50
nur kurze Zeit. Dann übernahm der Kriegsrat
Karl Wilhelm Lennep 6 die Fähre in Erbleihe oder
in Zeitpacht. Welches Pachtverhältnis vorgelegen
hat, war bereits 1810 7 nicht mehr festzustellen.
Ta viele Fähren in Hessen, namentlich ans der
Weser, in Erbleihe gegeben waren 8 * , könnte dies
auch hier der Fall gewesen sein; dagegen spricht
aber, daß 1810, nach dem Tode Lenneps, keine
Erbleihe mehr vorlag. Lennep verpachtete die Fähre
weiter an den früheren Pächter Andreas Hartdegen.
Es scheint demnach, als ob Lennep seine dienstliche
Eigenschaft zu einer Schiebung benutzt habe, indem
er sich zwischen die Verpächterin (die Regierung)
und den bisherigen Fährpächter einschob. Außer
dem ihm durch den Zwischengewinn erwachsenden
Nutzen hatte Lennep noch ein weiteres Interesse
daran, die Führe in seine Hand zu bringen. Er
besaß nämlich selbst eine Badeanstalt am rechten
Fuldaufer, die „die schöne Einrichtung hatte, daß
nach Belieben sowohl kalt, als warm darin gebadet
werden" konnte? Lennep ließ auf seine Kosten am
Landeplatz der Fähre auf dem linken Fuldauser,
also in der Voraue, ein kleines Haus bauen 10 11 , das
der Fährpächter bezog.
Im Jahre 1810 ließ sich, wie bereits erwähnt,
der Präsekt des Fulda-Departements, Reimann n ,
über die Verhältnisse der Fähre durch den Maire
v. Canstein eingehenden Bericht erstatten; aus wel
cher Veranlassung dies geschehen ist, ließ sich nicht
feststellen.
Der Weg zur Fähre führte über die kleine Fulda.
Über diese bestanden damals drei Brücken, die stei
nerne Brücke an der Orangerie, die sog. Löwenbrücke,
die vom Schloß in die Voran führte, und eine
nur für Fußgänger bestimmte schmale Holzbrücke
zwischen beiden Brücken, an der Stelle, wo sich jetzt die
zur Drahtbrücke führende steinerne Brücke befindet; zn
6 K. W. Lennep, geb. 26. September 1757, wurde
1775 Assessor, dann Justizrat bei der Regierung in
Kassel, 1788 bei der in Rinteln, im November dess.
Jahres Kriegsrat und Geheimer Kriegs-Secretarius in
Kassel, 15. März 1803 Geheimer Kriegsrat daselbst. Er
heiratete im Dezember 1792 Katharine Florentine Es-
kuche aus Hersfeld und starb 1805 oder 1806.
7 Nach dem oben erwähnten Berichte des Maires
v. Canstein.
8 1888 bestand bei zwei Weserfähren, wenn ich nicht
irre, zn Gieselwerder und Lippoldsberg, noch die Erb-
leihe, nach deren Bestimmungen beim Tode des Bestätters
und des Beständers ein Weinkauf bezahlt werden mußte.
In dem genannten Jahre mußten beim Tode der beiden
Könige von Preußen die Erbleihebeständer zweimal diesen
im Verhältnis zum Pachtbetrag nicht unerheblichen Wein-
kauf bezahlen.
b Krieger, Cassel in historisch-topographischer Hin
sicht, S. 400.
10 Er soll dies ursprünglich für seinen Koch erbaut
haben. Holtmeyer, Baudenkmäler, Kassel-Stadt, S. 777.
11 Reimann war 1806 Rat bei der preußischen To-
mänenkammer in Minden, wurde 1812 Präfekt des Oker
departements, nach Auflösung des Königreichs West
falen preußischer Regierungspräsident in Aachen, dann
Mitglied des Staatsrats.
dieser führte ein Fußweg hinab, der oben von der
Maillebahn, die vom Friedrichstor (Auetor) 12 zur
Orangerie hinabführte, abzweigte und den Abhang
hinunter unmittelbar zu dieser mittleren Brücke
führte. Für die Benutzung der Fähre kam beson
ders diese mittlere Brücke in Betracht. Der Weg
über die Orangeriebrücke führte zu weit um. Die
Löwenbrücke aber war nur vom Schloß aus zn er
reichen; als das Schloß 1811 abgebrannt war, ver
fiel sie und >var bald unbenutzbar. Die Benutzer
der Fähre, unter denen sich viele Besucher der am
rechten Fuldaufer liegenden Badeanstalten befanden,
überschritten die kleine Fulda deshalb meist auf
der mittleren Fußgängerbrücke. Von dieser führte
ein Fußweg zur Fähre, der ungefähr dem jetzigen
Fahrweg vom Ende der von der Orangerie an der
kleinen Fulda entlang führenden Allee zur Draht-
brücke entsprach.
Der Fährpächter Andreas Hartdegen war um
das Jahr 1820 gestorben. Sein Sohn Heinrich
Hartdegen trat in das Pachtverhältnis ein. Er
wohnte, wie sein Vater, in dem von Lennep er
bauten kleinen Hause an der Fähre 13 , in dem er
auch seiner Mutter Unterkunft gewährte. Er hatte
in seinem Fährbetriebe vielen Verdruß. Die am
rechten Ufer wohnenden Gärtner und sonstigen Per
sonen waren vielfach im Besitz von Kähnen und
benutzten diese, um Freunde und Verwandte un
entgeltlich, aber auch fremde Personen gegen Ent
gelt überzusetzen. Auf Hartdegens Beschwerde erließ
deshalb die Kurfürstliche Polizeikommission am
7. August 1828 eine Bekanntmachung folgenden
Inhalts: „Sämtlichen am rechten Ufer der Fulda
wohnenden Gärtnern und Einwohnern wird bei
Strafe von 10 Kammergulden untersagt, gegen Be
zahlung irgend jemand über die Fulda zu fahren".
Es drohte dem Fährpächter Hartdegen aber noch
eine andere Gefahr, nämlich die, daß man ihm
den Zugang zu seiner Fähre, der durch die Vorau
führte, absperrte. Im Jahre 1834 war der immer
nur aus einige Jahre abgeschlossene Pachtvertrag
zwischen der Regierung und Hartdegen wieder ein
mal abgelaufen. Ehe der neue Vertrag abgeschlossen
wurde, wies das Ministerium des Innern (unter
zeichnet vom Minister Hassenpflug selbst) am
18. Dezember 1834, Nr. 11 389, die Oberbaudirek
tion an, unter einstweiliger Aussetzung der Ver
pachtung anzuzeigen, ob der vom Friedrichstor (Au
tor) nach der Fähre führende Weg früher und
bisher als ein öffentlicher Weg behandelt worden
sei, ob er unter die Luftwege um Kassel gehöre, die
1833 auf den Straßenunterhaltungsfonds übernom
men worden seien und ob dieser Weg außerhalb
der vormaligen Befriedigung der Karlsau gelegen
sei. Ein älterer Plan der Karlsau und deren Be
friedigung gegen den fraglichen Weg sollte beige
fügt werden. Die Oberbaudirektion wußte selbst
nicht Bescheid. Sie forderte deshalb den Straßen-
12 An der Stelle des jetzigen Staatstheaters.
13 Adreßbuch von Kassel, 1828, S. 65.