Geblieben ist nur die ähnlich dein Degen von
Sagen umwobene Wachsbüste des Königs in ihren
seidenen Gewandstücken, das angebliche Geschenk
Heinrichs an Landgraf Moritz von 1609.
Merkwürdigerweise ist kaum ein Stück der Samm
lung schwerer zu „belegen" als dies. Zwar ersieht
man aus der Art, wie Ruhl 1840 seine Eintra
gungen über Wachsarbeiten im Armaturinventar
vornimmt, daß die Büste bereits in dem ersten
Wachsinventar von 1786 gestanden hat, aber dort
steht kein Wort über ihre Herkunft und weiter ist sie
durch Akten nicht zurückzuverfolgen. 1781 erwähnt
sie von Günderode in seinen Briefen über Kassel
(S. 119), ohne mehr von ihr zu sagen, als daß sie ihm
den in Paris gesehenen Bildnissen nach zu urteilen,
sehr ähnlich scheine; Schminke, der sich 1767 auf
S. 153 seiner Beschreibung bei Anführung des De
gens bemüht, Beweise dafür vorzulegen „wie unge
mein werth dieser König den Landgrafen gehalten",
erwähnt die Büste überhaupt nicht. Und wenn ich hin
zufüge, daß weder Krieger (1805, S. 206) noch Rom
mel (1839, VII 266) bei Anführung des Wachses eine
Bemerkung über ihre geschenkweise Überlassung an
Moritz machen, daß selbst der findige Lenz in seinem
Inventar der 80er Jahre für die von ihm wohl
aus Ruhl übernommene Legende auch nicht den
geringsten Beleg anzuführen weiß, so darf man
sagen, daß diese dem ältesten Wachsinventar noch
fremde Mythe von sehr schwacher Substanz ist.
Es wird sich gleich zeigen, ans welchem Grunde
kein Beweis für die Behauptung erbracht werden
konnte; — sie war falsch!
Zuvor aber muß noch eine irreführende Jnven-
tarnotiz von 1747 (Mus-Akt. 76) erörtert werden,
wo es unter „Wachs" heißt: Nr. 62 Henrich IV.
in einer schwarzen Eapsul, 63 Cath. de Medicis
dessen Gemahlin ebenfalls". Leider hilft die zweite
Eintragung nicht zur Bestimmung der ersten, denn
das Museum besitzt weder ein Porträt von Hein
richs Gemahlin Maria von Medici, noch von seiner
Schwester der Herzogin Katharina von Lothringen,
noch von seiner Schwiegermutter Katharina von
Medici, so beachtlich es auch sein mag, festzuhalten,
daß von dieser 1589 eine Totenefsigie in Wachs
angefertigt wurde (Jul. v. Schlosser, Geschichte der
Portrütbildnerei in Wachs in Jahrb. d. Kunst
sammlungen des A. H. K. Wien XXIX 1910,
S. 194). Außerdem aber handelt es sich, wo sonst
dies Inventar von 1747 die „schwartze Capsul"
erwähnt, nachweislich um kleine Reliefmedaillons,
lote man an dem Rundmedaillon des Ldgsn. Wil-
helm Pacisicus, dessen oben gedacht wurde, nach
prüfen kann. Es ist heute noch wie 1747 „ohne
glaß".
Danach ist von einer Identifikation der lebens
großen Heinrichsbüste mit dem Henrich IV. von
1747 abzusehen, und es bleibt nichts, seinen alten
Aufenthalt in Kassel wahrscheinlich zu machen, als
die um das alte Kunstwerk sich rankende Tradition
und — ihr Holzgehäuse, das in der gleichen Art
mir derselben grünen Seide ausgeschlagen ist, wie
das in der Form abweichende Gehäuse um die
Miniaturfiguren von Ldgf. Moritz und dessen Ge
mahlin Juliane, und wie das damit formgleiche um
den Kopf des greisen Steininspektors Korsinski, der
nach 1715 in Kassel starb (s. Hoffmeister-Prior,
Nachrichten von Handwerkern usw.); aber selbst
diese Gehäuse gehen mit ihren Beschlägen, Schar
nieren und Formen nicht weit ins XVIII. Jahr
hundert zurück, und über die Epoche Landgraf
Karls sehe ich keine Möglichkeit, zurückzukommen?
