44
ihm das einstimmige Zeugniß, daß er ein
friedliebender Mensch gewesen, der Niemand
beleidigt und zu keiner Zeit Zank und Streit,
oder irgend einen Feind gehabt.
In einen Streit, der auf dem ersten Masken
balle zwischen einigen hiesigen Einwohnern
und verschiedenen Göttingen'schen Studenten
stattgefunden, war Bechstädt, der bey diesem
Vorfalle zugegen war, auf keine Weise ver
flochten gewesen. Überdem waren die damals
zugefügten Beleidigungen ziemlich leicht hin
genommen worden und die Fremden, denen
sie zugefügt waren, hatten den zweiten Masken
ball nicht wieder besucht und waren am Tage
des Balles nicht einmal in Cassel anwesend
gewesen.
Bey dem geringen Stoff, den die Unter
suchung in der bezeichneten Hinsicht darbot,
versuchte man es, zu diesem Stoff durch eine
nähere Ausmittelung der Personen zu ge
langen, welche dem Maskenballe beigewohnt
hatten. Von Seiten der Policey waren dieser-
halb schon die erforderlichen Vorschritte ge
schehen, und ebenso waren auch, zum Behufe
einer nöthig scheinenden Controlle, alle Per
sonen, welche Maskeu-Anzüge ausleihen, zur
Einreichung von Verzeichnissen aufgefordert
worden, aus denen sich ergab, an wen sie
solche verliehen. Unter 266 Personen, die den
Maskenball besucht, war auch nicht Einer, den
man mit der That in einige Verbindung
bringen konnte; und selbst bei einigen Vor
gängen, wo sich Auffallendes oder Bedenkliches,
wie etwa im Mißbrauchen der Maskenfrei
heit gezeigt, wurde jeglicher Verdacht durch
die nähere Untersuchung gehoben. Um für
den Fall eines entstehenden Verdachtes gegen
irgend eine Person, sich schleunigst die nöthigen
Beweismittel zu sichern, und um selbst eine
neue Quelle der Vermuthungen zu eröffnen,
hatte man in allen Apotheken im Bezirke des
hiesigen Obergerichts, wie in den benachbarten
Ländern, so weit es nur ratsam schien, Unter
suchungen darüber anstellen lassen, wer seit
Jahresfrist Gift aus denselben erhalten. Man
hatte ferner von der hiesigen Policey Nachricht
darüber eingezogen, welche Fremden zur Zeit
des Balles und kurz vorher sich dahier in
öffentlichen und privat Häusern aufgehalten
hatten. Und damit auch die entfernteste Ver
muthung eine Berücksichtigung fände, ging
man die Listen derjenigen durch, welche sich
seit dem Isten Juli vorigen Jahres bis einige
Zeit nach dem Ableben des Bechstädt um .Hof
lakaienstellen beworben hatten. Alle diese Listen
und Nachweißungen wurden mit dem Ver
zeichnisse der auf dem Balle anwesend ge
wesenen Personen verglichen, um durch Com
binationen aller Art zu irgend einer leitenden
Vermuthung zu gelangen, aber alle desfall-
sigen Bemühungen waren vergebens. Ins
besondere ergab sich in Ansehung der auf
dem Balle gewesenen Fremden, daß keiner
derselben einen solchen Masken-Anzug getra-
tragen, wie ihn Bechstädt beschrieben, und
überdem konnte auch ein solcher nicht leicht
wissen, daß Bechstädt auf dem Balle erscheinen
werde.
Bey einem solchen Mangel aller, auch der
entferntesten Anzeigen, glaubte man einen
andern Fall der Möglichkeit eben-
wohl berücksichtigen zu müssen, daß nemlich
der Gifttrank vielleicht einem Anderen, als
dem Bechstädt habe gereicht werden sollen und
daß dieser nur ein Opfer des Irrthums ge
worden sey.
Schon im Allgemeinen stand dieser Ver
muthung entgegen, daß ein Giftmörder, der
nur, im Zutrauen auf eigne Schlauheit und
Vorsicht, ein solches Verbrechen unternimmt,
mit einer so ungewöhnlichen Einfalt und
Plumpheit handeln wird, daß er, statt sein
Schlachtopfer durch sichere Merkmale fest in
das Auge zu fassen, den Giftbecher der ersten
besten Maske im schwarzen Domino, deren
doch so viele anwesend waren, hinreichen sollte.
Es war sodann die ganze Idee: daß ir
gend Jemand einer unbekannten Maske ein
Glas Grog — und also ein an sich nur wenig
beliebtes Getränke sofort abnehmen und aus
trinken werde, so abenteuerlich seltsam, daß
ein Mensch, der in den geselligen Formen des
Lebens nicht gänzlich fremd ist, daraus einen
Mordanschlag überall nicht gründen konnte.
Aber noch größer mußte der Unverstand
und Mangel jeglicher Besinnung bey einem
solchen Verbrecher erscheinen, wenn er nach
erkanntem Irrthume in der Person, dennoch
den dargebotenen Gifttrank nicht zurückzieht
oder mit dem Glase vernichtet. Daß er aber
einen solchen Irrthum zeitig wahrnehmen
müssen, solches gehet daraus unwiderleglich
hervor, daß der pp. Bechstädt, weil seine Maske
eine ganze und in der Mundöfnung sehr enge
geschlossen war, dieselbe ablegen mußte, wenn
er, wie er angeblich gethan, das Glas Grog
austrinken wollte.
Wenn es hiernach einem Jeden auffallen
mußte, wie ein Verbrecher, der seine Person
und jede zur Entdeckung führende Spur so