126
Ahnen Blut und Wesen noch in fernsten Kindes--
kindern lebendig zu tvirken. Derlei Unsterblichkeit
gilt schon hoch; von Wenigen nur bleibt mehr
zurück, sei es eine besondere Tat, sei's allein ein
nachdenklich Wort.
* * *
Da ist Herr Cyriax Eitel gewesen, ein Ritter
vom löblichen Geschlechte derer von Hutten; zu
Sannerz war sein Sitz. Was melden die alten
Papiere von ihm? Daß er sich im Jahre 1615
mit denen von Hanau eines Waldes zu Großen-
schlinglof wegen verglich; daß er viele Jahre hin
durch einen Streit verfocht um die Kirche zu Ram-
holz . . . Aber was sagt das über seine Art?
Mehr als aus noch so vielen dürren Angaben läßt
sich aus einem Bekenntnis entnehmen, das er selbst
ablegte. Es ist eine Stelle seiner Briese über er
wähnten Streitfall, da schaut der ganze Mann
heraus, grüblerisch, eigenwillig, selbstsicher, wie er
gewesen sein mag, vielleicht mit einem artigen
Schelm im Nacken, wenn er dort schreibt: „Er halte
dafür, daß der rechte, wahre Glaube noch nicht auf
der Welt sei, und daß, wenn dieser käme, alle
Menschen ihn annehmen müßten; darauf wolle er
mit den Seinigen warten". —
O du liebe Seele! Das war nicht unklug ge
sprochen. Wir harren dessen nach heute.
* * *
Hoch Rühmliches berichten Urkunden und Jahr
bücher von deni edlen Herrn Hermann Riedeseb
zu Eisenbach. In mancherlei Kriegsläuften be
währt, doch lieber in Werken des Friedens, stand
er unbeirrt zu den Landgrafen von Hessen. Er
mehrte das Erbgut seines Stammes aus geringen
Anfängen zu reichem Besitze, der seine Nachkommen
für Jahrhunderte förderte und trug. Er gedachte
auch seines Seelenheils in eifriger Übung und Vor
sorge, und als er, an die achtzig Jahre alt, im
Jahre 1463 das Zeitliche gesegnet hatte, besiegelte
der Deckstein seiner Gruft in der Liebfrauenkirche
zu Schotten ein löblich und fruchtbares Leben, das
ihn unter die Ersten der hessischen Ritterschaft
erhob. Ein treuer Mann, ein Freund des Rechtes,
der oft zur Schlichtung von Streitigkeiten berufen
wurde und selber, ein Wunder für seine Zeit,
niemals in eigener Fehde zu Felde lag, ein um
sichtiger Haushalter: so läßt sich sein Wesen er
ahnen. Noch deutlicher Zeugnis von seinem ade
ligen Sinne, vom Wissen um die Pflicht des
Führers und Herren, legt ein Wort ab, das er den
Einsassen des Gerichtes Schlechtenwegen gegen
über äußerte, als sie ihm, nachdem er jenes im
Jahre 1429 zu Lehen empfangen, auf einem Berge
bei Fischbvrn geschworen hatten. Da entließ er
sie in Hulden mit diesen Worten: „Gehet heim,
ihr Männer! Und behütet euch vor den Wölfen;
vor Feinden will i ch euch behüten!" —
* * *
Mancheiner scheint sein Leben nur zu durch--
brausen, damit er auf seinem Sterbebette erkenne,
wie es verkehrt und verloren gewesen. Des zum
Belege stellt sich ein anderer Hermann Riedesel
dar, ein Sohn jenes verehrungswürdigen älteren
Hermanns, von dem wir vernahmen. Hermann
der Jüngere, samt seinem Bruder Georg, zer
störten das meiste von dem, was ihr Vater aus
gerichtet hatte. Ihr Dasein war stetige Fehde
und Widerfehde, Kriegsverlust aus eigene Hand
und im Dienste ihrer Fürsten, Entäußerung ihrer
Güter, von denen sie ein Stück nach dem andern
versetzten, verpfändeten oder verkauften, so daß
Hermann im Jahre 1501, als er ans Sterben kam,
in Schulden schier vergraben lag. Doch eines hebt
ihn hervor: Er belog sich nicht selbst über seinen
schlimmen Zustand und hielt sich nicht für würdig,
ein Beispiel zu sein. Es mochte ein beizendes
Lächeln deutlicher Einsicht, gerechter Abwägung,
aber auch trotziger Selbstbehauptung um seine harten,
zerrissenen Züge irren, als er seinen Enkel Jo
hann an sein letztes Lager rufen ließ, ihm seinen
guten Degen in die Hand darreichte und dazu sprach:
„Hänschen! nimm hin mein Schwert und erwirb
so viel damit, als ich verloren". — Das war ohne
Trum und Dran die Summa gezogen, bitter, aber
ehrlich, und so konnt' er füglich vor Gott treten.
Der wird ihm ein billiges Urteil gesprochen haben.
* * *
Als der Abt von Fulda gesonnen war, die Stadt
Hersfeld wegen ihres Stolzes zu züchtigen, hatte
er auch den Adel aus der Nachbarschaft dazu auf
geboten. Unter diesem Bunde war auch Simon
von Haune. Es ward mit großer Umsicht und
Heimlichkeit auf den Abend des 28. Aprils 1378
ein Überfall verabredet, der dazu angetan gewesen
wäre, die ahnungslose Stadt zu vertilgen. Da
schlug Herrn Simon das Gewissen; denn er war
ein rechtlicher Mann. Er gedachte der Gunst und
Neigung, die er von den Bürgern oftmals genossen
und die ihn zur Dankbarkeit verpflichtete. Dazu
verschlug es ihm gegen seine Ehre, die -Gegner
hinterlistig gleich einem Strauchdiebe zu überraschen,
so daß er noch am selben Tage, an dem der Kampf
beginnen sollte, den Bürgern nach altem Brauch
und Rechte einen ehrlichen Fehdebrief übersandte
des Inhalts:
„Wisset, ihr von Hersfeld, daß ich, Simon von
Haune, Ritter, euer und der eueren Feind sein
will, mit allen meinen Helfern und Bundesgenossen,
und will euch nach Leib, Ehr und Gut stehen, und
will das diese Nacht tun. Darnach habt euch zu
richten. Gegeben unter meinem Jnsiegel auf St.
Vitalis Abend, A. D. 1378."
Das mochte nun dem Abte und den anderen
Herren recht sein oder nicht, Simon hatte getan,
was er sich schuldig war. Und wenn die Stadt dabei
gerettet wurde, so war's nur billig, denn es stan
den sich die Gegner mit gleichen Waffen gegenüber.
* *