395
Hohentwiel keinen Feind vor seinen Wällen.
Dafür entfaltete Widerholt in Verbindung mit
Erlach wieder eine rege Tätigkeit; war man
bei den Streifzügen auch nicht immer glücklich,
so konnte man doch mit dem Gesamtergebnis
zufrieden sein. Als aber gegen Ende des
Jahres 1643 das Glück den Kaiserlichen noch
einmal lächelte, indem sie den Franzosen bei
Tuttlingen eine entscheidende Niederlage bei
brachten, versuchten sie es bei dem Komman
danten von Hohentwiel mit erneuten Vorstel
lungen. Da Widerholt indessen jeglichem An
sinnen seine Forderung der vollständigen Re
stitution seines herzoglichen Herrn entgegen
stellte, so zerschlugen sich auch diese Verhand
lungen, und die Feindseligkeiten begannen im
April 1644 aufs neue mit der Berennung der
Feste, der nach Monatsfrist die fünfte Belage
rung durch den bayrischen Feldmarschall von
Mercy, den Sieger von Tuttlingen, folgte.
Diese Belagerung hatte mehr den Zweck, die
wieder angeknüpften Verhandlungen in Fluß,
als die Festung zur Übergabe zu bringen.
Diesmal kam man in der Tat zu einem Ver
gleich, nach dem Widerholt die Festung an
seinen Herzog übergeben sollte; da aber die
Bestätigung durch den Kaiser und den Kur
fürsten von Bayern nicht erfolgte, so blieb
alles beim alten. Der plötzliche Umschwung des
Glückes, durch Mercys Niederlage im Breis
gau eingeleitet, hob auch diese in ihrem Ver
laufe recht harmlose Belagerung im August
1644 auf. Für den Obersten Widerholt war
dies das Zeichen, seine Plünderungszüge wieder
aufzunehmen; vorsichtig, wie er stets war,
machte er sich auf neue Angriffe gefaßt. Dies
mal hätte es dessen allerdings nicht mehr be
durft. Denn seit dem Jahre 1644 saßen be
reits in den westfälischen Bischofsstädten
Münster und Osnabrück die Gesandten der
kriegführenden Mächte beisammen, um der
kampfesmüden Welt, vorab den armen zer
tretenen deutschen Landen, den Frieden zu
geben. Nur langsam gedieh das schwierige Werk;
oft genug schien es den Herren wichtiger, über
Titel- und Rangfragen zu diskutieren, ob
man ans roten oder grünen Sesseln sitzen
solle, und dergleichen; aber der Wunsch der
Franzosen, ihren Raub in Sicherheit zu
bringen, nicht minder der der glücklichen Feld
herrn, nun endlich den Lohn für ihre Dienste
einzuheimsen, und die Unfähigkeit der deut
schen Lande, noch länger die Kosten des blu
tigen Krieges zu bestreiten, ohne völlig zu
sammen zu brechen, trugen dazu bei, .das
Friedenswerk endlich zum Abschluß zu bringen.
Widerhalls Aufgabe war damit freilich noch
nicht gelöst. Am 3. Mai 1645 hatte er sich
auch dem neuen Könige von Frankreich gegen
über, dem Knaben Ludwig XIV., von dem die
Welt damals so gar nichts sich versah, ver
pflichtet. Diese Verbindung ermöglichte es ihm,
die drohende, von Österreich in den Friedens
verhandlungen verlangte Zerstörung von seiner
geliebten Feste, mit der er bereits 14 lange
Jahre in Freud und Leid verbunden war, ab
zuwenden. Dann aber galt es, jene unnatür
liche Verbindung mit dem welschen Nachbar,
zu der die Not ihn gedrängt, zu lösen: erst
am 22. Juni 1650 willigte Frankreich förm
lich in die Rückgabe der Festung, und der Her
zog übernahm sie am 10. des folgenden Mo
nats. Tags darauf wurde der Vetter Konrads,
Johann Georg voir Widerholt, als neuer Kom
mandant in Pflicht genommen. Im August
verließ Konrad die Feste, deren Ruhm mit
dem seinen unzertrennlich verbunden ist; ihn
begleitete das Bewußtsein, nicht bloß seinem
Herrn diese Feste aus heißen Kämpfen errettet,
sondern auch dadurch zur völligen Wiederher
stellung des Württembergischen Staates ganz
erheblich beigetragen zu haben.
Auch der Dank seines Herrn, des Herzogs
Eberhard III., folgte ihm in die Jahre des
Friedens, deren ihm noch 17 vergönnt waren.
Schon im Friedensjahre hatte ihm sein Herr
die Herrschaft Neidlingen zu Lehen gegeben;
nunmehr übertrug er ihm das Amt eines Ober
vogts zu Kirchheim unter Teck, einem Städtchen,
das in unmittelbarer Nähe jener Herrschaft
lag, so daß es dem Helden möglich war, seinem
Fürsten aufs gewissenhafteste zu dienen, ohne
darüber seine eigenen Belange zu vernach
lässigen. Das herzliche Verhältnis zwischen
beiden Männern blieb ungetrübt bis zum Tode
Widerholts. Dafür spricht vornehmlich, daß
Konrad in seinem Testamente seinem Landes
herrn den sogenannten Bau auf dem Walle
am östlichen Ende der Stadt Kirchheim, den er
im Jahre 1653 erworben hatte, vermachte;
von diesem Bau aus soll der Tradition zu
folge die Frau Obervogtin, eine sehr ehren-
veste, gestrenge Frau, die Mägde, wenn sie
diese erst nach 5 Uhr des Morgens auf den
Acker gehen sah, gar weidlich über ihre Träg
heit gescholten haben. Unserm Helden waren
eigene Leibeserben versagt; seine Vettern —
von einem von ihnen, Reinhard, stammen
die heutigen Württembergischen Freiherrn
von Wiederhold ab — hatten das reiche Erbe