Full text: Hessenland (37.1925)

Al 
nähere Untersuchung ergab: daß deren fünfe 
ausgegeben seyen. Es wurde ansgemittelt, wer 
diesen Grog erhalten hatte, daß er in Ge 
meinschaft mehrerer Personen ausgetrunken 
sey, daß Bechstädt, den ohnehin Niemand ge 
sehen, am Genüße desselben keinen Theil ge 
habt, und daß alle Personen, die ihn getrun 
ken, mit Bechstädt in keiner Verbindung ge 
standen und sämmtlich unverdächtig gewesen. 
Hiernach waren also gar keine Anzeigen 
eines, an dem pp. Bechstädt begangenen Gift 
mordes vorhanden und selbst die eigenen An 
gaben desselben waren durch die Untersuchung 
theils widerlegt, theils höchst unwahrscheinlich 
geworden. 
Indeß lag die Thatsache, daß Bechstädt durch 
Gift um das Leben gekommen sey, klar vor 
Augen, und da sich dieselbe so wenig durch 
einen unglücklichen Zufall, als durch einen 
Giftmord, wie solcher angegeben war, erklären 
ließ; so mußte der dritte, oben unterstellte 
Fall, daß nemlich Bechstädt sich selbst durch 
Gift das Leben genommen habe, zur 
näheren Untersuchung gezogen werden. 
Dafür, daß ein Selbstmord begangen 
worden, sprach schon der Umstand, daß gar 
keine Anzeigen vorhanden waren, aus denen 
der Zusammenhang der Sache auf eine andere 
Weise erklärt werden konnte; daß pp. Bechstädt 
durch die Unrichtigkeit und Unwahrscheinlichkeit 
seiner Erzählung, seine eigene Glaubwürdigkeit 
untergraben, und daß überdem nach bekann 
ten Erfahrungen die Selbstmorde sehr häufig 
vorkommen, während das Verbrechen des Gift 
mordes an dritten Personen zu den aller 
seltensten Verbrechen gehört. 
Indessen kam es bey diesem Theile der 
Untersuchung wesentlich darauf an: ob Bech- 
Die Lawine. 
Buckelsack, der Feldhüter, hatte drei Man 
deln der schönsten Äpfel von des Pfarrers 
Goldrenettenbaum abgenommen. Gerade fuhr 
die Mondsichel unter einer Wolke hervor und 
warf einen schmalen Lichtstreifen über die Land 
schaft. Vom Dorfkirchturm schlug die zweite 
Stunde nach Mitternacht. Buckelsack trug den 
Handkorb mit seiner Äpfelbeute nach der alten 
dicken Weide am Wassergraben. Wenn Trubbe, 
der Teichivärter, heute die gestohlenen Fische 
zu Markte trug, so nahm er den Korb mit, 
Beides prangte dann morgen auf des Land- 
städt nach seiner ganzen Persönlichkeit fähig 
war, ein solches Verbrechen zu begehen, und 
ob etwa irgend ein wichtiges Ereigniß statt 
gefunden habe, welches zu einem solchen Ent 
schlüße hätte hintreiben können? 
In Hinsicht auf Moralität sprachen alle 
Zeugnisse zu des Verstorbenen Gunsten. Keines 
Lasters, keiner sträflichen Neigung konnte er 
bezüchtigt werden; vielmehr hatte er, soweit 
man von seinem ganzen Leben Auskunft er 
langt, alle seine Pflichten gegen seine Eltern 
und Geschwister, wie gegen seine Ehefrau und 
Kinder mit Treue und Gewissenhaftigkeit er 
füllt. Mit seinen letzten Dienstverhältnissen 
hatte er sich sehr zufrieden erklärt; und sein 
Alter von 40 Jahren ließ auf keinen Lebens 
überdruß schließen. Überdem feßelten ihn eine 
geliebte Frau und sieben unmündige Kinder 
mit den stärksten Banden der Natur an dieses 
Leben. Endlich hatten auch mehrere glaub 
würdige Personen bezeugt, daß Bechstädt von 
einem ganz munteren Temperament gewesen, 
und daß sie keine Spur von Melancholie an 
ihm wahrgenommen hätten. 
Allein diejenigen Personen, welche dem Ver 
storbenen das letzterwähnte Zeugniß gegeben, 
hatten ihn meistens nur im Dienste, nic£)t aber 
in seinem zwanglosen Privatleben, nicht in 
solchen Verhältnissen gekannt, in denen sich 
der Mensch ohne Rückhalt gibt, wie er ist. 
Andere Zeugen dagegen, die den Bechstädt von 
seiner früheren Jugend an genauer gekannt, 
oder ihn bei wichtigeren Vorgängen seines 
Lebens näher zu beobachten vermocht, setzen es 
außer allen Zweifel, daß derselbe seit langen 
Jahren, wenigstens periodisch, an Gemüths 
krankheit gelitten habe, und daß er eben aus 
diesem Grunde der Tat wohl fähig gewesen sey. 
(Schluß folgt.) 
Von Lotte Gubalke. 
rats Tafel. Das war'der Hauptwitz bei dieser 
Geschichte, daß alle Welt so leicht zu betrügen 
ist. Wie oft haben der Feldhüter und der Teich 
wart schon darüber gelacht! 
Buckelsack stellte sich dicht neben die Weide. 
Niemand konnte die zwei voneinander unter 
scheiden: den halbmorschen Weidenstumpf und 
den Feldhüter in seinem grauen Mantel. Er 
hatte Schritte gehört, und Stimmen schallten 
durch die Nacht. Wer konnte da sein? Von 
links her kam der schrille Ton der Dampfpfeife. 
Der Güterzug kroch schnaubend am jenseitigen
	        
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