Full text: Hessenland (39.1927)

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ist hier durchaus nicht so arm, wie mitunter behauptet 
wird, im Gegenteil, sehr artenreich, wie die Aus 
stellung dartat. Eifrig betrachtet wurden die Gruppen 
Arzneipflanzen und Gallenbildungen. Aus den geschütz 
ten Pflanzen seien hervorgehoben: Eibe, Frauenschuh, 
Bärlapp, Sumpfwurz, Türkenbund, Seidelbast usw., 
aus den schutzbcdürstigen: Wetterdistel, Trollblume, 
Akelei, Gelbe Flockenblume, Waldauemone, Gelber Fin 
gerhut, Waldvöglein, Sonnentau u. a. Die Eibe kommt 
übrigens hier in zwei auffallend verschiedenen Formen 
vor, nämlich in der mit magern Nadeln aus dem 
Zechstein und in der mit schönen, ansehnlichen Nadeln 
aus Muschelkalkboden. Einen mehr als tausendjährigen 
Vertreter der letzteren Form vom Badenstein bei Witzen- 
hausen zeigt das Lichtbild. 
Und jetzt zu den Tieren! Die Raubtiere waren 
vertreten außer durch eine echte Wildkatze aus dem 
Sandwalde durch die Familie der Marder, nämlich 
Steinmarder, darunter ein sehr schöner Albino, Iltis, 
Hermelin, Mauswiesel und Dachs. Die beiden Schlaf 
mäuse, Siebenschläfer und Haselmaus, die als Natur 
denkmäler unter gesetzlichem Schutze stehen, und das 
Eichhörnchen (rote, schwarze und Übergangsform) stell 
ten die Nagetiere dar. Ferner sahen wir das Wild 
schwein (Keiler, Frischling), ein Rehkitz und einen Jung 
hasen. Sehr interessant waren die Vögel. Fast voll 
ständig war die Sammlung der Eulen: Uhu, Waldkauz, 
Waldohreule, Steinkauz und Schleiereule, mannigfaltig 
die Raubvögel: Fischadler, Gabelweih, Mäusebussard, 
Habicht, Sperber, Wunder-, Baum- und Turmfalk. 
Großes Interesse erweckten der oft gehörte, jedoch selten 
gesehene Kuckuck, die Spechte (Schwarz-, Grün-, Grau- 
und mittlerer Buntspecht), Tannen- und Eichelhäher, 
Elster- und Nebelkrähe, ferner der Kirschkernbeißer, der 
nordische Seidenschwanz sowie auch ein merkwürdiger, 
schneeweißer Haussperling. Weiter sahen wir Auer 
hahn nebst Henne, ausgezeichnet präpariert, Birkhahn 
und Rebhuhn, von Sumpf- und Wassergeflügel: Schnepfe, 
Bekassine, Regenpfeifer, Wiesenknarrer, Kiebitz, • Grün 
fußteichhuhn, Bläßhuhn, Zwerg- und Haubentaucher oder 
-steißfuß, Lachmöve, Stockente, Grau- oder Wildgans 
und die beiden Nordländer Trauerente und Ringelgans. 
Nicht unerwähnt dürfen bleiben des Kuckucks Küster, 
der Wiedehopf, das Juwel unserer Gewässer, der leider 
arg verfolgte Eisvogel, der ebenso gehaßte Wasser 
schmätzer, der exotisch anmutende Pirol und der unter 
Schutz stehende Raubwürger. Vollzählig war die Samm 
lung sämtlicher hiesigen Drosseln. Die kleinen Sing 
vögel alle namhaft zu machen, würde zu weit führen. 
Den Schluß bildeten eine Käfersammlung und mehrere, 
teilweise sehr hübsche Schmctterlingssammlungen. 
Viele der ausgestellten Dinge sind dem Heimat 
museum in dankenswerter Weise zum Geschenk gemacht 
worden. Weitere Zuwendungen, vor allem kulturge 
schichtlicher Art, vorgeschichtliche Funde, Erzeugnisse 
heimischer Kunst und Industrie, alte Werkzeuge, Haus 
rat und sonstige Altertümer sind herzlich willkommen; 
unter Umständen ist auch käuflicher Erwerb möglich 
(Anschrift: Heimatmuseum Witzenhausen.) Die Samm 
lung ist einstweilen in einem Zimmer des Rathauses 
untergebracht tvorden, denn die Raumfrage ist zur Zeit 
außerordentlich schwer zu lösen. Z. L. 
