Full text: Hessenland (38.1926)

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b. h. mit dem Ansehn von Sieglos ist es schon lange 
vorbei. Ähnlich, aber noch etwas schärfer dichtet man 
in Solms an der darmhessischen Grenze: 
Salmes es Herr! 
Jass' (Jossa) es derr, 
Hattebach es des Lompenäst, 
bo der Täiivel es tren (drin) gewäst. 
In der „vergessenen Ecke", im Landecker Amte, kennt 
man folgenden Vers, der sicher in Ausbach verfaßt 
worden ist: 
Ü s b i ch (Ausbach) d's Himmelrich, 
Ronsbich (Ransbach) d's Rackernäst, 
Werschhuse (Wehrshausen) d'r Welt Enng (Ende). 
Beinamen oder „Annamen" erhalten aber nicht 
nur die Ortschaften, sondern auch einzelne Personen. 
Gerade bei diesen Spottnamen muß uns ausfallen, 
>vie außerordentlich scharf unser Volk beobachten 
und wie sicher es den bezeichnendsten Ausdruck dafür 
finden kann. Gewöhnlich hakt der Spott bei einer 
körperlichen Eigenart oder einer Angewohnheit ein. 
Selbstverständlich hat jeder Lehrer seinen Beinamen, 
der ihm so fest anklebt, daß er gar nicht wieder ab 
geschüttelt werden kann, sondern sich wie eine Selbst 
verständlichkeit durch immer neue Schülergenerationen, 
forterbt. Er würde das nicht tun, wenn er nicht 
so bezeichnend wäre und nicht bei jedem, der ihn 
zum ersten Male hört, ein Lächeln auslösen würde, 
er mag nun wollen oder nicht. In weitem Umfang 
aber üben auch Erwachsene die Tätigkeit der Bei 
namengebung aus, die allerdings nicht gelobt werden 
soll; wenn auch hier gesagt werden muß, daß der 
Spott meist harmloser Natur ist und von dem damit 
Bedachten nicht übel genommen wird. Hier seien 
zwei Beispiele aus Hersfeld gegeben. Ein Bürger, 
der die Angewohnheit hatte, jedesmal hinter seinen 
Worten ein brummendes Räuspern hören zu lassen, 
hieß die „Osterglocke". Ganz ausgezeichnet beob 
achtet, denn auch die Osterglocke, die größte Glocke 
der Stadtkirche, summt lange nach, wenn sie aus 
geläutet hat. Ein anderer Bürger, der eine nervöse 
Kopfbewegung hatte, die allerdings derjenigen eines 
Pferdes, das Fliegen wegjagt, sehr ähnlich sah, hieß 
der Schäsegull (Chaisengaul). Hunderte von Bei 
spielen ließen sich hier nennen. — In seinen schönen 
Beiträgen zur deutschen Volkskunde, die Dr. Ludw. 
Friedr. Werner in seinen Büchern „Aus einer ver 
gessenen Ecke", mit der das Landecker Amt im Kreise 
Hersfeld gemeint ist, gesammelt hat, wird uns auch 
von solchen Annamen erzählt. Da ist „der al Hurra", 
der so bis an sein Lebensende hieß, weil er als 
Bursch beim Tanzen immer „Hurra" gerufen hatte. 
Einer, der es zu etwas Vermögen gebracht hatte, 
wurde „Rothschild" genannt, und ein Schuster, der 
so hastig sprach, daß es aus ihm heraussprudelte wie 
aus einer enghalsigen Flasche, war der „Doppel- 
schläger". Allerdings — das verschweigt auch Wer 
ner nicht — gibt es hier wie überall auch derbere 
Namen, die nicht salonfähig sind und deren Wieder 
gabe sich hier verbietet. Aber das Volk sagt diese 
Derbheiten sozusagen ehrlich heraus, ohne ein Blatt 
vor dem Mund zu nehmen, versteckte Frivolitäten 
finden bei ihm keinen Platz. Das gilt nicht nur für 
die Erzeugnisse des Volksspottes, sondern auch für 
das ganze Gebiet, das von der Volkssprache und 
Dichtung umfaßt wird. 
Gasse. 
Es wird zu spät. Sie finden nicht das Licht, Die Häuser senken ihre Köpfe schwer, 
Sie irren dunkel, gleichen den Gespenstern, Es biegen stöhnend sich die breiten Massen, 
Der Ruß der Schlote klebt an ihren Fenstern: Die Last des Jammers tragen sie nicht mehr 
Wie gräßlich ist hier Gottes Angesicht! Und stürzen dumpf hin in die Nacht der Gassen. 
Und keiner ist, der will, daß was geschehe, 
Furchtbar geschehe an der finstern Macht, 
Die nachts durch Gaffen schleicht und pfeift und lacht 
Und lacht und pfeift über das große Wehe. 
Berthold Leinweber 
Iugenderinnerungen eines Kasselaners. II. Von Christoph Müller. 
(Schluß.) 
En großer Feez war vor uns de Messe. Am 
Zwehrendurm schdand 'ne Mordgeschichde. Ter 
Mann schlug immer mid en Schbanschrohrschdock 
uff de Bilder, un de Frau sung derzu. De Bilder 
waren so gruselich — wo der Gemordede lag, do floß 
des Blud, als wemme zehn Schwinne geschlachded 
hüdde. Un die Frau sung so dranrich derzu, do mußd 
ich immer krischen. Do war doch d's Bubbelschbeel 
was gans anneres, wann do der Kasber alle uff 
de Kebbe schlug, den Dod un den Deiwel, do muß de 
me richdich lachen. In de Buden ninn gehn kunnd 
ich nidd, do hadd ich kein Geld derzu. Wann nu in 
so'n Budenzeld en Loch in dem Linnen war, dann 
wullde me derdorch gucken un un hield den Kobb 
dervor. Das merkeden se dann drinne un schlugen 
einen vor d's Gesichde, das ivar nu 'ne Gemeinheid. 
Manchemo war au 'ne Menascherie do, dann gab 
nrä min Vadder en Silwergroschen un ich kunnde
	        
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