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liegt die Vorburg mit je einem Wirtschafts
gebäude im Nordosten und Südwesten. Ganz
so schafft auch die Phantasie dem Wanderer in
der Burgruine heut das Bild der alten Feste.
Hier gestaltete Dillich das Objekt mit Liebe
und Sorgfalt ganz genau. Wahrscheinlich
fand er 1611 in diesem Schlosse eine ange
nehme Gaststätte.
Ganz anders liegen die Dinge bei der
BurgNeuenstein. Da hat Dillich schon
den in natura doch so wuchtigen und weithin
sichtbaren Bergfried so ungenau gezeichnet,
daß man nicht klar erkennt, ob der Bau rund
(wie er isU oder viereckig sein soll. Das Haupt
schloßgebäude steht auch — merkwürdigerweise
west-östlich gerichtet — völlig anders, als das
heut noch vorhandene, freilich erst 1639 er
baute Schloß, das mit seinem jetzt verschwun
denen, 1649 errichteten Parallelflügel von
Südwesten nach Nordosten gerichtet wurde und
sich dicht am Turm zeigt. Allein von diesen
Tatsachen abgesehen, ist der Typ von (Ober-)
Neuenstein von Dillich genau so dargestellt,
wie man ibn heut noch erkennt. Nur die
Scheune im Südosten ist jetzt im Burghof ver
schwunden. Leidlich gut wurde auch der Typ
vom Adelssitz (der heutigen Domäne!) N i e -
der-Neuenstein getroffen. Doch hat
dies Gut heut nicht mebr die drei einzeln
stehenden Häuser. Nebenbei, auch fürs Amt
Neuenstein zeichnete Dillich wieder den Gal
gen ein und zwar westlich vom Rabenshäuser
Hopfenberg auf dem „langen Kies", südlich
vom „Langen Grunde".
Es versteht sich von selbst, daß unsere
schlichte, für den gewöhnlichen Druck bestimmte
Klischeezeichnung keine völlige Vorstellung von
der künstlerischen Leistung Dillichs
geben kann. Wer die genießen will, muß zu
Stengels Landtafeln greifen.
Aöam Karrillon.
Zu seinem 75. Geburtstag.
Wenn gemeiniglich behauptet wird, daß der
Schriftsteller um die 40er Lebensjahre herum
den Höhepunkt seines literarischen Schaffens er
reicht habe, so erbringt der Odenwälder Adam
Karrillon den schlagenden Be
weis des Gegenteils, der uns
als 47jähriger seinen ersten
Roman schenkte und dessen
Schaffen auch im siebenten
Jahrzehnt seines Lebens noch
nichts an ursprünglicher
Frische eingebüßt hat. Dafür
konnte er aber auch aus der
Fülle eines reichen Erlebens
schöpfen, das ihn aus be
schränkter Enge um den Erd
kreis herum führte.
Wie köstlich hat er uns die
ses sein Leben in den „Erleb
nissen eines Erdenbummlers"
geschildert! Als er sich in dem
damals noch schwer ersteig
baren hessischen Waldmichel
bach am 12. Mai 1853, also
an den Tagen der Eisheiligen,
zu diesen bodenständigen
Odenwäldern versetzt fühlte, war es kein Wun
der, daß es ihn etwas fror, und der Geruch
einer eben ausgeblasenen Rüböllampe, der ihm
unangenehm in die Nase stach, machte ihm den
Adam
Fod-erzeichnunT
Eintritt ins Leben nicht behaglicher. Im El
ternhaus des großherzoglichen Schulmeisters
fehlte es an manchem, nur an Kindern nicht.
Für sein weiteres Fortkommen auf der Rutsch
bahn des Lebens sorgten
neben der Mutter noch zwei
Kühe im Stall neben der
Schulstube, von wo sie ge
legentlich in den Unterricht
mit hineinredeten. Das Main
zer Gymnasium, die Universi
täten Gießen und Würzburg
sind weitere Etappen seines
Lebens. Nach einem ziemlich
vegetabilen Hinleben als Ar
menarzt unter den linksrhei
nischen Eicher Bauern baut er
in Freiburg seinen Doktor,
dient gleichzeitig sein einjäh
riges Jahr ab und ist Pauk-
arzt bei den Alemannen, ist
dann mehrere Jahre, immer
mit der großen Sehnsucht nach
dem großen Horizont des Le
bens, Bauerndoktor hinter
dem Donnersberg, heiratet
1880, wird Arzt in Weinheim, zahlt dort bald
mehr Vereinsbeiträge als Hausmiete, und da
er ausgiebig im Skat zu verlieren pflegt, wird
er in diesem Kreise mehr geschätzt, als im
Karrillon
von K. Bauer.