Zweiter deutscher Naturschuhlag in Kassel. (i.~6. August.) 
Angesichts der bedauerlichen Tatsache, daß in 
den letzten Jahrzehnten die deutsche Fauna und 
Flora dank dem glatten Nützlichkeitsstandpunkt und 
dem mit der Natur getriebenen Raubbau in be 
denklichem Maße int Schwinden begriffen ist, muß 
es dankbar begrüßt werden, daß der Naturschutzge 
danke seit dem Jahre 1906 von staatlicher Seite 
aus eine planmäßige Förderung findet und damit 
nicht nur der wissenschaftlichen Forschung, sondern 
auch der Gesunderhaltung unseres Volkes gedient 
wird. Die vorbildliche Pflege, die die Naturdenk 
malpflege, dank der selbstlosen Arbeit des Kommissars 
für Naturschutz, Professor Dr. Bernhard Scharfer, 
gerade in unsrem Regierungsbezirk findet, war 
wohl mitbestimmend dafür, daß der diesjährige! 
deutsche Naturschutztag nach Kassel einberufen wurde. 
Ter starke Besuch aus allen Teilen Deutschlands 
zeugte von dem Interesse, das sich diesen wichtigen 
Bestrebungen in wachsendem Maße zuwendet. 
Am Begrüßungsabend, an dem besonders auch 
die staatlichen und städtischen Behörden ihre rege 
Anteilnahme zum Ausdruck brachten, berichtete 
Professor Schaefer über die Organisation des 
Natnrdenkmalschutzes in .Hessen, die nunmehr sämt 
liche Kreise des Regierungsbezirkes umfaßt. Der 
erste Verhandlungstag brachte Vorträge von Prof. 
Dr. Freyer-Leipzig über „Wachstum und Werk", 
Ministerialrat Dr. Schnitzler-Berlin über „Probleme 
eines preußischen Naturschutzgesetzes", dem eine tief- 
ethische Bedeutung zukomme. In einer Entschlie 
ßung gab die Versammlung der Erwartung Aus 
druck, daß Regierung und Landtag so schnell als 
möglich die Verabschiedung des Naturschutzgesetzes 
in die Wege leiten. Der Nachmittag galt der Be 
sichtigung der beiden Ausstellungen. Diejenige in 
der Stadthalle zeigte an einer reichen Fülle von 
Beispielen, wie „Naturschutz und Schule" in mög 
lichst enge Verbindung zu bringen sind. Sie enthielt 
auch eine Kasseler Abteilung mit Arbeiten des 
Botanischen Schulgartens, der Lichtbildhauptstelle 
Kassel und des Schulmuseums (Direktor Schulz) 
und die Ausstellung der Bezirksstelle für Natur 
denkmalpflege in Hessen und Waldeck (Prof. Dr. 
S ch a e f e r). Die von Professor L u t h m e r zu 
sammengestellte Ausstellung „Naturschutz und Kunst" 
in der Gemäldegalerie will zeigen, ein wie starkes 
Interesse auch die Kunst an den Bestrebungen 
des Naturschutzes haben muß. Eine große Zahl 
sonst kaum der Öffentlichkeit zugänglicher hessischer 
Landschaften soll das Landschaftsempfinden der ver 
schiedenen Zeiten zeigen. Im Mittelpunkt steht 
die Willingshäuser Gruppe (Bantzer, v. Volkmann, 
Ubbelohde, Baum, Mons, Fennel), eine weitere 
Abteilung vereint die Maler des Reinhardswaldes 
(Schirmer, Peter Paul Müller, Rocholl, Kolitz, 
Olde). Die hessische Basaltlandschaft ist vor allem 
durch Bilder von Bromeis und Stiegel vertreten. 
Die Einstellung der Modernen zur Landschaft wird 
ebenso an Beispielen gezeigt, wie das Landschafts 
empfinden der Vergangenheit. Besondere Hervor-
	        
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