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Ueberzeugung für diese Schulgattung einge
setzt, insbesondere als das Gymnasium mehr
fach scharfen Angriffen in der Oessentlichkeit
ausgesetzt war und — wie in den letzten Jah
ren — sogar in seinem Weiterbestand bedroht
zu sein schien. So durste man ihn, den ver
ständnisvollen Freund des Gymnasiums und
seiner Bildungswerte, als einen wahren Hu
manisten bezeichnen, wie ihm das mit Recht an
seinem Sarge von seinem letzten Rektor nach
gerühmt wurde.
Bei der Vielseitigkeit seiner Neigungen ist es
nicht verwunderlich, daß Paul Weinmeisters
Wirken, das ihm fast bis zum letzten Lebenstag
vergönnt war, nicht durch seinen eigentlichen
Lehrberuf begrenzt wurde, sondern daß er da
neben auch aus einer Reihe anderer Gebiete
mit Erfolg hervortreten konnte. Neben seiner
politischen Mitarbeit im national-liberalen
Verein, nach der Staatsumwälzung in der de
mokratischen Partei in Leipzig, sei hier dreier
Tätigkeiten gedacht, denen er mit besonderer
Hingebung bis zuletzt obgelegen hat: seiner Ar
beit im Dienste der Leipziger reformierten Ge
meinde, seiner Tätigkeit als Münzsammler und
Münzsorscher und seines Wirkens als Vor
kämpfer für die Ziele des Deutschen Sprachver
eins.
Der Leipziger evangelisch-resormierten Ge
meinde schloß sich Weinmeister, der in Marburg
bereits im reformierten Bekenntnis ausgewach
sen war, bald nach seiner Uebersiedlung nach
Leipzig an. In dieser Gemeinde, in der das
hessische Element im vergangenen Jahrhundert
eine nicht geringe Rolle spielte und auch heute
noch spielt — es sei nur an die jetzt noch an der
Gemeinde wirkenden Pfarrer Karl Bonhoss
und Rudolf Mühlhausen erinnert —, fühlte er
sich ganz besonders durch die Predigten seines
kurhessischen Landsmannes Pastors Dr. Jo
hann Georg Dreyhoss hingezogen. Schon we
nige Jahre nach seinem Anschluß an die Ge
meinde wurde er zum Vorsteher gewählt und
hat in dieser Eigenschaft dem reformierten
Konsistorium von 1884 bis zu seinem Tode
über 43 Jahre angehört. Von 1894 bis 1900
führte er den Vorsitz in der Diakonie der Ge
meinde, seit 1900 bekleidete er das Amt des
Schriftführers im Konsistorium. Zur Feier des
200jährigen Bestehens der Gemeinde veröffent
lichte er 1900 nach sorgfältigen Quellenstudien
seine „Beiträge zur Geschichte der evangelisch-
resormierten Gemeinde zu Leipzig, 1700 bis
1900", die weit über den Kreis der Gemeinde
hinaus freundliche Ausnahme fanden. Für die
hinaebunqsvolle Arbeit, die er so lange Jahre,
insbesondere während der Kriegszeit, der Ge
meinde leistete, wurde er 1918 mit dem Säch-
sil^en Kriegsverdienstkreur ausgezeichnet.
Wie Weinmeister zur Numismatik gekom
men ist, schildert er anschaulich in seiner unter
dem Decknamen Franz Meister 1895 erschie
nenen „Münzkunde für Anfänger", die na
mentlich m den Kreisen jugendlicher Sammler
viel Anklang gesunden hat. Seit 1886.sam
melte er hessische Münzen und galt bald als
einer der besten Kenner der Münzen seiner
Heimat. Die numismatische Forschung war für
ihn das feste Band, das ihn besonders eng an
die alte Heimat fesselte, und die Beschäftigung
mit seinen Münzenschätzen gewährte ihm zu
dem die rechte Erholung, deren er am Abend nach
des Tages Arbeit bedurfte. In einer Reihe von
Fachzeitschriften legte er die Ergebnisse seiner
hessischen Münzsorderungen nieder, einen
großen Teil davon im „Hessenland", dessen
treuer Leser er von Ansang an war und in dem
man seit 1889 regelmäßig Beiträge von ihm
findet. Der 10. Jahrgang (S. 193) enthält ein
Gedicht von ihm: „An mein Heimatland", in
dem seine innige Liebe zur hessischen Heimat
beredten Ausdruck findet. Die hessische Numis
matik führte ihn später zur schaumburgischen
Münzkunde, und er veröffentlichte nach ein
gehenden Studien 1907 seine „Schaumburg-
Lippische Münzgeschichte" und 1908 seine
„Münzgeschichte der Grafschaft Holstein-
Schaumburg". Durch diese Arbeiten wurde
die Aufmerksamkeit des fürstlichen Hofes in
Bückeburg aus ihn gelenkt, und man berief ihn
einige Jahre daraus zur Ordnung der großen
Münzsammlung des Fürsten, einer Arbeit, der
er sich im Sommer und Herbst 1913 mit der
ihm eigenen Gewissenhaftigkeit unterzog, als
er als Gast des Fürsten mehrere Wochen im
Bückeburger Schlosse weilte. Für seine Ver
dienste um die schaumburg-lippische Münzkunde
und um die fürstliche Münzsammlung wurde
ihm vom Fürsten, dessen Berater bei Ankäufen
sür die Sammlung er bis zum Kriegsende
blieb, 1908 der Verdienstorden sür Kunst und
Wissenschaft und 1915 das Ehrenkreuz des
Hausordens verliehen. Seit 1895 führte er
ferner die Geschäfte des Numismatischen Ver
eins in Leipzig und wurde bald die Seele die
ses Vereins. Zudem stand er mit einer großen
Reihe von Münzsammlern und Münzsorschern
in freundschaftlichem Briefwechsel, von denen
hier nur der verstorbene Oberrealschuldirektor
Dr. Ackermann in Kassel, Universitätsprosessor
Dr. Buchenau in München und E. Lejeune in
Frankfurt a. M. genannt seien.