Full text: Hessenland (37.1925)

von Würzburg über Fulda nach Kassel, Im allgemeinen sei aber die Lebensart in Kas- 
ivo sie „in: .Hos Don England sehr wohl lo- fei sehr gezwungen, weil die Einwohner des 
girten". Sie trafen hier eitlen jungen Grafen Hofes wegett sich in „ziemlich eingeschränkter 
von Finckenstein, blieben dort bis zum 27. Juni Freiheit zu leben gefallen lassen müßten", 
uttd hatten somit vollauf Zeit, alles sich anzu- Am 27. reiften sie über Münden, wo sie 
sehetl. Wilhelms ho he fanden sie „präch- „eitle harte Unterredung mit dem dasigen Post- 
tig" und die Grotte int Garten „merkwürdig", meister hatten", nach Göttingen weiter. 
(Schluß folgt.) 
Geheimrat Dr. Karl Herrschet f 
Lln: 11. Dezember verschied zu Kassel nach 
einem schweren Leiden im besten Mannesalter, 
erst 51 Jahre alt, einer der größten deutschen 
Industriellen, der Inhaber des größten ge 
werblichen Unternehmens in Hessen, Geheimer 
Kommerzienrat Dr.-Ing. h. c. Karl Hen - 
schel. Er gehörte einer schon im 14. Jahr 
hundert nachweisbaren Glocken- und Stück 
gießerfamilie an. Sein Ur- 
urgroßvater Karl Henschel 
war 1777 voll Gießen nach 
Kassel übergesiedelt, lvo er 
das Privileg für das 
Niederfürstentum Hessen zur 
Herstellung von Kanottelt, 
Glocken uttd Feuerspritzen 
nnb bald darauf auch die 
Fürstliche Stückgießerei über 
tragen erhielt. 1796 er 
baute er in Kassel das erste 
Bleiwalzwerk in Deutsch 
land. Nach den Freiheits 
kriegen wandte sich die 
Firma vor allem dem Ma 
schinenbau und dann auch 
deut Bau schwerer Werk- 
zeugmaschinen zu; erst später 
trat der Lokomotivbau in 
ben Vordergrund. Ihren 
eigentlichen Aufschwung ans 
bescheidenen Anfängen nahm 
die Fabrik unter Oskar Henschel, der 1894 
aus dem Leben schied. Nun ging die Verwal 
tung des Erbes auf seine Witwe Sophie .Hen 
schel über, 1896 trat dann Karl Henschel nach 
Beendigung seiner Studien in die Verwaltung 
ein und wurde 1900 Teilhaber der Firma. 
Unter ihm vollzog sich iit den nächsten Jahren 
eine völlige Neugestaltung des alten Werkes 
und der Erwerb eines eigenen Hüttetlwerkes an 
der Ruhr. Nach dem Weltkrieg, der eine Um 
stellung des Unternehmens auf den Bau von 
Geschützen und die Herstellung von Munition 
veranlaßt hatte, wurde eine abermalige Um 
stellung auf den Lokomotivbau erforderlich. 
Karl Henschels Hauptwerk war dann die Schaf 
fung des Henschelkonzerns, der heute alle 
Produktionsstufen vom Rohmaterial bis zum 
Fertigfabrikat umfaßt. Das Kasseler Werk be 
schäftigt heute noch 5000, die Henrichshütte bei 
Hattingen ungefähr eben- 
soviele Arbeiter und An 
gestellte. So hat Karl Hen 
schel das ihm überkommene 
Erbe als einen der größten 
industriellen Betriebe der 
alten Welt seinem ältesten 
Sohn Oskar Henschel hin 
terlassen. Das frühe Ab 
scheiden Karl Henschels, der 
lange Jahre sowohl der 
Handelskammer wie dem 
Stadtparlament angehörte, 
hat eine tiefe Wunde hinter 
lassen. Es war ihm zeit 
seines Lebens selbstverständ 
liche Ehrenpflicht, Gutes zu 
tut:, lvo immer er darum 
angegangen wurde. Abge 
sehen von den vorbildlichen 
Wohlfahrtseinrichtungen 
seines eigenen Werkes war 
er ein tatkräftiger Förderer 
der Bildungs- und Wohlfahrtsbestrebungen der 
werktätigen Bevölkerung. Es geht im Rahmen 
dieser Zeilen nicht all, seine zahlreichen Stif 
tungen all die Stadt Kassel und ihre gemein 
nützigen Verbällde auszuzählen. In welchem 
Umfange er daneben den Armen und Be 
drängten beistand, lvird wohl nie bekannt 
ioerden, und es würde auch dem bescheidenen 
Sinn dieses schlichten Mannes nicht entsprechen. 
Aber die Dankbarkeit vieler wird seinen Tod 
überdauern. 
Geheimer Kommerzienrat Dr. Karl Henschel
	        
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