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Illustrierte Monatsblätter für Seimatsorschung, Kunst und Literatur
Schriftleiter Paul Heidelbach, Kassel. Unter Mitwirkung von Bezirkskonservator Baurat Dr.Hollmeyer, Kassel,-
Direktor der Landesbibliothek Dr. Hopf, Kassel,- Lyzeallehrer Keller, Kassel,- Staatsarchivrat Dr. Knetsch, Marburg,-
OberbibliothekarProfessor Dr. Losch, Steglitz,- Schriftsteller Heinrich Ruppel, Homberg,- Professor Dr. Schaefer,
Kommissar für Naturdenkmalpflege im Reg.-Bez. Kassel,- Geheimrat Universitätsprofessor Dr. Schröder, Göttingen,-
Universitätsprofessor Dr. Schwantke, Marburg,- Werner Sunkel, Marburg,- Professor Dr. Vonderau, Fulda,-
Universitätsprofessor Dr. W e d e k i n d, Marburg.
3m Einverständnis mit den Vereinen: -
Verein für hessische Geschichte und Landeskunde,- Hessischer Gebirgsverein,- Knüllgebirgsverekn,- Allgemeiner Deutscher
Sprachverein, Kassel,- Verein für Naturkunde, Kassel,- Geologischer Verein, Marburg,- Biologische Vereinigung, Marburg,-
Gesellschaft für Familienkunde in Kurhessen und Waldeck,- Hessischer Volksschullehrerverein.
Bezugspreis vierteljährlich 2.— Mark — - — ———
38. Jahrgang Heft 2 Kassel, Februar 1926
Der Aufenthalt S. Bachs in Kassel im Jahre 1732.
Von Heinz Ameln.
Am 21. September des Jahres 1732 traf
I. S. Bach, wie die „Casselische Polizey- und
Eommerzienzeitung" meldet, von Leipzig kom
mend in Kassel ein, um die neu instandgesetzte
große Orgel der St. Martinskirche zu prüfen.
Diese Orgel war eilt von den bekannten Orgel
bauern Hans und Friedrich Scherer aus .Hain
burg irr öen Jahren 1610—14 erbautes her
vorragendes Werk, das 1730—32 seine erste
größere Reparatur durchmachte. Die eingangs
erwähnte Zeitung bringt ihren Lesern darüber
folgende Notiz:
„Es ist die im hiesigen Stift St. Martini,
oder der so genannten großen Kirche große
und Kostbahre Orgel, woran bey llahe 3. Jahr
gearbeitet, endlich durch den Orgelbauer Herr
Nikolaus Becker von Mühlhausen nach heutiger
Art eingerichtet, und zu seiner perfection ge
bracht lvordell. Nachdem dann nun dieses
Merck aufs Hohen Obrigkeitlichen Befehl durch
den berühmten Organisten unb Music Direc-
torem Herr Bach von Leipzig mit zuziehullg
des hiesigen Hoff und Stadt Organisten Herrn
Carl Möller examiniret werden wird, in ohn-
gezweifelter Hoffnung, daß solche die erwünschte
Probe erhält, so soll diesem selbige künfstigen
Sonntag geliebts GOtt in öffentlicher ver
sa mmlunge vollkommen gespielet und inaugu-
riret werden. Man wünschet, daß so thanes,
zur Ehre GOttes .Hauptsächlich gereichendes
Merck der gantzell Gemeinde uird einem jeden
und ins besondere zur Auffmunterung ge
reichen möge."
Daß man zu einer Orgelabnahme Bach von
Leipzig kommen ließ, ist recht erstaunlich und
läßt einerseits auf die Güte des Orgelwerkes
schließen, andererseits muß der Ruf I. S.
Bach's schon ganz bedeutend gewesen sein. Es
besteht außerdem die Möglichkeit, daß der Land
graf Friedrich von 5)essen Bach schon bei einer
früheren Gelegenheit kennen gelernt und dann
sein Kommen zu dieser Orgelrevision veranlaßt
hat. Diese Vermutung stützt sich auf einen
Bericht des Kantors Constantin Bellermann,
eines Zeitgenossen Bachs, der in seinem Pro-
gramma .... 1743 über die berühmtesten
Musiker schreibt und auch einen Aufenthalt
Bachs in Kassel erwähllt. Es ist dies die ein
zige literarische Nachricht, die uns hierüber bis
heute bekannt ist. Sie ist in lateinischer Sprache
abgefaßt und in Spittas Bachbiographie Bd. I,
S. 801, wörtlich angeführt. Bellermann er
zählt, daß I. S. Bach gelegentlich einer Orgel
revision in Kassel vor dem Erbprinzen Fried
rich gespielt habe und diesen durch sein Pedal
spiel so in Entzücken versetzte, daß er einen
Ring vom Finger zog und ihn Bach verehrte.
Das Jahr dieser Begebenheit gibt Bellermann
nicht an, es ist aber wahrscheinlich, daß der
Aufenthalt 1732 nicht damit gemeint ist, weil