Full text: Hessenland (40.1928)

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liegt die Vorburg mit je einem Wirtschafts 
gebäude im Nordosten und Südwesten. Ganz 
so schafft auch die Phantasie dem Wanderer in 
der Burgruine heut das Bild der alten Feste. 
Hier gestaltete Dillich das Objekt mit Liebe 
und Sorgfalt ganz genau. Wahrscheinlich 
fand er 1611 in diesem Schlosse eine ange 
nehme Gaststätte. 
Ganz anders liegen die Dinge bei der 
BurgNeuenstein. Da hat Dillich schon 
den in natura doch so wuchtigen und weithin 
sichtbaren Bergfried so ungenau gezeichnet, 
daß man nicht klar erkennt, ob der Bau rund 
(wie er isU oder viereckig sein soll. Das Haupt 
schloßgebäude steht auch — merkwürdigerweise 
west-östlich gerichtet — völlig anders, als das 
heut noch vorhandene, freilich erst 1639 er 
baute Schloß, das mit seinem jetzt verschwun 
denen, 1649 errichteten Parallelflügel von 
Südwesten nach Nordosten gerichtet wurde und 
sich dicht am Turm zeigt. Allein von diesen 
Tatsachen abgesehen, ist der Typ von (Ober-) 
Neuenstein von Dillich genau so dargestellt, 
wie man ibn heut noch erkennt. Nur die 
Scheune im Südosten ist jetzt im Burghof ver 
schwunden. Leidlich gut wurde auch der Typ 
vom Adelssitz (der heutigen Domäne!) N i e - 
der-Neuenstein getroffen. Doch hat 
dies Gut heut nicht mebr die drei einzeln 
stehenden Häuser. Nebenbei, auch fürs Amt 
Neuenstein zeichnete Dillich wieder den Gal 
gen ein und zwar westlich vom Rabenshäuser 
Hopfenberg auf dem „langen Kies", südlich 
vom „Langen Grunde". 
Es versteht sich von selbst, daß unsere 
schlichte, für den gewöhnlichen Druck bestimmte 
Klischeezeichnung keine völlige Vorstellung von 
der künstlerischen Leistung Dillichs 
geben kann. Wer die genießen will, muß zu 
Stengels Landtafeln greifen. 
Aöam Karrillon. 
Zu seinem 75. Geburtstag. 
Wenn gemeiniglich behauptet wird, daß der 
Schriftsteller um die 40er Lebensjahre herum 
den Höhepunkt seines literarischen Schaffens er 
reicht habe, so erbringt der Odenwälder Adam 
Karrillon den schlagenden Be 
weis des Gegenteils, der uns 
als 47jähriger seinen ersten 
Roman schenkte und dessen 
Schaffen auch im siebenten 
Jahrzehnt seines Lebens noch 
nichts an ursprünglicher 
Frische eingebüßt hat. Dafür 
konnte er aber auch aus der 
Fülle eines reichen Erlebens 
schöpfen, das ihn aus be 
schränkter Enge um den Erd 
kreis herum führte. 
Wie köstlich hat er uns die 
ses sein Leben in den „Erleb 
nissen eines Erdenbummlers" 
geschildert! Als er sich in dem 
damals noch schwer ersteig 
baren hessischen Waldmichel 
bach am 12. Mai 1853, also 
an den Tagen der Eisheiligen, 
zu diesen bodenständigen 
Odenwäldern versetzt fühlte, war es kein Wun 
der, daß es ihn etwas fror, und der Geruch 
einer eben ausgeblasenen Rüböllampe, der ihm 
unangenehm in die Nase stach, machte ihm den 
Adam 
Fod-erzeichnunT 
Eintritt ins Leben nicht behaglicher. Im El 
ternhaus des großherzoglichen Schulmeisters 
fehlte es an manchem, nur an Kindern nicht. 
Für sein weiteres Fortkommen auf der Rutsch 
bahn des Lebens sorgten 
neben der Mutter noch zwei 
Kühe im Stall neben der 
Schulstube, von wo sie ge 
legentlich in den Unterricht 
mit hineinredeten. Das Main 
zer Gymnasium, die Universi 
täten Gießen und Würzburg 
sind weitere Etappen seines 
Lebens. Nach einem ziemlich 
vegetabilen Hinleben als Ar 
menarzt unter den linksrhei 
nischen Eicher Bauern baut er 
in Freiburg seinen Doktor, 
dient gleichzeitig sein einjäh 
riges Jahr ab und ist Pauk- 
arzt bei den Alemannen, ist 
dann mehrere Jahre, immer 
mit der großen Sehnsucht nach 
dem großen Horizont des Le 
bens, Bauerndoktor hinter 
dem Donnersberg, heiratet 
1880, wird Arzt in Weinheim, zahlt dort bald 
mehr Vereinsbeiträge als Hausmiete, und da 
er ausgiebig im Skat zu verlieren pflegt, wird 
er in diesem Kreise mehr geschätzt, als im 
Karrillon 
von K. Bauer.
	        

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