Mag der Legende aber auch eine richtige Ahnung
von alten Beziehungen zwischen dem Dargestelten
und dem hessischen Landesfürsten zugrundeliegen, —
in der Form wie sie sich gibt, ist sie sinnlos. Die
Büste, die in Kassel steht, hat König Heinrich nicht
schenken können, weil sie — über seiner Leiche ab
geformt worden ist! Sie ist ein Totenbild, wie das
durch Bapsts, Paul Vitrys und Schlossers Unter
suchungen feststeht.
Im Jahre 1891 hatte Bapst in der „Gazette des
beaux arts“ zum ersten Mal das eigenartige Toten-
zermoniell der französischen Könige geschildert. Ge
rade über Heinrichs Exequien sind wir gut unter
richtet. Sofort nach seiner Ermordung wurden
zwei der angesehensten Künstler, der uns schon be
kannte G. Dupre und Jaquet dit Grenoble, berufen,
die Figur des Königs abzuformen und seine Wachs-
efsigie, das heißt sein Abbild in Wachs, zum Wett
bewerb einzureichen. Beide kamen der Aufforde
rung nach, ein dritter Meister, Bourdin ans Orleans,
beteiligte sich unaufgefordert. Grenobles Büste er
hielt den Preis, aber die des Bourdin war, wie
Malherbe an Peiresc schrieb, auch nicht schlecht.
5 Kassel besitzt an Plastiken in Wachs außer einer
Reihe von Köpfen in natürl. Größe (dabei auch der Ldgf.
Moritz) nur noch 1. Henri IV., 2. Moritz und Juliane,
s. oben, 3. eine nach Marburg ausgeliehene Kostüm-
statuette von Moritz, 4. Ldgf. Karl von der Braunin
modelliert, 50 cm hoch, im Jnvtr. 1747 mit der Be
deutung: ganze Figur, als „geharnischt in Lebensgröße"
angeführt, 5. den Leibzwerg Nicolaus Ferry des Kgs.
Stanislaus von Polen, in gelbem Atlassrack, vermutlich
in natürlicher Größe, 6. eine Diana mit zwei Hunden
und — die Stöcke Philipps des Gr. von schwarzem Holz
und Wilhelms IV. mit dreieckiger Klinge, die, wie
Völkel im Armaturinventar S. 12 nachtrug „sonst bei
den Wachsbildern dieser Herren standen", ehe diese un
ersetzliche Reihe von 19 lebensgroßen Kostüm-Portrüt-
siguren 1825 kassiert wurde. — Zu der oben er
wähnten Hochreliefbüste Wilhelms VI. von 1644 ge
hört als Pendant feine Mutter Amelia Elisabeth; beide
in 3/4-Profil, fast rundplastisch, Halbstücke, auf ovalem
Feld in rechteckigem Gehäuse. Die Stücke rechnen unter
die besten der ganzen Wachssammlung. Sie stammen
offenbar von demselben Meister, der das DVH B 1648 sig
nierte Wachsporträt en miniature von Kg. Christian IV.
von Dänemark in Schloß Rosenborg, Kopenhagen, ge
schaffen hat. Möglicherweise ist unter dieser Signatur-
David Heschler Ulm zu erkennen, der sich auf einer
Handzeichnung in Berlin Bildhauer nennt und dem von
Scherer die im Landesmuseum stehende 0IIB 1635
signierte prächtige Elfenbeingruppe von Herkules und
Antaios zugeschrieben wird.