Full text: Hessenland (38.1926)

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die dies steinerne „Vogelschutzgehölz" bewohnenden 
Vögel, die ohne Scheu um und in die Hütte flogen, 
vor der ich rastend lag, während ein Bussard im 
Schein der Abendsonne hoch oben seine Kreise zog 
und ein bunter Wiedehopf von den Berghuten in 
den dämmerigen Hochwald flog, durch den das kräf 
tige Hämmern eines Schwarzspechtes hallte. 
Die sonst überall häufigen Feldlerchen vermißte 
ich im „Schwarzen Moor", wo es massenhaft Wiesen 
pieper gab. Nur an den Rändern des Gebirges und 
in den Tälern war die Haubenlerche zu finden. Ein 
sehr bemerkenswerter Brutvogel der Rhön ist die 
Wacholderdrossel, die ich in der Nordrhön, aber auch 
unweit der Milseburg nistend antraf. Erst vor nicht 
langer Zeit ist diese Art von Norden her nach 
Deutschland eingewandert und fehlt auch jetzt noch 
vielen Gegenden zur Brutzeit völlig. 1920 fand ich 
sie zur Fortpflanzungszeit auch bei Hönebach, später 
im mittleren Werratal und im Ringgau (nach an 
deren brütete sie vereinzelt im Vogelsberg und Tau 
nus). Ein wenig bekanntes Tier ist in der Rhön 
der Storch; als sich einmal einer vom Werratal 
(Vacha?) her nach Roßdorf verflog, wurde er von 
der Dorfjugend für eine „Schneegans" gehalten. 
Um den arbeitsfreien Sonntag auszunutzen, wan 
derte ich oft schon am Sonnabendmittag von Roß 
dorf weg, blieb die Nacht zum Sonntag bei den 
Heidelerchen und Nachtschwalben in Wald und Moor 
und kam erst in der Montagnacht zurück. Meist 
ging's über die „Hohe Rhön" und die Bergmoore 
nach dem Fuldagebiet, zu den hessischen Vögeln. Be 
sonders gern erinnere ich mich einer Wechselpollen 
Wanderung zur Milseburg; auf halber Höhe kam mir 
ein sehr heftiges Gewitter entgegen. Ich kehrte aber 
nicht um, sondern lief, die einzeln stehenden Fichten- 
und Laubbaumgruppen vorsichtig meidend, den Berg 
hinauf. Als ich nach etwa einer Viertelstunde oben 
anlangte, war ich völlig durchnäßt von Schweiß und 
Wasser vom Regen, Schnee und Hagel. Kurz vor 
mir war der Blitz in eine knorrige'Eiche geschlagen, 
das Krachen dieses Donners läßt sich nicht beschrei?- 
ben. Mit Kleinigkeiten schien sich das Gewitter nicht 
aufhalten zu wollen, gab da und dort einem uralten 
Baum einen Blitzdenkzettel, polterte ins Tal, keuchte 
und fauchte, prasselte und krachte über die nächste 
Höhe und die folgenden Bergzüge und schreckte 
Mensch und Tier im Werratal, während über der 
Milseburg schon wieder die Sonne vom blanken, 
blauen Himmel schien. Von dem Lauf bergan er 
schöpft, legte ich mich und meine völlig wasser 
gesättigten Sachen möglichst einzeln zum Trocknen 
auf den allmählich wieder warm werdenden Heide 
boden unterhalb, der Felsklippen zwischen ein paar 
junge Kiefern. Aus dem leichten Schlaf, in den mich 
eine Heidelerche hineingesungen hatte, weckten mich 
— ich weiß nicht, nach wie langer Zeit — die 
Worte eines Mädchens, das mit einer fast verzweifeli- 
ten Stimme rief: „Wenn ich nur wüßte, wieviel 
Grieß ich nehmen muß!" Ich beeilte mich, zunächst 
fertig aufzuwachen und mich in meine geographische 
und sonstige Lage zu finden, zog mich an und fand 
dann, nachdem ich das Kieferndickicht verlassen hatte, 
eine Schar wanderfroher Mädels. Als ich erfuhr, 
daß sie aus Kassel, also hessische Landsleute waren, 
schlug ich ihnen gern vor, ich wollte ihnen den 
Grießbrei kochen. Schließlich war man mit meinem 
Vorschlag einverstanden. Dann kochte ich (der Jung 
geselle!) den angehenden Hausfrauen einen erst 
klassigen Grießbrei, eine Kunst, auf die ich mich 
dank langjähriger Wanderpraxis gut verstehe. Natür 
lich mußte ich dann mitessen, und ich hab's gern 
getan, zumal der dazu (von dem Mädchen, dessen 
Ausruf mich weckte) gereichte Himbeersaft nicht in 
einer chemischen Fabrik, sondern in wirklichen hes 
sischen Waldhimbeeren gereift war; und dann ist für 
mich Grießbrei mit Saft dasselbe, was für ein 
Rotkehlchen ein Mehlwurm ist: ein Leibgericht. 
Mitten in unserer Unterhaltung riß ein gellender 
Vogelschrei unsere Blicke empor zu der grünumwal- 
deten felsigen Milseburg, wo ich in dem unerwarteten 
Rufer die geschmeidige, kraftvolle Gestalt eines 
Wanderfalken erkannte. Wie ein beschwingter Pfeil 
sauste er an den Schroffen, die wohl an unzugäng 
licher Stelle seinen Horst bargen, her; ich zeigte 
meinen Gefährtinnen den seltenen Vogelrecken, den 
Falco peregrinus, der ja auch ein „Wander"-Vogel 
ist. Dieser Wanderfalk brachte das Gespräch auf 
das Gebiet der heimischen Natur, von der ich da oben 
auf der Bergmatte einer aufmerksamen Zuhörer 
schaft noch mancherlei erzählte. Als Honorar für 
meine Grießkochkunst erbat ich mir von den vier 
zehnjährigen Mädels dann noch ein paar hessische 
Volkslieder, die gern gewährt wurden. Als sich nach 
dem Abschied unsere Wege west- und ostwärts trenn 
ten, klangen die Berge der Rhön wieder vom 
jugendfrohen Sang, und der Wanderfalke setzte seinen 
selbstbewußten Schrei als Ausrufungszeichen hinter 
den letzten Vers, der an mein Ohr drang: 
„Ich kann es nimmermehr vergessen, 
Das teure Land der blinden Reffen!!!" 
Kraut und Rüben. 
Erinnerungen eines Marburger Teutonen aus den Jahren 1865—186?. Von Ph. Braun. 
(Fortsetzung.) 
Seitdem 1866 Marburg aufhörte, kurhessische Neuankömmlingen — aber auch mancher aufgeblasene 
Landesuniversität zu sein und viele Zuhörer von den Mensch, der da glaubte, er müsse den Hessen die rich- 
altpreußischen Hochschulen nach Marburg strömten, tige Art zeigen. Vielfach zeigte sich die alberne Auf 
wurde alles vornehmer, kostspieliger, aber nicht ge- geblasenheit dieser Jünglinge darin, daß sie sich nicht 
mütlicher. Mancher liebe Geselle war unter den selber die Haare kämmten, sondern jeden Morgen
	        
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