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Tagungen. Geheimrat Scheibe bot ein abgerundetes
Lebensbild des 1493 in Fulda geborenen und 1558 zu
Marburg verstorbenen Hofpredigers und hessischen Re
formators Adam K raff t. Zum Schluß behandelte
Privatmann G. W e n tz e l l verschiedene großzügige
Kasseler Baupläne aus dem ersten Drittel des
19. Jahrhunderts. (Bericht: Kass. Post 3. 12.)
Im Esch weg er Verein sprach am 9. Dezember Zoll
direktor W o r i n g e r über „die kurhessische
Armee im Jahre 1814"'. Einleitend verbreitete
er sich über die Lage in Hessen nach Vertreibung der
Franzosen 1813 und schilderte sodann die Schwierigkeiten,
in dem ausgesogenen Lande 24 000 Mann, die zur Hälfte
aus Linientruppen, zur Hälfte aus Landwehr bestehen
sollten, zum Feldzug gegen Napoleon aufzustellen. Ebenso
schwierig war es für die in Kassel gebildete Kriegskom
mission, die nötigen Offiziere zu finden, so daß sogar un
gediente Leute als solche angenommen wurden. Ebenso
verursachte die Ausrüstung der Mannschaften große
Schwierigkeiten, so daß es vorkam, daß Schwälmer Bur
schen in ihren Kitteln über den Rhein zogen. Diese Nöte
wurden jedoch durch die vaterländische Begeisterung aller
Stände überwunden. Von den Taten der Hessen in den
Freiheitskämpfen 1814/15 wissen die von ihnen blockierten
Festungen Luxemburg, Diedenholen, Metz und Saarlouis
zu erzählen. Der Vorsitzende, Schulrat Dithmar, gab
noch interessante Mitteilungen über seinen Großonkel
Hillebrandt, der als Offizier in hessischen Diensten stand,
und dessen Sohn Karl. Lehrer B i e r w i r t h ergänzte
die Ausführungen Woringers noch durch Hervorhebung
der Taten Eschweger Freiheitskämpfer. Pfarrer C l e r -
m o n t wies auf die Wiederbeschaffung des „Diede-
manns", des Eschweger Wahrzeichens, hin, um deren
allseitige Unterstützung er bat.
(Bericht: Eschweger Tageblatt 10.12 ).
Der Hersfelder Geschichtsverein hielt am 23. No
vember eine Vorstandssitzung ab, in der Rektor Z i e g -
l e r über den Besuch des Museums berichtete. Zum
1200 jährigen Jubiläum der ersten Erwähnung Hers
felds will 6er Verein erst Stellung nehmen, nachdem
Geheimrat Hafner und Professor Stengel in dem zu
Anfang nächsten Jahres erscheinenden ersten Heft der
Mitteilungen des Hersfelder Geschichtsvereins ihre von
einander abweichenden Auffassungen dargelegt haben. Aus
einem Fund bei Tann wurden 11 Hersfelder Brakteaten
des 11. und 12. Jahrhunderts für das Museum er
worben. (Bericht: „Mein Heimatland" Nr. 21.) —
Der Ausspracheabend am 6. Dezember befaßte sich mit
den Verdiensten des Landbaumeisters Leonhard Müller,
der 1827—51 in Hersfeld lebte und über den an der
Hand zahlreicher Skizzen und Pläne Wilhelm N e u -
haus eingehend berichtete. Leonhard Müllers Wirken
— ihm ist u. a. die Erhaltung der Stiftsruine zu
danken — ist für das Hersfelder Stadtbild außer
ordentlich bedeutungsvoll gewesen. (Bericht: Hersfelder
Ztg. 8. 12.)
Der hessische Bezirksverein deutscher
Ingenieure in Kassel beging am 4. Dezember
sein 50 jähriges Bestehen. Im Mittelpunkt der Feier
stand der Vortrag des Stadtrats Benemann über die
„Wertschätzung der Technik".
