Full text: Hessenland (39.1927)

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Gemeinde sprach, und schließlich in den Stadtsälen 
die Faustrezitation des greisen Ludwig Wüllner. 
Am Abend fanden sich die geladenen Gäste zum 
Festessen ein, während in den Stadtsälen das Kas 
seler Staatsorchester ein erlesenes Symphoniekon 
zert (Bach, Brahms, Bruckner) darbot. Im zweiten 
Festaktus am Sonntag hielt Professor Dr. Otto 
die Festrede über „Sinn und Aufgabe moderner 
Universitäten". Sodann wurden durch den Rektor 
die neu ernannten Ehrensenatoren, durch die De 
kane die Ehrenpromotionen verkündet, die wir an 
anderer Stelle mitteilen. Der Nachmittag brachte 
einen fast beängstigenden Menschenstrom nach Mar 
burg. Er galt vor allem deni historischen Festzug, 
der als Einzug Landgraf Philipps in seine neue 
Universität gedacht war und, zumal in dem Idyll 
der mittelalterlichen Gassen Marburgs, außerordent 
lich eindrucksvoll wirkte. Daß in ihm auch die 
Träger der Marburger, Schwälmer und Hinter 
länder Tracht gut zur Geltung kamen, soll noch 
besonders betont werden. Das sich nun aus dem 
Schloßberg entwickelnde Volksfest brachte vorüber 
gehend zuiu ersten Male ein Versagen der sonst 
geradezu glänzenden Organisation; es gab erheb 
liche Stockungen beim Aufstieg. Dann aber ent 
wickelte sich ein buntbewegtes Leben im Schloßpark 
und in Bückings Garten mit Trachten- und Schwert- 
tänzen, Männerchören, Hans-Sachsspielen, Spinn 
stuben, Puppenspielen bis in die späten Abend 
stunden, die eine feenhafte Beleuchtung des Schlosses 
und der Elisabethkirche brachten. Die letzte offizielle 
Veranstaltung bildete ein Festkommers der Stu 
dentenschaft. Der gemeinsame Abschiedstrunk der 
Universität und Bürgerschaft ain vierten Tag auf 
dem Schloßberg hatte schon mehr privaten Charakter, 
brachte aber noch einmal zum Ausdruck, was in all 
diesen festlichen Tagen sich so wohltuend geltend ge 
macht hatte, die enge Verbundenheit von Bürgertum 
und Universität. Auch sonst wird der Eindruck, den 
dieses Fest einer vierhundertjährigen Hochschule in 
mitten eines deutschen Kleinstadtidylls hinterließ, 
den meisten, die es miterleben durften, ein unaus 
löschlicher bleiben. H. 
Heimatmuseum Witzenhausen 
Der Wunsch nach einem Heimatmuseum, den die 
700-Jahrfeier unserer Stadt auslöste, ist nunmehr seiner 
Verwirklichung um einen guten Schritt näher gerückt. 
Mit der Einrichtung des Museums wurde Mittelschul- 
lehrer Pfalzgras beauftragt. Um das Interesse der Bür 
gerschaft zu prüfen, fand vom 6.—11. April im Sitzungs 
saale des Rathauses eine Ausstellung des Heimatmuseums 
statt. Vorläufig konnten nur naturgeschichtliche Gegen 
stände gezeigt werden. Der Museumsleiter sowie einige 
andere naturwissenschaftlich geschulte Herrn hatten alles, 
was sich in der Stadt und deren Nachbarschaft in 
Privatbesitz befand, mit unendlicher Mühe zusammen 
getragen und übersichtlich und geschmackvoll geordnet, 
aber sie wurden reich belohnt durch die wider alles 
Erwarten hohe Menge der Besucher (ihre Zahl mag 
sich Tausend genähert haben), vor allem aber durch 
die gespannte Aufmerksamkeit, womit diese den belehren 
den Erläuterungen der führenden Herrn folgten. An 
erkennung verdient auch die lobenswerte Bereitwillig 
keit der Bürgerschaft, ihre teilweise einzigartigen Samm 
lungen zur Verfügung zu stellen. Das Ganze wurde 
unter verschiedenen Gesichtspunkten dargeboten: man 
wollte einerseits die ungeheure Mannigfaltigkeit uni) 
den großen Artenreichtum der Pflanzen- und Tierwelt 
unseres herrlichen Werragaues zeigen, andererseits auch 
hauptsächlich die Besonderheiten und Seltenheiten, die 
man sonst kaum oder überhaupt nicht findet, vorführen 
und damit Liebe zur Heimat wachrufen, aber auch 
Ehrfurcht vor denjenigen Naturdenkmälern, die bereits 
gesetzlichen Schutz genießen oder dessen dringend be 
dürftig sind. 
Die geologische Sammlung tvar zwar klein, 
enthielt jedoch manche sehr schöne Versteinerungen aus 
dem Zechstein und dem Muschelkalk sowie einige hübsche 
Stücke aus dem Urgestein. 
Am umfangreichsten waren die b o t a n i s ch e n 
Schätze, samt und sonders durch Herrn Pfalzgras ge 
sammelt. Sehr lehrreich waren die Moose, deren For 
men-, Farben- und Artenreichtum dem Beschauer Be 
wunderung einflößte. Daran schlossen sich die Farne 
unserer Heimat. Recht vollständig tvar die Sammlung 
der Gräser, der Enziane, der subborealen, subalpinen 
und Steppenpflanzen. Auf diese sei besonders hinge 
wiesen, denn die Steppenflora, die bezüglich der mensch 
lichen Ansiedlungen wissenschaftlich hochbedeutsam ist, 
Mehr als tausendjährige Eibe auf dem Badenstein bei 
Witzenhausen. pho<. pfalzgraf.
	        
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