Full text: Hessenland (39.1927)

hannöverschen Provinzen Kahlenberg und Göttin 
gen gegen die Beteiligung Hannovers am Krieg 
gegen Frankreich so leidenschaftlich protestierte, das; 
er seiner Ämter entsetzt wurde; der Familie gelang 
es, wenn auch erst nach seinem Tode, die hanno 
versche Regierung auf dein Wege des Prozesses zu 
einer Entschädigung zu zwingen. Sein Enkel, Graf 
Haus, hat sich als Ornithologe einen Namen ge 
macht; seine 60 000 Bälge umfassende Vogelsamm 
lung befindet sich jetzt im Scuckenbergischeu Mu 
seum zu Frankfurt am Main. 
Lebenstüchtigkeit, Daseinsbejahung und geistige 
Regsamkeit sind also charakteristische Eigenschasteu 
des Geschlechts derer 
von Berlepsch, und es 
kann füglich nicht 
Wunder nehmen, das; 
sie sich auch in der 
Persönlichkeit dessen 
wiederfinden, der die 
sen Namen über die 
Grenzen ritterschaft- 
licher und wissen 
schaftlicher Geltung 
hinaus durch dichte 
risches Schassen in 
den Raum schöpferi 
scher Geistigkeit wirken 
läßt: in der Persön 
lichkeit des Grafen 
Karl von Ber 
lepsch, in dessen 
Künstlerschaft das Ge 
schlecht eine neue Be 
tätigung seiner Frucht 
barkeit und seines 
inneren Reichtums er 
fährt. Karl von Ber 
lepsch wurde am 15. 
Mai 1882 in Hann- 
Münden geboren. 
Durch seine Mutter, 
eine Freiin von Bü- 
low, die selbst eine 
Sammlung eigener 
Gedichte herausgege 
ben hat, wurde er in 
seinen früh zutage tretenden dichterischen Neigungen 
entschieden gefördert, und so sing er schon mit achtzehn 
Jahren an, seine Gedichte in Zeitungen und Zeit 
schriften zu veröffentlichen. Ein augenfälliger Erfolg 
>var die Auszeichnung einer Ballade „Der Weichen 
steller" durch einen Preis gelegentlich eines von 
der „Woche" ausgeschriebenen Wettbewerbs. Be 
sondere Anteilnahme und Förderung fand der Dich 
ter bei „Velhagen und Klasings Monatsheften", 
in denen nach und nach, eine ganze Reihe seiner 
lyrischen und erzählenden Gedichte erschienen ist. 
Alles dies hinderte ihn aber nicht, nach dem Besuch 
der Gymnasien von Hann.-Münden, Wernigerode 
a. Harz, Weilburg a. Lahn und des Gildemeister- 
Justituts in Hannover sehr ernsthaft dein Rechts 
studium sich zu widinen, zu welchem Behuf er die 
Universitäten München, Marburg a. Lahn und 
Bonn besuchte. Seine praktische Betätigung als 
Rechtsbeflissener, zunächst in Eitorf a. Sieg, dann 
in Kassel, wurde durch den Kvieg unterbrochen, 
den Karl von Berlepsch zuerst als Leutnant, dann 
als Oberleutnant mitmachte, und zwar beim Re- 
serve-Jnfanterie-Regiment Nr. 83 und später, dem 
Dragoner-Regiment Nr. 5 in Hofgeismar ange- 
hörig, bei einem höheren Stabe. Ta ihm nach dem 
1915 erfolgten Ableben seines Vaters die Verwal 
tung des umfangreichen Familienbesitzes zufiel, 
war es ihm nicht 
möglich, die juristi 
sche Laufbahn weiter 
zu verfolgen. So 
nahm er nach Beendi 
gung des Krieges auf 
den: alten Stamm 
schloß dauernden 
Wohnsitz — und es 
läßt sich, aus rein ob 
jektiver Betrachtung 
heraus, sagen, daß 
dieser Schicksalszwang 
als eine überaus gün 
stige Fügung zu be 
trachten ist. Tenn 
es gibt nichts Besse 
res für einen Dichter, 
als dort zu Hausen, 
wo er innerlich wur 
zelt, wo seine Verbin 
dung mit den Geheim 
nissen des Lebens, die 
fruchtbare Berührun 
gen des menschlichen 
Ich mit dem Du der 
Welt, die allerinnigste 
ist. Gewiß läßt sich 
denken, daß jemand 
an einer Stätte ge 
boren wird, die ihm 
nichts gibt, da seine 
innere Heimat an 
derswo gelegen ist, der 
Ort, der Raum, die Landschaft, die den rechten Rah 
men für sein Wesen bildet. Das kommt vor, zweifels 
ohne. Zumeist aber und ganz natürlich liegt es doch, 
lote im Falle Karls von Berlepsch, so, daß die Stätte 
der Geburt, besser gesagt, des Jugendlebens, dem 
Menschen „von früher Kindheit an der liebste Ort 
aus Erden war und ist". Hier weht die Luft, die 
dem longsanl zu sich selbst findenden Menschen die 
unwägbaren Elemente zutrug, die sein Ichbewußt 
sein formten, hier entstanden die Eindrücke und 
Erfahrungen, die seinem Blick das Dasein ordneten, 
hier ist er so zu Hause, wie zu sein es der Mensch 
nicht herzhafter sich wünschen kann. So spricht 
Karl von Berlepsch zu seinem Wald als dem Ge- 
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Karl Graf von Berlepsch.
	        
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