Full text: Hessenland (40.1928)

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Dr. Joseph Schneider zu Fulda (1777—1854), 
dem verdienstvollen Rhönschriftsteller und Er- 
schließer des Gebirges. Der mit dem Ehren 
namen „Rhönpapa" ausgezeichnete Mann ist 
der Großvater des verehrten zweiten Vorsitzen 
den des Rhönklubs Dr. Gustav Schneider. Mit 
seiner klaren und umfassenden Schilderung 
„Beschreibung des hohen Rhöngebirges" (1816 
und 1840) gab er die erste wissenschaftliche Ar 
beit über das bisher so wenig bekannte, im 
deutschen Vaterlande so verschriene Gebiet. 
„Das Land der armen Leute"^) nannte es der 
Kulturhistoriker W. H. Riehl im ersten Band 
„Land und Leute" seiner „Naturgeschichte des 
Volkes" (1853). Gerade durch die Schilderun 
gen der Armut und der Genügsamkeit der 
Rhönbewohner, der Dürftigkeit der unwirt 
lichen Hochflächen wurde für einen guten Teil 
des deutschen Lesepublikums die Rhön erst ent 
deckt. Dem Dichter Riehl war die Rhön gut 
bekannt. Er gehörte ja zu den Schriftstellern, 
die ihre Beobachtungen erwandern und er 
leben, im eigenen Sehen und Hören an Ort 
und Stelle erforschen und so manchem Deut 
schen durch ihre seinen Schilderungen erst die 
Augen über die Schönheiten seines Landes ge 
öffnet haben. Es folgt August Trinius, der 
im vierten und fünften Bande seines „Thürin 
ger Wanderbuches" (1890) frohe Fahrten durch 
die Rordostrhön (Oechsen, Bayer, Rosagrund, 
Zilbach, Geba, Hutsberg, Henneberg, Bauer 
bach) in seiner oft etwas zu gewollt poetischen 
Weise beschreibt. Um zu vergleichen, wieviel 
sich für die Rhön und ihre Anwohner seit 
Schneider und Riehl geändert hat, lese man die 
im Jahre 1924 erschienenen prächtigen Heimat 
büchlein „Rhöner Land und Volk" und „Die 
Rhön im Wandel der Monate" von Karl 
Strauß, dem Schriftleiter der Zeitschrift des 
Rhönklubs „Die Rhön". 
Die umfassendste Arbeit über die Kultur der 
Rhön ist der „Rhönspiegel" von Leopold Höhl. 
Trotz seines dreißigjährigen Alters leistet das 
Buch noch heute jedem Rhönfreunde und 
Rhönbesucher wertvolle Dienste. Hier spricht 
ein Mann, der selbst ein richtiger Rhöner.war. 
Als katholischer Pfarrer wirkte er im Ulster 
grunde und kam so mit dem Volke in innigsten 
Verkehr. Freud und Leid teilte er mit ihm. 
Während mehrerer Jahrzehnte hat er die Rhön 
nach allen Richtungen durchstreift und beson 
ders den südlichen Teil gründlich studiert. So 
2 ) Auch „Die arme Rhön". Ein Kultur- un«d ©it= 
tenbild aus den letzten hunidert Jahren vor dem 
Kriege von Julius Oesterreich (1919). 
kann er in seinem „Rhönspiegel" eine lebens 
frische Schilderung von Land und Leuten geben, 
die uns heute noch Freude bereitet. Nachdem 
er von der Arbeit der Rhöner (Landwirtschaft, 
Flachsbau, Leinenindustrie, Holzschnitzerei, 
Vogelzucht usw.) erzählt hat, beantwortet er in 
launiger Weise die Fragen: Wie wohnt der 
Rhöner? Was ißt und trinkt der Rhöner? 
Wie kleidet sich der Rhöner? Dann geht er auf 
die Sitten und Gebräuche ein und schildert ein 
gehend die Familien-, weltlichen und kirchlichen 
Feste. Da ist ja nun vieles heute nicht mehr 
so, wie es Höhl beschreibt, denn das früher 
sehr einfache Volksleben der Rhön hat sich 
neuzeitlich umgestaltet, und damit ist auch 
mancher alte Volksbrauch verschwunden. Als 
aufrichtiger Rhöner vergißt er bei der Dar 
stellung des dörflichenLebens auch dieUntugen- 
den seines Volkes nicht, denn sein Buch soll ja 
„ein Spiegel sein für die Rhöner selbst, in dem 
sie ihr Tun und Treiben in alter und neuer 
Zeit beschauen und betrachten, auf daß sie sich 
bestreben, was schön und lobenswert an ihnen 
ist, recht sorgsam zu bewahren, was aber einen 
Schatten auf sie werfen könnte, recht gründlich 
zu beseitigen." 
Höhls „Rhönspiegel" ist Wegweiser für viele 
Rhönschriftsteller geworden. Auch Mittelschul 
lehrer Thiel benutzte ihn, als er sein treffliches 
Kulturbild „Buchonien" in Karl Hehlers 
großem Werk „Hessische Landes- und Volks 
kunde" (1904) schrieb. Dieses Buchenland, das 
die Täler der Fulda, Haune, Ulster und Felda 
einschließen, ist mit seinen bescheidenen Dörfern 
und zerstreuten Gehöften der noch recht wenig 
bekannte Teil der Rhön. Es ist reich an 
malerischen, zumeist bewaldeten Kuppen, von 
denen neun wegen ihrer ähnlichen Form vom 
Volk „das große Kegelspiel" genannt werden. 
Die Bewohner dieses schlichten Erdenwinkels 
bezeichnen selbst die Gegend zwischen Landecker 
und Soisberg als „der Welt Ende". Auch die 
Dichtung hat diese Landschaft stiefmütterlich 
behandelt. Wer ihr Volksleben in seiner ur 
sprünglichen Frische kennen lernen will, greife 
zu den Büchern „Aus einer vergessenen Ecke" 
(1911), die der Metropolitan Dr. Werner 
Bötte unter dem Decknamen Friedrich Werner 
als Beiträge zur deutschen Volkskunde heraus 
gab. Unter den Menschen der rauhen Berg 
landschaft — das „liebe Rest Waerohld" ist der 
Marktflecken Friedewald am Dreienberge — 
hat der Verfasser lange gelebt. Er hatte einen 
scharfen Blick für den Volkscharakter und eine 
tiefe Liebe zum Volk, zu den einfachen Leuten, 
von deren Schicksal, harter Arbeit und spür-
	        

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