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rawane; drüben die Pyramiden, die alten
Königsgesichter stolz und trotzig gezeichnet. —
Warum ist er nicht selbst als König gekommen
in seine bunte Welt — Jas Sinderkol mit den
großen Künstleraugen statt so unbekannt
sein Leben hier abrollen zu lassen? —
Noch einen Raum hat der dort drüben. Da
will er hineingehen, wenn ihm der schwarze
Engel seine Stunde weist. Da hat er seine
rauhe, treue Heimat festgehalten, Dänemarks
einsame Seen, die stillen Hütten an den Forst
aufstiegen, die sommerseligen Schwalben dro
ben in der lichten, ungetrübten Himmelsherr
lichkeit! Da will er sitzen in dem Schiffer
boot, das mitten im Raum steht, und das er
mit endloser Mühe nach dem Gedankenbild sei
nes ersten Floßes gezimmert hat — und will
weit weit hinausfahren im Traum — in die
Heimat.
Du siehst, mein Freund, es wird eine fried
liche Nachbarschaft sein. — Nun sieh hinüber,
wo die großen Nardushrosen über das kleine,
weiße Haus brennen. Dort drüben lebt die
erste Frau einsam für sich hin, die hier ohne
Schutz und Halt einst Aufnahme für sich er
flehte. Die Hilfe, die wir ihr damals gern
boten, zahlt sie uns noch heute täglich zurück.
Sie arbeitet wie ein Tagelöhner und weiß doch
wieder so schwermütige Lieder nachts, daß man
sich fühlt, als seien weiße Tempelsäulen rings
erbaut und man müßte mit dem armen Men
schenherzen selbst das große Erlösungsopfer
bringen. Wir nennen die stille Frau einfach
Halla, ihren russischen Namen vermochten wir
nicht auszusprechen. Sie hat den melancho
lischen Rhytmus ihrer heimatlichen Lieder noch
im Gange beibehalten. Warum sie zu uns kam?
Es hatte sie einer von ihrer Heimat mitge
nommen, an dem sie hing, wie eine Perle in
der Muschel haftet. Aber der Eine hat sich
seines Schmuckes nicht würdig gezeigt, hat sie
in Rio verlassen, und so fand sie in stolzer
Verschlossenheit den Weg, den nicht alle
kennen, nach Mitternachtshof. Es hat sie
keiner gefragt, sie selbst hat sich uns anver
traut, als die großen Regen uns eng zusam
menschlossen. Und Du glaubst, Halla sei voll
Haß gegen das Einst? Du irrst, mein Freund!
Sie hat sein Bild mit den schönsten Nardush-
rosen umkränzt. Sie lebt mit dem russischen
Sprichwort: Nichterfüllung ist des Lebens ein
ziger Adel! Sie geht lachend ihren starken
Pfad der Arbeit und fühlt den neben sich, dem
noch heute alle ihre Wege gehören. Du weißt
nun, daß auf Mitternachtshof selbst der Tod
ein frommer Freund ist.
Dann will ich Dir noch Pitter Overists
Blockbau zeigen. Drüben haust er mit seiner
Maria. Sie sind das einzige Paar in unserer
Estancia. Ein müder, erkenntnisreicher Hol
länder, den einer schweren Verfehlung wegen
die hohe Stufenleiter des Ruhms in den Ab
grund stürzte, und der sich dann ohne große
Aufregung eine Fahrkarte nach Rio nahm, um
seine starke Kraft nicht untätig verrosten zu
lassen. Seine junge Braut Maria, eine ver-
wöbnte Ratriziertochter vom deutschen Nord
strand, folgte ihm heimlich ohne Wissen der
stolzen Eltern, angelockt von den Farben der
bunten Freiheit dort unten. Sie hat's nicht
bereut. Sie war zuerst wie ein junger Affe
wißbegierig und neue Welt vermutend, jetzt
leben sie beide wie echte Brasilianer und über
bieten sich gegenseitig im menschengefälligen
Wandel, haben es sich abgewöhnt, ihre Mit-
menfchen zu kritisieren und leben wie die
Kinder, ihre Ruhezeiten mit Spiel und Froh
sinn füllend!
Mein Freund, jetzt steigt der Mond auf
drüben über Hallas Haus! Wir vom schweren,
nordischen Heimatland können kaum soviel
Glanz ertragen. Ich sage Dir aber nochmals:
Du bist uns allen willkommen hier! Morgen
wirst Du uns sagen, wo Du Dein Heim bauen
willst, und wir werden Deine Gesellen sein;
auch Jose Varnez, der einstige Fürstensohn
aus Sevilla. Er kam mit einer Südexpedition
hier vorüber und blieb in der Einsamkeit, da
ihn alles draußen enttäuscht hatte, was ein
Mensch als Glück und Gott anbetet.
Nun kennst Du die Einsamen von Mitter
nachtshof. Werde ein fester Baustein in unserer
Mauer, die von der lärmenden Welt trennt!
Schlafe ruhig in dem Glanz des nahen Mon
des. . drüben singt Halla ein stilles Heimat
lied. Möge sie Dir das Schlummerlied singen.
Sie wacht weich wie eine Mutter über den
Seelen unserer einsamen Welt.