Full text: Hessenland (40.1928)

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Vasen itri'b icinc Prunkurne für ein« Garten fontä ne 
stechen besonders hervor, wie sie von deutscher Volks 
kunst wohl selten gleich schön geschussen worden sind. 
(Ls handlett sich hier um köstliche Erzeugnisse einer 
bödenständigen Volkskunst, freihändig auf der Töpfer 
scheibe gedreht, durch Mahlhorn oder Gießbüchse mit 
plastischen Verzierungen lohne Vortage frei belegt und 
mit originalen, selb-sterfundenen Mineralfarben Ver 
sehen!, gebrannt im Kiefernscheitfeuer unter rund 900 
Grad Hitze. Jedes Stück -wird zum Original, zum 
Kunstwerk, unmittelbar entsprungen d-er Hand des 
Meisters. Wunderbar typische Beispiele althessischer 
Vereinsnachrichten. 
Hessischer Ges chi ch t s v e r e i n. Im Kas 
seler Verein sprach am 20. Februar Studienvat Dr. 
W e i dl e m a n n über „D i e Wiedertäufer i n 
Hiessen". Der Dortvagende, der zu Eingang be 
tonte, daß nicht die gebildeten, sondern Me kleinen 
Leute Träger >dieser Bewegung gewesen seien, gab zu 
nächst lelinen Ueberblick über die Ereignisse und Ge 
stalten und untersuchte dann die Einwirkungen der 
Wiedertäuserideen laus die Staatsraison des werden 
den modernen Staates. Seit 1528 etwa machte sich 
das Täufevtum in Hessen bemerkbar, Führer dler Be 
wegung waren dler ehemalige Hersselder Kaplan Mel 
chior Rink und später ifrer Kürschner Alexander in 
Thüringen und Georg Schnabel in Oberh-essen. Land 
graf Philipp hatte für »den Bekennermut Rinks, der 
noch 1540 in schwerer Haft saß, hohe 'Sympathie, und 
war nicht 'dazu zu bewegen, mit 'dem 'Schwerte gegen 
ihn -einzuschreiten. Nachdem die erste Gefahr 1534 
für Hessen abgewendet ist, kommt eine zweite Welle 
des Täufertums. Diesmal -ist d-ie Marburger Gegend 
Hauptsitz der Bewegung. Die Führer, Bastian, 
Schnäbel und Falber, werden gefangen genommen. 
Martin Buzer, dem Reformator Straßburgs, gelingt 
es, die 'Täufer vom Aufruhr zurückzuholen. Als 
Ergebnis d-er Verh-and-lungen zwingt das- Täufertum 
dem Staat die Zulassung des Kirchenbanns auf (Zie 
ge nha ine r Zuchtordnung 1539) und öffnet damit zu 
gleich dem Staat d-en We-g, aus -einem in-toleranten ein 
toleranter zu w-erd-en. Aus diesem Keim erwächst zur 
Aufklävu-ngszeit ein Staatsgefühl, d-as an Stelle der 
Ehristlichkeit die rei-ne Sittlichkeit setzt und so zum 
toleranten und nationalen Staat der Gegenwart führt. 
Redner, der im einzelnen noch auf 'd-ie Fülle der 
Schattierungen in d-en Anschauungen d-er Wiedertäufer 
und -auf d-as Staatsgefährliche ihres Wirkens -ein- 
ging, fand den starken Beifall der zahlreilch-en Zu 
hörerschaft. — Der Vorsitzende. Bibliotheksidirektor 
Dr. Hopf, tei'lte noch mit, daß der Verein demnächst 
einen Ausflug- nach Fulda beabsichti'ge, um 'dort unter 
sachverständiger Führung die historischen Stätten zu 
besichtigen. (Bericht: K>asseler Post vom 22. 2.). — 
Am Unterhältun-gsabend- am 5. März sprach zunächst 
Studienvat Dr. W e i d- e m a n n über die Geschichte 
der 'Sababurg, d-ie vor jetzt 600 Jahren nach dem Er 
löschen des Grafengeschlechtes d-er er vo n Schö nebevg 
in den alleinigen Besitz d-er Landgrafen von Hessen 
überging. Sodann legte er -ein Herrn Erstmann ge 
höriges Buch über „Stammtafeln mehrerer Gauner- 
familien in der Provinz Niederhessen" aus 1828 vor. 
