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Etwa 8 bis 14 Tagen* vor Bechstadts Tod
fand eine ähnliche Empfehlung statt, die für
die Beurtheilung des Falles von großer Er
heblichkeit ist. Als nemlich Bechstädt Sr. 5)o-
heit dem Kurprinzen ein Pensions-Gesuch eines
fremden verabschiedeten Bedienten überbringt,
ergreift er diese Gelegenheit, um Se. Hoheit
den Kurprinzen darum zu bitten, nach seinem
Tode doch bestens für seine Frau und Kinder
zu sorgen. Dieses .Gesuch wurde von Bechstädt
so dringend und sonderbar vorgetragen, daß
Se. Hoheit gleich damals diesen Vorgang selt
sam und befremdlich gefunden.
Es scheint aber auch, daß selbst der Ort und
die Zeit der Vergiftung mit dem Zwecke jener
Empfehlung im genauesten Zusammenhange
gestanden habe. Denn abgesehen davoll, daß
eine, im rauschenden Getümmel mehrerer hun
dert maskirten Personell begangene Selbst
vergiftung liicht leicht auszumitteln stand; so
befand sich auch Bechstädt zur Zeit seiner Ver
giftung im wirklichen Dienste seines höchsten
Herrn und um so mehr durste er von Höchst-
dessen Großmuth und Menschenliebe eine Ver
sorgung seiner zurückgelassenen Familie mit
Zuversicht erwarten.
Für die hier ausgesprochene Ansicht der Sache
sprechen aber auch noch mehrere andere Gründe.
Zuförderst nemlich muß man aus der außer
ordentlich großen Masse des bey Bechstädt ge
fundenen Giftes nach den Regeln der gericht
lichen Arzneiwissenschaft auf eine Selbstver
giftung schließen; und weiln gleich nicht ans
gemittelt werden können, ob derselbe im Besitze
voll Gift gewesen; so ist es doch einem, all sich
unverdächtigen Mcnscheil durchaus nicht schwer,
sich unter diesem oder jenem Vorwände Gift
zu verschaffen. Überdcm konnte Bechstädt sich
dieses Gift schon vor Jahren, vielleicht im
Auslande, allgeschafft haben.
Daß sodann Bechstädt das Gift nicht in dem
einzigen Glase Grog, welches er aus dem Balle
getrunken haben will, zu sich genommen habe,
ist zwar schon oben dargethan worden; alleill
es verdient hier noch weiter bemerkt zu werden:
daß an dem Gelde, welches er mit auf den
Maskenball genommen 4 oder 6gg: bei seiner
Zuhausekunft gefehlt haben und daß er so mit
eine Ausgabe gemacht hat, die er, gegen seine
sonstige Gewohnheit, feiner Ehefrau ver
schwiegen.
Vorzüglich aber ist es die eigne Erzählung
und das eigne Benehmen des Bechstädt, welches
für einen begangeneil Selbstmord spricht.
* sie!
Nimmt man nemlich für einen Augenblick
an, daß sich der Vorgang auf dem Masken
balle wirklich so ereignet habe, wie ihn Bech-
stüdt dem Leibchirurgus Bänniler erzählt hat;
so läßt sich das nachfolgende Betragen des
Bechstädt auf eine vernünftige Weise überall
lücht erklären. Denn wenn einem, ilur einiger
maßen vernünftigen Menschen voll einem Un-
bekanllten ohne allen denkbaren Grund ein
Getränke gereicht wird, nach dessen Genuß er
sogleich elend wird, S ch m e r z e n empfin
det und sich erbrechen muß; wenn eben
dieser Mensch den Gedanken fassen kann, daß
er mit Rattenpulver vergiftet worden sey;
so mußte er, in Folge des mächtigen, allen
vernünftigen Geschöpfen einwohnenden Triebes
der Selbsterhaltullg, alle und jede Mittel augen
blicklich zur Hülfe nehmen, die ihm zu seiner
Rettung dienlich erscheinen mochten.
Das Mittel, welches unter solchen Umständen
einen* jeden Menschen am nächsten liegt, ist
die sofortige Mittheilung des Vorganges an
andere Anwesende und die Bitte um Beystand
und Hülfe.
Statt alles dessen schleicht Bechstädt unter
Schmerzen still und unbemerkt vom Masken
ball hinweg, und statt da er zu hause kommt,
seiner Ehefrau sogleich dasjenige mitzutheilen,
was er fünf Stunden später, da ihn: der Tod
schon nahe stand, dem Leibchirurgus Bäumler
erzählte, unterhält er diese mit Kranken
geschichten, die nicht dazu geeignet waren, eine
ernsthafte Besorgniß zu erregen. Zuerst sind
es Magenschmerzen, die er empfindet, dann
hat er sich durch das Erbrechen Schaden im
Magen gethan und endlich ist es nur Ver-
kültung, die sich aus den Magen geworfen.
Auf die Frage: was er aus dem Ball getrunken
habe, gibt er seiner Frau eine ausweichende
Antwort, und nachdem er unter den furcht
barsten Schmerzen verschiedentlich versichert:
daß ihm der genossene Thee geholfen zu haben
scheine und daß es sich nun nach und nach
wieder geben werde, redet er sie nach Stunden
langem Zaudern mit den Worten an: Gretgen!
wie sehe ich aus? ich glaube ich muß
sterben! Allein auch jetzt noch erwähnt er
nichts, von Grog, Maske und Gift, wie es
später gegen den Leibchirurgus Bäumler ge
schehen.
So, wie hier erwähnt, handelt nur ein
Mensch, der absichtlich und mit dem festesten
Willen den Tod sucht; und wenn die geführte
* sie!