
übern Zaun, ich müsse sie mit Feuer vernich 
ten, und die Polizei kam an den Zaun und 
verpflichtete mich zu der ungeheuerlichen Tat. 
So nahm ich also einen langen Stab, drahtete 
ein Becherlein dran, tat Werg in den Becher, 
überschüttete den Werg mit Petroleum. Dann 
zündete ich das Erdöl an. hob die stinkige 
Flamme empor unter die Nester . . . o, kleine 
Mumie, das hättest du hören sollen und sehen! 
In einem solchen Nest sitzen hundert Raupen 
beisammen und mehr und viele tausend 
Raupenkinder und Raupeneier, ein ganzes 
Hunnenheer jedes Nest! Ich blieb hart, ich 
hielt die Flamme an den rechten Ort, wickelte 
jedes Nest in meine Flamme ein, und nun 
wollten die Tierchen flüchten! Das Fett, das 
sie reichlich meinen Bäumen entzogen hatten, 
knisterte auf, viele klumpten sogleich zusam 
men, fielen herunter. Andere, die den Flam 
men zu entkommen schienen, erreichte meine 
Flamme rasch auf den Zweigen und tötete sie. 
Viele, die behaglich an den junaarünen Blätt 
chen saßen, schreckte ich auf und tötete sie. Die 
Blätter kräuselten ein und wurden schwarz, 
und jetzt, nachdem die Tat geschehen, ragen die 
verbrannten Zweige seitab aus dem Grün und 
kreischen mich an. 
Siehst du. Kleine, der vorjährige, milliar- 
denhafte Ueberschuß an Geburten innerhalb 
deiner Generation war verursacht von der an 
haltenden Trockenheit des Jahres. Wenn das 
heurige Jahr wieder so trocken wird, so werden 
deine Genossen wieder so zahlreich auftreten, 
und ich, was werde ich zu tun haben? Ich 
werde mit einer Spritze voll Gift umhergehen 
und die Deinen abtöten! Denn seit ich einen 
Garten besitze, bin ich a u ch nur ein Mensch, 
wähne mich gleich dir als Krone der Schöpfung 
und bitte dich nun: um dein Eigentum gleich 
mir einen Zaun zu stellen, und wenn du mir 
klagest, daß du wehrlos seiest, so hab ich nur 
noch ein Achselzucken übrig! 
Verweisest du mich aber auf mein Geschlecht, 
daß wir Menschen ebenso zahlreich geworden 
seien wie ihr Flöhe, und daß wir den Wir 
singkopf Erde nicht anders umschwirren wie 
ihr den meinen, so werde ich auch dafür nur 
ein Achselzucken übrig haben! Der Kampf 
ums Dasein ist hart geworden, seitdem alle 
Geschöpfe zahlreich werden wollen wie die 
Sterne des Himmels, wie der Sand am Meer. 
Die ganze Schöpfung ist in einen Taumel nach 
Maste geraten, und die ursprüngliche Absicht 
des Schöpfers ward verdunkelt! Schuld daran 
scheint freilich nur der Mensch. 
Halloh, mein Brüderchen, mein Leidens 
gefährt: auch ich sprang ehedem fröhlich und 
frei wie du in den Gärten umher und in der 
Sonne; doch auf einmal geriet ich gleich dir 
zwischen Papier und Zeilen! Auf einmal 
bohrte ich die Taster des verführerischen 
Geistes in den sogenannten Honigseim des 
Geistigen, ich erlernte Kunststückchen des Leibes 
und der Seele und tat eines Tages den ver 
hängnisvollen Sprung (gleich dir) aufschnel 
lend ins blendend Ungewisse, und ich verschrieb 
mich mit Haut und Haar Ihrer Majestät, der 
Wissenschaft, und geriet unter ihren süßen 
Schmeicheleien gänzlich (gleich dir) zwischen 
Vapier und Buchstabe! Und vollauf dir gleich 
stemmte ich mich mit aller Kraft — das war 
meine Rettung — gegen die erdrückende Last, 
und der befreiende Sprung gelang mir besser 
als dir! Run feh ich mich in dir! Run feh 
ich. was aus mir geworden wäre; in deinen 
davongestreckten Beinen erkenne ich meine 
eigene riesenhafte Anstrengung . . . mir schau- 
derts. mir schauderts! . . . 
Und nun steh ich erhobenen Hauptes da und 
grüße meinen Schöpfer, unseren Vater! 
Die Schauspielerin. 
Sieh, Bernstein fand ich am Strande des Meeres. Doch einer deutet: „Beim Suchen und Finden, 
Ich reiht' ihn auf Schnüre, auf lange, goldne, Beim Gang durch die Lachen, 
Und trag ihn stolz um Hals und um Schultern. Ist naß geworden der Saum ihres Kleides." 
Wie staunen die Leute mich an ob des Schmuckes. LuifeEauer.
	        

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