streckt er sich behaglich vor seinem Loch; wenn er
dann aber plötzlich seinen Schatten sieht, so ivird ihm
irgendwie unheimlich, er kriecht zurück und bleibt
noch vier Wochen nt seiner warmen Behausung.
Denn der Schatten, der deutet die harte, winterliche
Witterung der nächsten vier Wochen an. Das hat
ihm der Bauer wohl abgelauscht und irr gute
Sprüche gebracht: „Wenn der Dachs auf Licht
meß seinen Schatten sieht, kriecht er noch einmal
vier Wochen ins Loch." Das ist eirre alte Wetter
regel. Ter Bauer hat sie schon von seinem Groß
vater gehört und dieser sie schon im Kalender
studiert. Sie ist weit verbreitet und auch bei uns
in Hessen und Nassau allgemein bekannt. Die Nutz
anwendung, daß noch viel Kälte kommt, wenn an
Lichtmeß die Sonne scheint, ist auch irr Reimen zu
hören, wenn auch das Naturkräftige des Bildes
der Preis für das poetische Gewand ist:
„Ist auf Lichtmeß Sonnenschein,
das bringt noch viel Schnee herein."
So hat es der Volksmund am Kellerwald geformt.
Aber viel besser ist es, wenn es recht wirbelt
und schneit und das Wetter so unwirtlich ist, daß
die wilden Tiere um Nahrung bis an die mensch
lichen Wohnstätten kommen, denn „Zu Lichtmeß
hat der Schäfer lieber den Wolf, als die Sonne im
Stall".
Eilt ähnliches Schicksal wie bei uns den Dachs,
und in kälteren Gegenden den Bären, ereilt auch den
Fuchs: „Scheint zu Lichtmeß die Sonne dem Pfaf
fen ans ben Altar, so muß der Fuchs wieder sechs
Wochen ins Loch." Deutlich wird in all diesen
Wetterregeln die Sonne, das Licht, beobachtet, und
geradezu gemessen wird es in folgenden Zeilen:
(Der Tag nimmt zu):
„Weihnachten einen Hahnenschrei,
Heilge drei Könige einen Hirschensprung,
Lichtmeß eine ganze Stnnd."
Ebenso mißt die Zunahme des Lichtes ein Reim,
der in der Schwalm bekannt ist:
„Auf Lichtmeß
schlägt die Glock bei Tag sechs."
Welcher Fortschritt an Lichtmeß gegen die dunklen
Dezember- und Januartage, wo beim Glockenschlage
sechs noch undurchdringliche Dunkelheit alles rings
umhüllte!
Was liegt nun näher als zu glauben, daß das
Wort „Lichtmeß" von diesem „Messen des Lichtes"
seinen Namen hat? Daß „Lichtmeß" tatsächlich
vielfach so gedeutet wird, geht eben gerade aus der
großen Zahl von Wetterregelti hervor, die alle an
das Licht anknüpfen. Folgender Reim:
„Lichtmeß helle,
sät man den Flachs in die Delle;
Lichtmeß dunkel,
sät man ihn auf den Brunkel (d. i. Anhöhe)"
ist uns aus dem Waldeckischen eingeschickt worden.
Was sagt er anderes, als daß man vom Benehmen
des Dachses gelernt hat? Sieht der Dachs seinen
Schatten, ist helles Sonnenlicht, so sät man den
Flachs in die Telle, an eine tief gelegene, ge
schützte Stelle; denn es kommen noch vier Wochen
harter Kälte. Ist aber dunkler Himmel, dann kann
man ihn getrost auf die rauhe, windüberzogene
Anhöhe säen, denn es tritt mildes Wetter ein.
In unserem Wörterbuchgebiet erfreut sich noch
ein anderer Lichtmeßreim großer Beliebtheit:
„Zu Lichtmessen
müssen die Herrn bei Tag essen!"
Weit verbreitet in Hessen und Nassau ist die An
sicht, daß irgendwelche „Herren" am 2. Februar
bei Tag essen müssen! Welcher Art diese Herren
sind (denn die Mehrzahlform „Herren" ist deut
hessischen Volksdenken ein Begriff, um Fremdar
tiges, Vornehmes zu bezeichnen!), wird beleuchtet
durch eine Erweiterung des Reimes, die sich recht
zahlreich findet:
„Lichtmeß,
die Herrn bei Tag ess',
die Armen, wenn sie was haben"
oder: „Zu Lichtmessen
müssen die Herrn bei Tag essen,
die Bauern, wenn sie's können,
die armen Leute, wenn sie's haben."
Nun, die „Herren" sind reiche, sorgenfreie Leute,
die in Hülle und Fülle zu essen haben, im Gegen
satz zu anderen Leuten. Das geht aus diesen Er-
weiterungen des Reimes hervor. Welche Elemente
nun die Bildung solcher Reime begünstigen, zeigt
die Mitteilung eines Einsenders, der uns schreibt:
„An Lichtmeß mußten die Insassen des Klosters
Fulda das Abendessen vor Eintritt der Dunkelheit
einnehmen, weil ihnen von diesem Tage an kein
Licht mehr zur Verfügung gestellt wurde."
Mit diesen Reimen und dieser Erklärung weicht
zwar das Volksdenken stark von der Wetterregel
ab, zeigt aber doch noch deutlich einen Zusammen
hang mit dem Zunehmen des Tageslichts. Sie
bildeir eine Brücke, die von der Vorstellung des
„Tageslicht- oder Sonnenlichtmessens" zu der
Welt hiuüberleitet, von der das Wort „Lichtmeß"
seinen Ausgang genommen hat, nämlich der der
katholischen Kirche. Lichtmeß bedeutet ursprünglich
nichts weiter, als daß aul 2. Februar, dem Fest
der Reinigung Mariä, die Kirche die zum Gottes
dienst gebrauchten Lichte, Kerzen, in einer Messe
weiht.
Diese Lichtmesse, ursprünglich und noch heute
im katholischen Deutschland ein kirchlicher Akt, wur
de dann zur Bezeichnung des 2. Februar überhaupt.
Als einfache Zeitbestimmung ist Lichtmeß auch heute
noch in Hessen-Nassau bekannt: „nach Lichtmeß"
hört man z. B. summarisch die Zeit zwischen Fast
nacht und Ostern im Oberlahnkreis benennen.
Nichts anderes als eine Zeitangabe ist weiter die
in Hessen bekannte Wetterregel:
„Lichtmeß
will einen der Winter gar fress'",
die besagt, daß an Lichtmeß oft besonders grimmige
Kälte eintritt, die wie ein böses Tier den Menschen
überfüllt.
Ist Lichtmeß aber zur Bezeichnung eines be
stimmten Kalenderdatums geworden, so ist gewiß
die Möglichkeit gegeben, Wetterregeln daratt an-