hundertjährigen Staat! Es ist die Sterbestunde
des kurhessischen Staates. Sein Licht ist er
loschen. Kurhessen hat aufgehört zu bestehen.
Gar schnell eilt ein kurzes Telegramm — die
Todesanzeige vom kurhessischen Staate — von
Berlin hin zum Könige von Preußen. Eine
Pause ist eingetreten beim fröhlichen Jagen;
man befindet sich gerade bei dem Frühstück.
In langen Reihen liegt das erlegte Wild, viele
stolze Recken des Waldes mit stattlichen Ge
weihen, getroffen von dem tödlichen Blei. Heiter
ist die Stimmung; denn hold war Diana den
Jägern. Man schaudert von diesem, man redet
von jenem, was'man am Vormittag erlebt hat.
Da eilt ein Kurier heran und überbringt dem
König ein Telegramm. Ernst wird sein Blick;
und ernst klingt seine Stimme, als er zu seiner
Umgebung sagt: „Das Telegramm, das ich
eben erhalte, wird Sie interessieren: ,Soeben
ist Kurhessen annektiert, v. Bismarck?" Dann
übergibt der König das Telegramm dem einen
der drei anwesenden Oberförster, Witte von
Groß-Schönebeck, mit den Worten: „Vielleicht
Thurnhosbach.
Tkaturschuh in Städten.
Der hessische Ornithologe Dr. Otto Schnurre
trat vor zwei Jahren in einer Tageszeitung
von Frankfurt am Main für die Erhaltung des
dortigen Ostparks als Naturfreistätte ein und
fand mit seinen Vorschlägen bei den städtischen
Behörden volles Verständnis. Ter durch seine
mannigfaltigen Landschafts- und Vegetations
formen sich vor den üblichen städtischen An
lagen vorteilhaft auszeichnende Ostpark weist
neben großen Rasenflächen, Baum- und Ge
büschgruppen auch eine kleine Steppe, sonnige
Hügel und einen verlandenden Teich mit einer
unzugänglichen Insel und einem echten Schilf
sumpf auf. Naturgemäß ist das Tierleben hier
besonders reich. Vor allem verdient die Vogel
welt Beachtung, finden wir doch hier neben
Stockenten, Bläß- und Teichhühnern sowie den
niedlichen Zwergtauchern drei Rohrsänger-
Arten: den Teichrohrsänger, die Rohrdrossel
und den sonst in Hessen seltenen Schilfsänger.
Tie Umwandlung des Parks in eine Stätte
des Naturschutzes dachte sich unser Landsmann
Schnurre nicht etwa in der Weise, daß man
das ganze Gebiet in ein „Vogelschutzgehölz"
(nach Berlepschschem Muster) verwandelte, nein,
alles Vorhandene sollte in geschickter Weise be
nutzt werden. Die Gartenverwaltung Frank
hat das Telegramm später einmal Wert für
Sie. Ich ma'che es Ihnen zum Geschenk." —
1898 stand ich vor dem kurzgefaßten und
doch so viel sagenden Telegramm. Meine Haus
lehrerstelle in der Neumark ging zu Ende.
Meine Schüler waren für das Gymnasium an
meldet. Die Heimreise führte mich über Pots
dam, woselbst ich, der freundlichen Einladung
von Forstmeister v. d. Witte folgend, einige
Tage blieb, um die Sehenswürdigkeiten von
Potsdam und seiner schönen Umgebung zu ge
nießen. Von allen Sehenswürdigkeiten inter
essierte mich am meisten das kurze, vielsagende
Telegramm in seinem schlichten Rahmen über
dem Sofa. Schweigend stand ich davor. Wie
sollte ich reden, wo die Weltgeschichte so er
schütternd, so unbarmherzig redet! Und doch
ist es der Gang der Weltgeschichte, daß Staaten
gehen und Staaten kommen. Ja, die Welt
geschichte ist das Weltgericht. Kurhessen ist
vergangen; aber Hessenland bleibt; und des
Hessen Liebe zu seiner Heimat wird nicht ver
gehen, solange eines Hessen Herz noch schlägt.
Rausch.
Bon W. Sunkel.
furts ist nach Schnurres Anregungen ver
fahren, wie überhaupt auf dem Gebiete des
Naturschutzes Frankfurt in vieler Hinsicht als
vorbildlich gelten muß. Arbeiten von bisher
rein gärtnerischer Natur werden nunmehr auch
mit Berücksichtigung ihrer Wirkung auf die
Tierwelt ausgeführt. Das Schneiden der Ge
büsche und des Schilfes unterbleibt zur Brut
zeit. Diese Maßnahme ermöglichte der seltenen
Zwergrohrdommel in den letzten Jahren meh
rere erfolgreiche Bruten. Ein Teil der Wiesen
bleibt ungemäht, damit die Vögel an den hier
reifenden Grassamen im Winter sich laben
können. Auch eine sachgemäße Ansiedlung von
bisher dort nicht ansässigen deutschen Tieren
empfiehlt der genannte Forscher. Es kommen
dafür in Betracht: Zauneidechsen, Laubfrosch,
Kröten, Unken, Nattern, Igel, Wasserspitzmaus,
Haselmaus, Wiesel, Hermelin u. a.
Schneller und gründlicher, als wir von an
deren Behörden es gewohnt sind, hat die
Gartenverwaltung der alten Kaiserstadt am
Main die Naturschutzanregungen Schnurres
aufgegriffen und verwirklicht. Dafür gebührt
ihr der Dank der Natur- und Heimatfreunde.
Und auch in diesem Fall sieht man mal wieder,
daß es letzten Endes auch beim Naturschutz auf