Full text: Hessenland (40.1928)

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lichen Festen er uns erzählt: und da er mit 
ganzem Herzen an seinen Getreuen hängt, so 
gehen diese Schilderungen auch zum Herzen 
eines jeden, der unseres Volkes Freund ist. 
Schilderer wie Bötte sind leider selten. Dem 
Feldatal erstand sein Schriftsteller in Andreas 
Schubart. Fünfzig Jahre stand er im preußi 
schen Militärdienst, dann zog sich der alte Herr 
in seine Rhönheimat zurück, und auf Grund 
seiner Iugenderinnerungen, mündlicher Ueber 
lieferung und einiger Geschichtswerke (u. a. 
des eingehenden, leider nicht mehr im Buch 
handel zu habenden Werkes „Aus der nörd 
lichen Vorrhön. Im Tullifeld von L. L. Bach") 
schrieb er sein Buch „Lob der Heimat. Vergan 
genes und Gegenwärtiges aus der weimari- 
schen Rhön." Wer das Gebiet zwischen Felda 
und Werra durchwandert, der stecke das Buch 
ein, es wird ihm ein treuer Begleiter und lieber 
Freund sein. 
Dem touristischen Bedürfnis kommen eine 
ganze Anzahl Bücher entgegen. Voran ging 
auf diesem Gebiete der Meininger B. Spieß 
An eine kleine Mumie. 
Ich schlug heute ein Buch auf, das ich im 
vorigen Sommer gelesen hatte, und fand zwi 
schen den Zeilen einen getrockneten Erdfloh 
eingepreßt. Der eine Flügel deckte, verwässert 
milchig angeblaut, ein kleines lateinisch ge 
drucktes o zu, so daß die Druckerschwärze wie 
eine Verbrämung am Rand durchschimmerte, 
der andere lag zerknittert seitab. Unter der 
Lupe konnte ich das zerquetschte Körperchen 
noch deutlich sehen! Die unendlich langen 
Hinterbeine spreizten auseinander, aber ich 
konnte in den winzig dünnen Fädchen noch die 
ungeheuren Anstrengungen erkennen, mit der 
sie das Körperchen im Augenblick der Ueber- 
raschung zwischen den beiden Buchblättern aus 
der Gefahr stoßen wollten! Ich erschrak vor 
dieser Wucht! Es war zu spät, mein Lieber, 
zu spät! 
Einen anderen Floh, den ungeflügelten Men 
schenfloh (Pulex irritans) hatte ich einmal in 
einem Flohzirkus beobachtet: er zog eine Rolle, 
einen Wagen, er lief auf den Vorderbeinen, 
machte am Reck den Riesenschwung und die freie 
Felge, wie das jedermann schon gesehen hat. 
Das war aber eine sehr lustige Sache! Wenn 
ihrer fünfzehn in Reih und Glied standen und 
die Hinterbeine ausstreckten, so war kein 
Mensch (Homo sapiens), der nicht lachte! Rur 
ich lachte damals nicht, — entsinne ich mich 
mit seinem 1867 erschienenen größeren Werk 
„Die Rhön". Von den eigentlichen Rhön 
führern (Wörl, Grieben, Spieß, Fuchs, Köhler, 
Kahle, Gräve, Oppel u. a.) ist der bekannteste 
und zweckmäßigste der im Jahre 1877 von dem 
Gründer des Rhönklubs vr. Justus Schneider, 
dem Sohn des verdienten „Rhönpapas", her 
ausgegebene. Er liegt jetzt — bearbeitet vom 
Enkel Pr. Gustav Schneider — in 12. Auflage 
vor. Er enthält auch geographische, politische, 
kultur- und welthistorische, sowie natur 
geschichtliche Angaben. 
Ueber all' die vielen Sonderschriften, die 
sich mit Mundart, Pflanzenwelt, Geologie, 
Klima, Vorgeschichte, Geschichte, Landwirt 
schaft, Hausindustrie, Siedlungskunde usw. be 
schäftigen, kann ich vielleicht später eine Ueber 
sicht bringen. Auch eine kurze Besprechung 
der Erzählungen und Dichtungen muß ich mir 
für später vorbehalten, heute darf ich vielleicht 
einstweilen auf meine Arbeit „An Dichters 
Hand durch die Rhön" in der Zeitschrift „Die 
Rhön" verweisen. 
Von Nikolaus Schwarzkopf. 
deutlich. Schier hätte ich weinen mögen da 
mals; denn ich sah in den davongestreckten 
Beinen die unendliche Qual, die der Mensch 
über diese Tierchen verhängt hatte .... 
Doch dieser Floh da, dieser geflügelte Erd 
floh (Haltica oleracea) war wohl selbst an sei 
nem Geschick schuld! Er hatte sich aus irgend 
einem Grund, vielleicht auch ohne allen Grund 
aus dem Bereich seines Wirsinghauptes ent 
fernt und war mit Hilfe seiner Beine und sei 
ner Flügel heraufgeschnellt in mein Buch. 
Hatte sich zwischen den schon überschlagenen 
Seiten eingeschnellt — denn sonst hätte ich 
ihn doch gesehen — und war so ins Verderben 
geraten. 
Höre, du meine kleine Mumie! Du hast dein 
Bäuchlein mit Molekülen vom Herzen eines 
meiner Wirsinghäupter angefüllt, aber ich bin 
dir reicht bös! Auch wenn ich dich im vorigen 
Jahr lebendig in meine Hand bekommen hätte, 
wäre dir nichts geschehen! (Es sei denn, daß 
das bißchen Freude, das ich an dir genommen, 
dir Schmerz bereitet hätte!) Ich liebe die 
Menschen jedenfalls nicht mehr als dich, wahr 
scheinlich sogar weniger als dich! Ich weiß: so, 
wie sie belästigt werden, meinetwegen von dei 
nem Volk, so wirst auch du belästigt von an 
deren Geschöpfen und von deinem Volk. Ich 
weiß: jeder Floh hat seinen Floh, und der
	        

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