Privatmann Wentzell, der eine Reihe älterer hessischer 
Drucksachen vorzeigte, sprach über frühere Steu-erver- 
hältnisse i-n Hessen, besonders im 16. Jahrhundert und 
gab allerlei Ergänzungen zur Geschichte des hessischen 
Verbrechertums. Volkswirt Bruno Jacob brachte 
Volks- und Bauernkunst werden durch diese Erzeug 
nisse lebendig erhalten. Gern gebraucht wird auf 
Krügen, Vasen und Urnen 'das Tier-ornament, >fei es 
d-er hessische Löwe, der Hirsch oder ein anderes 
Geschöpf. 
Lin gelb ach. Auf -Schloß Herzberg wird, wie 
die Hersselder Zeitung berichtet, für die Freihervl. von 
Dörnbergschen Familienglieder -ein Friedhof ange 
legt. Man ist damit beschäftigt, zu der Umfassungs 
mauer die 'erforderlichen Steine den Resten- der alten 
Befestigungs- beziehungsweise Burgmauern zu ent 
nehmen. (Stimmt das?) 
neues Material zur Theatergeschichte unter Landgraf 
Karl und- glaubt u. a. in dem Führer der damals 
in Kassel auftretenden Schauspielertruppe Spiegel- 
ber" das Vorbild des gleichnamigen Räubers b-ei 
Schiller gefunden zu haben. Auch dieser Redner be 
richtete Interessantes zur hessischen Krimin-alg-eschichte, 
vor allem über d-ie Henkerssamilie Rathmann. Zoll- 
direktor Wo ringer, der den Abend leitete, sprach 
über die unerfreulichen Vorgänge, die sich im An 
schluß an Sylvester Jordans Leichenbegängnis 1861 
in Kassel abspielten, d-i-e seinerzeit auch außerh-alb 
Hessens großes Aufsehen erregten, und wies zum 
Schluß auf die von Fr. Sommer 'geschriebene Bio 
graphie W. L. von Eschweges hin-, der sich namentlich 
-durch seine Einrichtung des Bergbaues in Brasilien 
einen Namen -gemacht hat. (Bericht: Kasseler Post 
vom 7. 3.) 
Im M a rb u r ge r Verein sprach am 10. Februar 
Stadtarchivdirektor Prof. Dr. K ü ch über die B a u - 
g- e s ch i ch t e d e s M -a r b u r g e r Schlosses, 
worüber wir a-n anderer Stelle dieses Heftes berichten. 
— Am 24. Februar sprach Bibliotheksrat Dr. S t r u ck- 
K'äfsel über „Das Volksl i -e d i n u n s e r e r 
Zeit mit besonderer Berücksichtigung 
der hessischen U eb er liefe r ungen." Zu 
nächst behandelte er in einem geschichtlichen Rückblick 
die hessischen Sammler und Forscher Anselm Elwert, 
Vilmar, Mittler und Böck-el, der wiederum zur Gegen- 
wart überleitet, die durch 'die -von Pommer und- John 
Meier vertretenen -Gegensätze gekennzeichnet ist. 'So 
dann betrachtete Redner die einzelnen Gattungen ent- 
Micklung-S'geschichtlich und- in Beziehung zu anderen 
Gattungen und d-er jeweil-igen Kulturhöhe, um dann 
d-er Frage der Volkslieder Neuerung, die eng mit d-er 
musikalischen Jugend-bewegung' in Deutschland ver 
knüpft ist, eine -ausführliche Behandlung zu widmen, 
wie -denn d-er ' Zupfge-igenhans'l" der Wegbereiter 
des Volksliedes" geworden ist. In der jetzt aufge 
nommenen 'Sammeltätigkeit — für Kurhessen ist die 
Sammlungszentrale d-i« Kasseler Land-esbibliothek — 
sieht Redner ein hoffnungsvolles >Streben. (Bericht: 
Oberheff. Zeitung vom 29. 2.) 
Der He r s feId -e r G-eschi-chtsvere-in hatte zu sei 
nem ersten Vortragsabend' dieses Winters sein Ehren 
mitglied Prof. Dr. V o n d e r-a u - Fulda -gewonnen, 
der an Hand von Abbildungen und Kartenskizzen über 
die Ausgrabu n g e n der letzten zwei Jahve auf 
d e m B ü r a b e r g bei Fritzlar berichtete. Schon vor 
Bonifati-us bestand hier eine von -ir-o-schottisch-en Mön 
chen- angelegte Kirche, an die sich im Osten -eine Tauf- 
anl-age mit -Taufbrunnen anschloß. Innerhalb der 
Friedho-fs-mauer um die Kirche konnte ein- heidnischer 
Friedhof ermittelt werden, so-g. fränkische Reihen»-
	        

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