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lichen Festen er uns erzählt: und da er mit
ganzem Herzen an seinen Getreuen hängt, so
gehen diese Schilderungen auch zum Herzen
eines jeden, der unseres Volkes Freund ist.
Schilderer wie Bötte sind leider selten. Dem
Feldatal erstand sein Schriftsteller in Andreas
Schubart. Fünfzig Jahre stand er im preußi
schen Militärdienst, dann zog sich der alte Herr
in seine Rhönheimat zurück, und auf Grund
seiner Iugenderinnerungen, mündlicher Ueber
lieferung und einiger Geschichtswerke (u. a.
des eingehenden, leider nicht mehr im Buch
handel zu habenden Werkes „Aus der nörd
lichen Vorrhön. Im Tullifeld von L. L. Bach")
schrieb er sein Buch „Lob der Heimat. Vergan
genes und Gegenwärtiges aus der weimari-
schen Rhön." Wer das Gebiet zwischen Felda
und Werra durchwandert, der stecke das Buch
ein, es wird ihm ein treuer Begleiter und lieber
Freund sein.
Dem touristischen Bedürfnis kommen eine
ganze Anzahl Bücher entgegen. Voran ging
auf diesem Gebiete der Meininger B. Spieß
An eine kleine Mumie.
Ich schlug heute ein Buch auf, das ich im
vorigen Sommer gelesen hatte, und fand zwi
schen den Zeilen einen getrockneten Erdfloh
eingepreßt. Der eine Flügel deckte, verwässert
milchig angeblaut, ein kleines lateinisch ge
drucktes o zu, so daß die Druckerschwärze wie
eine Verbrämung am Rand durchschimmerte,
der andere lag zerknittert seitab. Unter der
Lupe konnte ich das zerquetschte Körperchen
noch deutlich sehen! Die unendlich langen
Hinterbeine spreizten auseinander, aber ich
konnte in den winzig dünnen Fädchen noch die
ungeheuren Anstrengungen erkennen, mit der
sie das Körperchen im Augenblick der Ueber-
raschung zwischen den beiden Buchblättern aus
der Gefahr stoßen wollten! Ich erschrak vor
dieser Wucht! Es war zu spät, mein Lieber,
zu spät!
Einen anderen Floh, den ungeflügelten Men
schenfloh (Pulex irritans) hatte ich einmal in
einem Flohzirkus beobachtet: er zog eine Rolle,
einen Wagen, er lief auf den Vorderbeinen,
machte am Reck den Riesenschwung und die freie
Felge, wie das jedermann schon gesehen hat.
Das war aber eine sehr lustige Sache! Wenn
ihrer fünfzehn in Reih und Glied standen und
die Hinterbeine ausstreckten, so war kein
Mensch (Homo sapiens), der nicht lachte! Rur
ich lachte damals nicht, — entsinne ich mich
mit seinem 1867 erschienenen größeren Werk
„Die Rhön". Von den eigentlichen Rhön
führern (Wörl, Grieben, Spieß, Fuchs, Köhler,
Kahle, Gräve, Oppel u. a.) ist der bekannteste
und zweckmäßigste der im Jahre 1877 von dem
Gründer des Rhönklubs vr. Justus Schneider,
dem Sohn des verdienten „Rhönpapas", her
ausgegebene. Er liegt jetzt — bearbeitet vom
Enkel Pr. Gustav Schneider — in 12. Auflage
vor. Er enthält auch geographische, politische,
kultur- und welthistorische, sowie natur
geschichtliche Angaben.
Ueber all' die vielen Sonderschriften, die
sich mit Mundart, Pflanzenwelt, Geologie,
Klima, Vorgeschichte, Geschichte, Landwirt
schaft, Hausindustrie, Siedlungskunde usw. be
schäftigen, kann ich vielleicht später eine Ueber
sicht bringen. Auch eine kurze Besprechung
der Erzählungen und Dichtungen muß ich mir
für später vorbehalten, heute darf ich vielleicht
einstweilen auf meine Arbeit „An Dichters
Hand durch die Rhön" in der Zeitschrift „Die
Rhön" verweisen.
Von Nikolaus Schwarzkopf.
deutlich. Schier hätte ich weinen mögen da
mals; denn ich sah in den davongestreckten
Beinen die unendliche Qual, die der Mensch
über diese Tierchen verhängt hatte ....
Doch dieser Floh da, dieser geflügelte Erd
floh (Haltica oleracea) war wohl selbst an sei
nem Geschick schuld! Er hatte sich aus irgend
einem Grund, vielleicht auch ohne allen Grund
aus dem Bereich seines Wirsinghauptes ent
fernt und war mit Hilfe seiner Beine und sei
ner Flügel heraufgeschnellt in mein Buch.
Hatte sich zwischen den schon überschlagenen
Seiten eingeschnellt — denn sonst hätte ich
ihn doch gesehen — und war so ins Verderben
geraten.
Höre, du meine kleine Mumie! Du hast dein
Bäuchlein mit Molekülen vom Herzen eines
meiner Wirsinghäupter angefüllt, aber ich bin
dir reicht bös! Auch wenn ich dich im vorigen
Jahr lebendig in meine Hand bekommen hätte,
wäre dir nichts geschehen! (Es sei denn, daß
das bißchen Freude, das ich an dir genommen,
dir Schmerz bereitet hätte!) Ich liebe die
Menschen jedenfalls nicht mehr als dich, wahr
scheinlich sogar weniger als dich! Ich weiß: so,
wie sie belästigt werden, meinetwegen von dei
nem Volk, so wirst auch du belästigt von an
deren Geschöpfen und von deinem Volk. Ich
weiß: jeder Floh hat seinen Floh, und der