Biologische Vereinigung für Hessen
(beide Hessen und Nassau sowie Nachbargebiete), Sitz in
Marburg (Lahn). Die Biologische Vereinigung für
Hessen setzte ihre Arbeit mehr im Stillen fort, als daß
sie im vergangenen Jahr an die Öffentlichkeit trat. Auf
dem Gebiete des Naturschutzes wirkte sie Hano in Hand
mit verwandten Gesellschaften, besonders der um die
Rettung des „Enkheimer Ried" hochverdienten Fechen-
heimer Vereinigung für Vogelschutz, deren Schutzgebiete
ich mehrfach besichtigen konnte. Der praktische Vogelschutz
fand unsere besondere Aufmerksamkeit; wir sorgten für
Verbreitung guter und billiger Nisthöhlen, die unter
unserer beratenden Mitwirkung hergestellt werden von
der Holzbearbeitungsfabrik Kleinhenn in' Biedenkopf, wo
wir eine Ortsgruppe haben. Kreis und Stadt Marburg
haben ebenso wie andere Körperschaften auf unser An
raten eine größere Anzahl Nisthöhlen aufgehängt; das
selbe wird in Oppenheim geschehen, wo ich im Novem
ber in den Schulen und im dortigen „Verein für Ge
flügel- und Vogelzucht und Vogelschutz" Lichtbilder
vorträge hielt über „Heimisches Vogelleben und Vogel
schutz" und einen vogelkundlichen Rundgang leitete. Auch
in den Tageszeitungen wurde für den Naturschutz ein
getreten, ebenso dienten die von mir veraustaltejten
„Vogelkundlichen Ferienkurse" den gleichen Zielen da
durch, daß die jugendlichen Kursteilnehmer bestärkt wur
den in ihrer Liebe zur Natur, die Vorbedingung des
Naturschutzes ist. Zuerst fand Ostern eine vogelkundliche
Wanderung durch die ganze Rhön statt, auf der manche
Seltenheit (Steinsperling, Brachpieper) beobachtet wurde;
es folgten zwei ornithologische Ferienkurse auf dem vogel
reichen Kühkopf, der wegen seiner urwüchsigen Natur in
Hessen seinesgleichen sucht; in entgegenkommender Weise
nahm der für unsere Sache sehr interessierte Landwirt
Nothmann in Erfelden alle Kursteilnehmer kostenfrei in
seinem Gute auf, was die Abhaltung beider Kurse un-
gemein erleichterte, ja in der billigen Form (durchschnitt
licher Tagesverbrauch der Teilnehmer 70 Pf.!) erst er
möglichte; auch bei Herrn Gutsbesitzer Secretan auf der
Hohenau fanden wir im August und Oktober gastliche
Aufnahme. Die Rhein-Kurse auf dem Mhkopf und
der Hohenau waren noch reicher an ornithologischen und
allgemeinen Ergebnissen, zeitigten zudem als bleibendes
Ergebnis neben einer Ergänzung unseres faunistischen
Wissens eine wertvolle Zusammenarbeit der „Kur-" und
„Darm-Hessen", die wieder unseren Naturschutzbestre-
bnngen und wissenschaftlichen Arbeiten zugute kommt
und der kulturellen Bedeutung Gesamt-Hessens — Ver
mittlung zwischen Nord und Süd! — entspricht. Die
Ferienveranstaltuugen werden fortgesetzt und ausgebaut;
insbesondere soll im Anschluß an den „Deutschen Natur
schutz 1927 in Kassel" ein solcher Kurs abgehalten werden.
Mit der Herausgabe der von W. Sunkel verfaßten
„Vogelfauna von Hessen" wurde die ornithologische
Weiterarbeit aus eine feste Grundlage gestellt; die auf
diesem Gebiet noch auszufüllenden Lücken, besonders die
Rätsel des Vogelzuges, suchen wir durch sorgfältige
Beobachtung und eine planvolle Kennzeichnung vieler
Vögel mit numerierten Fußringen zu klären; daß wir
daber auf dem richtigen Wege sind, beweisen die erst
kürzlich wieder aus Frankreich zurückgemeldeten hessischen
Ringvögel (Amsel, Bachstelze, Rotschwanz). Wir bitten
alle Naturfreunde um Mitarbeit gerade aus diesem Ge
biet; daneben werden die übrigen wissenschaftlichen Ar
beiten, auch botanischer Art (Phänologie, Pflanzen
standorte) nicht vernachlässigt. Erwähnt sei noch, daß
die B.V. f. H. eine Sammlung von Bildern (Zeich
nungen, Photos usw.) aus der hessischen Natur und
Landschaft für eine Ausstellung veranstaltet; zur Mit
arbeit laden wir vor allem unsere jugendlichen Lands
leute, die Hessenjugend ein. (Nähere Auskunft durch
den Unterzeichneten.)
Dr. Werner Sunkel, Marburg (H.), Franks. Str. 55.