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Schrifttafel ist ein knorpelig behandelter Sockel,
darüber Kartuschenbekrönnng mit Doppelwappen
wahrzunehmen. Die Knorpelformen find im all
gemeinen von 1620 an zn datieren, die Inschrift des
Monumentes ist stark verwittert. Tann ist der Stein
des Rektors Sebastian Boklo zu nennen, der sich an
der Nordseite der Kirche befindet. Auch hier ist die
Inschrift fast gänzlich ausgelöscht, die Bekrönung
hat vielfach den Kindern als Spielzeug gedient.
Auf die Knorpelzeit folgt die Zeit des italienischen
Laubes, aus der der Friedhof nichts aufweist. Allen
falls wären einige Spuren auf der Platte von 1706
zu entdecken. Dann beginnt eine Reihe von Denk
mälern auf dem alten Friedhof, die der Zeit von
1724 an einzuordnen sind. Sie charakterisieren sich
durch den aufrecht stehenden Stein, der aus barock
konturierten Schriftplatten und aus der gleichen
Sockelform gebildet ist. Die Konturen sind mit den
für die Zeit typischen belaubten Bändern belegt.
Die Bandformen zeigen die einheimischen Muster,
wie sie in handwerklicher Form wiedergegeben sind.
1745 erkennen wir einen Rögence-Stein, der stark
zum Rokoko hinüberführt. Tie Konturenformen sind
ans der Muschel abgeleitet; Rocaillesormen treten
bereits in zurückhaltender Weise auf. Wie sich die
Formen allmählich ganz ins Rokoko umgedeutet
haben, zeigt das Monument des Bäckermeisters Wen
zel. Rokokolinien und flachaufgelegte Rocaillesormen
fassen eine Schrifttafel mit schlichtem Sockel. In der
Spitze befindet sich das Relief eines gekrönten Krin
gels. Die Inschrift fehlt fast gänzlich. Das dem
Prokanzler Motz 1723 errichtete Denkmal trägt
Rögence-Kartuschen, die sich in Auflösung befinden,
mit langgezogenen Gliedern, die blütenkettenartig
ausgelegt sind. Zum Vergleich mag man die Eisen
gußplatte des Daniel Collin heranziehen: ein aus
gesprochenes Rokoko, das in den Formen sehr fein ist.
Ein aus 1736 datierter Stein ist Prof. C. H. Kalk
hoff gewidmet. In der reichbewegten Kartusche,
deren Konturen mit Laubformen belegt sind, stellt er
den Übergang zum Rokoko dar. Die daneben aus
gebreitete Grabplatte aus dem Jahre 1753 ist bereits
reines Rokoko mit ausgesprochener Unsymmetrie.
Das Denkmal des Justus Heinrich Wegelius ist
eine durch Rokokolinien festgerahmte Schriftplcktte.
Die Ornamentformen sind stark plastisch heraus
gearbeitet und die Linienführung ist von prächtigem
Rhythmus. Die Platte daneben, aus 1773, gibt die
weitere Entwicklung. Der früher feste Rahmen wird
weiter aufgelöst und findet einen Ersatz in lockeren
Blumendekorationen.
Nachdem wir die wichtigsten Denkmäler des Rokoko
kurz genannt haben, »vollen wir das Charakteristische
aus jener kurzen Stilperiode des ausklingenden,
den Klassizismus vorahnenden Rokoko nennen, das
man früher als „Louis seize“, heute jedoch wieder
als „Zopf" bezeichnet. Als besonders eigentümlich
für die Zopfzeit kann das Denkmal der Anna Mar
garethe Cansid (gestorben 1782) gelten. Die im
posante, nach oben sich verjüngende Pilasterform
wird von einer Vase gekrönt, die leider herabgeworftn
worden ist. Vorderfläche und Rückseite des Pilasters
sind mit ovalen Reliefsilhouetten belegt, von denen
die vordere bossenartig stehen geblieben ist, während
die der Rückseite eine miniaturhaft feine Durchbil
dung erfahren hat. In dieser Ausführung ist sie für
Kunst und Kultur der Zeit als außerordentlich typisch
zu betrachten. An der Nordostecke des Friedhofes be-.
findet sich das Denkmal, das der jungen Frau von
Schönfeld gesetzt ward, die 1786, einen leichten
Phaethon lenkend, in den Straßen Kassels einen töd
lichen Sturz mit Wagen und Pferd tat. Nebenbei sei
bemerkt, daß sie die Gattin des Gründers von Schloß
und Park Schönfeld, des an Lebensschicksalen und
Abenteuern reichen Generals von Schönfeld, gewesen
ist, so daß sich hierdurch wie durch ihr trauriges
Schicksal, das sie erlitt, ihr Name in Kassels Lokal
geschichte erhalten hat. Das ihr gewidmete Monu
ment zeigt vortreffliche Formen. Es ist als Säulen
trommel mit bekrönender Vase gedacht und mit
feinem Gefühl für Proportionen zur Ausführung
gekommen. Ähnlich vortrefflich ist das Grabmal
Delaportes, der ein Prediger der Hugenottengemeinde
gewesen ist.
Kennzeichnend für den einsetzenden Klassizismus
sind die Nachbildungen antiker Stelen, also aufrecht
stehender Grabsteine, in Form schmaler, nach oben
sich etwas verjüngender Platten, die zum Teil mit
sehr guten Reliefs versehen sind. So ist die auf
einfachem Sockel sich erhebende Stele für Anna Mar
garete Köhler zu nennen. Die Figurengruppe, von
der die Platte ausgefüllt wird, weckt in ihrer ge
dämpften Trauer antike Erinnerung. Die Stele
Ruhls für Philippine Gundelach ruht auf niedriger
Basis, hat giebelförmigen Abschluß, die von rhyth
misch wallenden Gewändern umschwebte Gestalt wird