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Gemeinde sprach, und schließlich in den Stadtsälen
die Faustrezitation des greisen Ludwig Wüllner.
Am Abend fanden sich die geladenen Gäste zum
Festessen ein, während in den Stadtsälen das Kas
seler Staatsorchester ein erlesenes Symphoniekon
zert (Bach, Brahms, Bruckner) darbot. Im zweiten
Festaktus am Sonntag hielt Professor Dr. Otto
die Festrede über „Sinn und Aufgabe moderner
Universitäten". Sodann wurden durch den Rektor
die neu ernannten Ehrensenatoren, durch die De
kane die Ehrenpromotionen verkündet, die wir an
anderer Stelle mitteilen. Der Nachmittag brachte
einen fast beängstigenden Menschenstrom nach Mar
burg. Er galt vor allem deni historischen Festzug,
der als Einzug Landgraf Philipps in seine neue
Universität gedacht war und, zumal in dem Idyll
der mittelalterlichen Gassen Marburgs, außerordent
lich eindrucksvoll wirkte. Daß in ihm auch die
Träger der Marburger, Schwälmer und Hinter
länder Tracht gut zur Geltung kamen, soll noch
besonders betont werden. Das sich nun aus dem
Schloßberg entwickelnde Volksfest brachte vorüber
gehend zuiu ersten Male ein Versagen der sonst
geradezu glänzenden Organisation; es gab erheb
liche Stockungen beim Aufstieg. Dann aber ent
wickelte sich ein buntbewegtes Leben im Schloßpark
und in Bückings Garten mit Trachten- und Schwert-
tänzen, Männerchören, Hans-Sachsspielen, Spinn
stuben, Puppenspielen bis in die späten Abend
stunden, die eine feenhafte Beleuchtung des Schlosses
und der Elisabethkirche brachten. Die letzte offizielle
Veranstaltung bildete ein Festkommers der Stu
dentenschaft. Der gemeinsame Abschiedstrunk der
Universität und Bürgerschaft ain vierten Tag auf
dem Schloßberg hatte schon mehr privaten Charakter,
brachte aber noch einmal zum Ausdruck, was in all
diesen festlichen Tagen sich so wohltuend geltend ge
macht hatte, die enge Verbundenheit von Bürgertum
und Universität. Auch sonst wird der Eindruck, den
dieses Fest einer vierhundertjährigen Hochschule in
mitten eines deutschen Kleinstadtidylls hinterließ,
den meisten, die es miterleben durften, ein unaus
löschlicher bleiben. H.
Heimatmuseum Witzenhausen
Der Wunsch nach einem Heimatmuseum, den die
700-Jahrfeier unserer Stadt auslöste, ist nunmehr seiner
Verwirklichung um einen guten Schritt näher gerückt.
Mit der Einrichtung des Museums wurde Mittelschul-
lehrer Pfalzgras beauftragt. Um das Interesse der Bür
gerschaft zu prüfen, fand vom 6.—11. April im Sitzungs
saale des Rathauses eine Ausstellung des Heimatmuseums
statt. Vorläufig konnten nur naturgeschichtliche Gegen
stände gezeigt werden. Der Museumsleiter sowie einige
andere naturwissenschaftlich geschulte Herrn hatten alles,
was sich in der Stadt und deren Nachbarschaft in
Privatbesitz befand, mit unendlicher Mühe zusammen
getragen und übersichtlich und geschmackvoll geordnet,
aber sie wurden reich belohnt durch die wider alles
Erwarten hohe Menge der Besucher (ihre Zahl mag
sich Tausend genähert haben), vor allem aber durch
die gespannte Aufmerksamkeit, womit diese den belehren
den Erläuterungen der führenden Herrn folgten. An
erkennung verdient auch die lobenswerte Bereitwillig
keit der Bürgerschaft, ihre teilweise einzigartigen Samm
lungen zur Verfügung zu stellen. Das Ganze wurde
unter verschiedenen Gesichtspunkten dargeboten: man
wollte einerseits die ungeheure Mannigfaltigkeit uni)
den großen Artenreichtum der Pflanzen- und Tierwelt
unseres herrlichen Werragaues zeigen, andererseits auch
hauptsächlich die Besonderheiten und Seltenheiten, die
man sonst kaum oder überhaupt nicht findet, vorführen
und damit Liebe zur Heimat wachrufen, aber auch
Ehrfurcht vor denjenigen Naturdenkmälern, die bereits
gesetzlichen Schutz genießen oder dessen dringend be
dürftig sind.
Die geologische Sammlung tvar zwar klein,
enthielt jedoch manche sehr schöne Versteinerungen aus
dem Zechstein und dem Muschelkalk sowie einige hübsche
Stücke aus dem Urgestein.
Am umfangreichsten waren die b o t a n i s ch e n
Schätze, samt und sonders durch Herrn Pfalzgras ge
sammelt. Sehr lehrreich waren die Moose, deren For
men-, Farben- und Artenreichtum dem Beschauer Be
wunderung einflößte. Daran schlossen sich die Farne
unserer Heimat. Recht vollständig tvar die Sammlung
der Gräser, der Enziane, der subborealen, subalpinen
und Steppenpflanzen. Auf diese sei besonders hinge
wiesen, denn die Steppenflora, die bezüglich der mensch
lichen Ansiedlungen wissenschaftlich hochbedeutsam ist,
Mehr als tausendjährige Eibe auf dem Badenstein bei
Witzenhausen. pho<. pfalzgraf.