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Der Schwarmgeist.
Im Jahre 1714 hatte sich in dem Dorfe
Schwarzenau an der Edder eine Gesellschaft
sonderbarer Heiliger zusammengefunden. Es
waren Schwarmgeister von der Sorte, wie sie
im Wittgensteinischen seit langem ihr schlim
mes Wesen trieben. Ihre Sendboten liefen
auch auf hessischem Gebiet umher, um den
Leuten auf merkwürdige Art die neue Lehre
zu verkünden und Buße zu predigen. Anton
Strauß, ein aus dem Stift Bremen entwichener
ehemaliger schwedischer Soldat, war ihr An
führer. Mit wahrem Haß bekämpfte er in sei
nen Predigten die Landeskirche und eiferte
gegen deren berufene Diener. Schon hatte er
in verschiedenen Orten des Hinterlandes, unter
anderen auch in Biedenkopf, den Gottes
dienst freventlich gestört und die Entrüstung
der Gemeinden hervorgerufen, als er am fünf
ten Sonntag nach Epiphanias in der Kirche
zu Battenberg auftauchte. Eben wollte
der Pfarradjunkt H. M. Gönner seine Predigt
beenden, da stürzte Strauß zum Altar und
erhob seine Stimme zu einem solch gräßlichen
Geschrei, daß die kleinen Kinder zu weinen an
fingen. Ein Mann, der ihn beim Arm faßte
und hinwegführen wollte, wurde von dem wil-
Grundlegende Schriften über
Abhandlungen und Bücher über die Rhön
erschienen meines Wissens zuerst Ende des
18. Jahrhunderts. Wohl die erste Beschreibung
des Gebirges gab 1795 der Fuldaer Professor
Heller. Eine Anzahl anderer belehrender und
unterhaltender Schriften,, die zumeist in den in
jenen Jahren gern gelesenen Zeitschriften —
im Fränkischen Acerkur, dem Würzburger ge
lehrten Anzeiger, dem Journal von und für
Franken — erschienen sind und die sich mit der
Ortsbeschreibung, der Wetterkunde der Ge
steins- und Erdschichtenforschung beschäftigen,
sind mir bloß ihrem Titel nach bekannt. Die
Geognostik war ein Gebiet, für das man da
mals lebhaftes Interesse hatte. Das ersehen
wir auch aus Goethes RhönfahrU), die er 1780
in Begleitung des Herzogs unternahm, und
wobei er Zillbach, Kaltennordheim, Melpers
und Ostheim besuchte. Leidige Orte und böse
Nester nennt sie der Dichter. Haupttätigkeit
galt auf der Reise den Untersuchungen der Ge
steine und besonders des Basaltes. Aber-
i) Siehe Goethes Briefe an Frau von Stein.
Von G. Iitzer.
den Prediger mit Rippenstößen gar übel
empfangen. Da eilte der Glöckner zur Hilfe
herbei, und beide schafften den si^ mit aller
Gewalt Sträubenden vor die Tür. Draußen
verlangte er nach seinem Hut, den er in der
Kirche zurückgelassen habe. Wie er nun allein
mit dem Glöckner war, fiel er über ihn her, riß
ihn an den Haaren, bis einige Männer er
schienen und ihm ein besseres Benehmen bei
brachten. Darauf kehrte er den undankbaren
Battenbergern den Rücken, um sich über das
Hügelchen hinab nach Battenfeld zu be
geben. Im dortigen Nachmittagsgottesdienst
trat er nach Predigtschluß abermals vor den
Altar; doch hatte er die Rechnung ohne den
Organisten gemacht. Der wackere Kantor zog
ungesäumt alle Register des umfangreichen
Orgelwerkes und spielte mit Händen und
Füßen darauftos, was er nur konnte. Mochte
der Schwed' den Mund aufreißen, so weit er
wollte — gegenüber der Heerschar der großen
und kleinen Pfeifen zog er den kürzeren. Aus
Wut über den ihm gespielten Streich fiel er
nachher ins Pfarrhaus und nannte, bevor er
wieder nach Schwarzenau entwich, den Orts
geistlichen einen Baalspfaffen.
MC 9ii)ÖTL Von Georg Hilgenberg.
Herrenbreitungen an der Werra.
schließlich schrieb er am 11. September an seine
Freundin: „Der Steine von Thüringen hab ich
nun satt." „Ich sehne mich nach Hause wie
ein Kranker nach dem Bette."
Auch F. A. Jäger, der Pfarrer von Markt-
bibert, widmet den größten Teil seines Buches
>,Briefe über die hohe Rhöne Frankens" der
Gesteinsforschung, doch enthält das 1803 er
schienene Werk, das heute eine sorgsam ge
hütete Kostbarkeit weniger Büchereien ist, auch
noch für unsere Zeit lesenswerte Abhandlungen
geschichtlichen und kulturhistorischen Inhalts.
Vielseitig ist der Würzburger Domvikar Fr. R.
Baur-in seiner 1816 herausgegebenen umfang
reichen „Beschreibung des heiligen Kreuzberges
und seiner Umgebungen in Hinsicht auf die
Erzeugnisse und Schönheiten der Natur, mit
statistischen, geschichtlichen und religiösen Be
merkungen."
Das Verdienst, die Aufmerksamkeit weiter
Kreise auf die Rhön gelenkt zu haben, gebührt
unbestritten dem kurfürstlichen Obermedizinal
rat und Regierungs- und Medizinalreferenten