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einzige Kasseler Zeitung, die ein offenes Wort zn
reden wagte, nahm sich der Sache an. Aber alles
war vergebens. Nun fragte man sich natürlich,
was denn der Grund für alle die getroffenen Maß
nahmen sei. Da sickerte denn allmählich durch, der
Kurfürst habe seiner Gattin, der Fürstin Gertrude
von Hanau, die Nutznießung der an der Spitze
zwischen Fulda und kleiner Fulda gelegenen Wiese
überlassen: in ihre Tasche flössen auch die 30 Taler
aus der Pacht. Nun werde vielfach von den den
Fußweg von dem Brückchen zur Fähre, der durch
die Wiese lief, benutzenden Leuten durch Abbiegen
voui Wege die Grasnutzung und damit die Einnahme
der Fürstin geschädigt. Deshalb habe die. Fürstin
aus Beseitigung des Brückchens gedrungen, da ein
Benutzen des Weges dann nicht mehr vorkam. Das
wurde damals allgemein geglaubt. Ob es wirklich
so gewesen ist, vermag ich mit Bestimmtheit nicht
zu sagen. Von einem durchaus glaubwürdigen, in
Hofkreisen verkehrenden Herrn ist es mir aber vor
Jahren als zutreffend bestätigt worden.
Nun lief mit dem 31. Dezember 1858 wieder
eine Pachtperiode ab. Auf Befragen erklärte Hart
degen am 2. Juli 1858, er werde die Fähre nur
dann wieder übernehmen, wenn man ihn gegen die
fortwährenden Eingriffe in seine Führrechte schütze;
auch könne er nicht mehr als 10 Taler Pacht zahlen.
Übrigens wolle er darauf aufmerksam machen, daß
der schmale Gartenweg, an dem Hartdegen wohnte
und der von den nach Waldail, Crumbach usw.
passierenden Fährgüsten sehr stark benutzt werde,
über ein ihm eigentümliches Grundstück lause. Diesen
Weg werde er sofort sperren, falls er die Fähre
abgeben müsse. Zur Vorlage dieser Erklärung
braucht der Landbaumeister Sallmann wieder über
6 Wochen! Unterdessen hatte sich Hartdegen am
29. Juli bereit erklärt, 20 Taler Pacht zu zahlen,
wenn er in seinen Rechten erfolgreich geschützt werde.
Die ausgesprochene Drohung, das „Gartengaß-
chen" zn schließen, machte Eindruck. Nachdein Sall
mann festgestellt hatte, daß Hartdegen rechtlich und
tatsächlich in der Lage sei, seine Drohung ausführen
zu können, beantragte die Oberzolldirektion beim
Finanzministerium, da ein öffentliches Ausgebot
der Fähre bei deren geringem Betriebe keinen Er
folg verspreche, Hartdegen ein Angebot von 25 Tlr.
Pacht zu machen. Ein völliges Verbieten des Über-
setzens durch andere Personen sei nicht möglich,
weil dadurch die anderen Badehalter geschäoigt wür
den. Aus die Drohung Hartdcgens wurde besonders
aufmerksam gemacht. Trotzdem ivagte es das Finanz
ministerium, die Fähre zur Verpachtung öffentlich
ausbieten zn lassen, natürlich aber erfolglos. Nun
bot man Hartdegen die Fähre „vorläufig" gegen
Zahlung einer Pacht von 1 Taler monatlich an.
Hartdegen bestand aber nun darauf, nicht mehr
als 10 Taler jährlich zu zahlen. So kam der
1. Januar 1859 heran und die Fähre wurde pachtlos.
Die Oberzolldirektion geriet in Verlegenheit. Auf
eine Anfrage, was geschehen solle, erhielt sie endlich
am 1. Februar die Mitteilung, der Kurfürst habe
bestimmt, daß die Fähre nicht wieder verpachtet
werden solle. Dem Vertrage mit Hartdegen ent
sprechend, sollte dieser nun die Fährgerätschasten,
bestehend in einen: „dem Verfalle ziemlich nahe
stehenden alten Schiff und einer nicht mehr im
besten Zustand befindlichen Leine", in gutem Zu
stand, für den er zu sorgen habe, zurückgeben oder
46 Taler zahlen. Hartdegen, dazu nicht imstande,
richtete nun Ende Februar 1859 ein Gesuch um
Weiterverpachtung der Fähre für 30 Taler unmittel
bar an den Kurfürsten, verstand sich sogar dazu,
40 Taler Pacht zu zahlen. Am 12. August 1859,
also nach mehr als 5 Monaten, erging darauf der
Bescheid des Finanzministeriums, daß der Kurfürst
nach wie vor die Genehmigung zur Verpachtung
der Fähre verweigere. Mittlerweile war nach langem
Hin- und Herschreiben einer Badehalterin Witwe
Koch die Einrichtung einer Fähre voin Renthvss-
tore nach ihrem Grundeigentum am rechten Ufer
gestattet worden. Um nun seinen Badebetrieb nicht
ganz zu verlieren, bat jetzt Hartdegen am 12. März
1860, während der Badezeit des Jahres 1860 eine
Fähre vom Aupförtnerhäuschen nach dem Dielen
haus anlegen zu dürfen; er wollte für die 5 Monate
' Mai bis September im ganzen 8 Taler Pacht
zahlen. Einer Anregung des Finanzministeriums,
diese Fähre auch für den Verkehr im allgemeinen
zu betreiben, lehnte er wegen voraussichtlich zu ge
ringer Benutzung ab. Als man ihm anbot, die
Fähre der Witwe Koch, die übrigens dazu auch
nicht bereit war, für seine Badegäste mit zn benutzen,
ging er daraus, weil unpraktisch, nicht ein, wav
aber nun bereit, am Dielenhaus einen allgemeinen
Betrieb einzurichten. Nun erhielt er die Genehmi
gung, die aber ausfallenderweise doch nur für Bade
gäste erteilt war; Pachtbetrag für die 5 Monate
8 Taler.
Hartdegen war nun bereits so verarmt, daß er
seinen Grundbesitz verkaufen mußte; damit mußte
er auch seine Badeanstalt verlegen. Er wollte sie
am User neben dem Dielenhause verankern und bat
am 12. Februar 1.861 um gleiche Fährgenehmigung,
wie im Vorjahre. Da kam ihm der Kurfürst wieder
in den Weg und verfügte, daß wegen der im Tielen-
hanse lagernden Militäreffekten „bei diesem Hanse
eine Fähre nicht anders als zn militärischen Zwecken
gestattet werden könne". Dagegen wurde Hart
degen, der nun seine Badeanstalt an das rechte Ufer
gegenüber dem Renthofe verlegte, ein Fährbetrieb
vorn Renthofstore dorthin für die Badesaison und
gegen 8 Taler Pacht gestattet. Spier traf nun Hart
degen ein neuer Schlag. Nachdem seine Einnahme
infolge des kalten und nassen Wetters im Sommer
1862 sehr gering gewesen war, riß das Hochwasser
der Fulda am 31. Juli dess. Jahres fast die ganze
Badeanstalt mit. Nachdem Landbanmeister Sall-
inann berichtet hatte, daß Hartdegen, der jetzt 68
Jahre alt war, in sehr drückenden Verhältnissen
lebe, seit längerer Zeit krank sei und von mehreren
Kasseler Bürgern ein Aufruf zu seiner Unter
stützung durch milde Gaben in den Zeitungen ver-