Full text: Hessenland (37.1925)

Damit sind wir in dem Teile der Kirche, der 
der zweiten Bauzeit entspricht. Er reicht bis 
zum Ende des fünften Fensters. Soweit ist 
die Nordwand des Langhauses durch die dop 
pelte Fensterreihe gewissermaßen zweigeschossig. 
Die Partie von dem fünften unteren Fenster 
bis zum Ende der Kirche (Westfront) ist wieder 
eingeschossig, sie hat nur oben Fenster. Sie 
wurde 1328 vollendet. Die ganze Südwand 
des Langhauses ist eingeschossig, sie hat nur 
oben Fenster. 
Allenthalben sehen wir hier die Konsolen der 
Dienste (Stützsäulen des Gewölbes) in schönster 
Weise verziert durch Blätter, an der Nordwand, 
soweit sie zweigeschossig, auch durch Widder und 
Hunde. Rechts vor dem Lettner ist ein Ver 
schlag an der Wand. Er vertritt die Stelle der 
Sakristei für den evangelischen Geistlichen und 
ist aus neuerer Zeit. 
Wir gehen nun im nördlichen Seitenschiff 
durch den Lettner und kommen in die Kon- 
versenkirche. Besonders gut sehen wir von 
hier aus die Mutter Gottes und das Lamm 
Gottes als Schlußsteine oben am Gewölbe. 
Unter jedem der Fenster der doppelgeschossigen 
Nordwand waren Altäre. Es sind da auch 
Nischen vorhanden, wohl zum Aufstellen von 
Figuren (Stationen?). Im ganzen hatte die 
Kirche nach Angabe Letzners (Kurtze, Einfältige 
und Ordentliche Beschreibung des Klosters und 
Hospitals zu Haina in Hessen. 1588) 28 Al 
täre. 
In den: Westteile der Kirche fallen eigen 
artige Konsolenverziernngen und Kapitäle auf. 
Häufig sind als Verzierung angebracht Phan 
tasiegeschöpfe: halb Molch, halb Vogel, halb 
Mensch, halb Ochse oder Gesichter von Men 
schen, wohl Baumeister der Kirche, oder Ge 
sichter von Tieren, an der Südwest- und Süd 
wand (Löwe, Affe, Satyr), Teufelchen, Fleder 
maus und dergl. ' 
In der Mitte des Mittelschiffes, zugewandt 
dein Marienportal, dem Kircheneingang für 
das Volk, sehen wir zunächst die große Orgel. 
Sie ist in gotischem Stile von Ungewitter 
zwischen 1850 und 1860 erbaut. Sie zeigt 
vorne vier Bilder von Personen, die mit der 
Kirchenmusik zu tun hatten. Da ist links der 
Bischof Ambrosius von Mailand (374), von 
dem der ambrosianische Lobgesang stammt. 
Dann die heilige Cäcilie, die Heilige aller 
Kirchenmusik. Rechts David, der König, mit 
der Leier, und aus dem alten Testament Juval, 
Vater der Sänger, mit einer Flöte beschäftigt. 
Nach Letzner hatten die Mönche eine große, 
schöne Orgel, die aber 1588 schon nicht mehr 
vorhanden war. 
Uber der Orgel sieht man das schon einmal 
erwähnte Prunkfenster. Unten, von Ungewitter 
entworfen, der erste Stifter Boppo von Reichen- 
bach-Ziegenhain (1140, Aulesburg) und feine 
Gemahlin Gräfin Bertha. Der Fensterteil dar 
über ist aus der Mönchszeit. Oben in der Mitte 
des Fensters ist ein Glasbild Christus am 
Kreuze, mit Figuren darunter. Unten rechts 
ist der Vogel Pelikan, stehend über seinem Neste 
mit den Jungen und sich Blut aus dem Herzen 
mit dem Schnabel holend, um seine Jungen zu 
ernähren, in der Mitte ein Lamnl Gottes, links 
ein Untier, halb Löwe, halb Tiger. 
Links von der Orgel am Ende der Südwand 
des Langhauses ist eine spitzbogige Türe, der 
Eingang zur Kirche für die Konversen vom 
Kreuzgang bzw. dem Raun: zwischen Kirche 
und Pförtnerzelle her. Darüber sieht man in 
der Mauer eine Öffnung. An dieser Stelle war 
die Türe, die vom Dormitorium (Schlafhaus) 
der Konversen in die Kirche führte. Von der 
Türe führte ebenfalls, wie im Querbau für die 
Konventualen, eine steinerne Treppe zur Kirche 
herab. — Das erste Fenster in der Südwand 
hat in der unteren Hälfte eine Blende. Hier 
stieß das Dach des Dormitoriums der Kon 
versen an die Kirche. ' 
Wenden wir uns nach der Nordwand des 
Langhauses, so zeigt uns das fünfte Fenster, 
von Westen her, unten im Glas den schönen 
Giebel einer gotischen Kirche, Spitzbogen mit 
Kreisfenster, Fialen, Wasserspeier (Untiere). 
Wir treten nun an den Konversenaltar. Über 
ihm ist der Kruzifixus mit der Inschrift: Jesus 
aus Nazaret, König der Juden, oben hebräisch, 
in der Mitte griechisch, unten lateinisch. Der 
Lettner hinter dem Altar war früher durch 
brochen, damit die Konversen durch die Öff 
nungen hindurch nach dem Hochaltar im Pres 
byterium sehen konnten. Jetzt ist der Lettner 
hier mit Brettern abgeschlossen und vor dein 
Dreipaß ist ein Schalldeckel angebracht, weil 
das Lektorium jetzt als Kanzel dient. Das Lese 
pult ist unten verziert durch einen Vogel mit 
ausgebreiteten Schwingen, an ihn schließen 
sich beiderseits Weintrauben an. Zunächst denkt 
man bei dem Vogel an die Taube als Sinn 
bild des Hl. Geistes. Die Annahme aber, daß 
der Vogel ein Pelikan ist, dürfte die richtigere 
sein. Er versinnbildlicht Christus, der sein 
Blut für seine Kinder gab und dauernd weiter 
gibt im Abendmahl. Ter Wein ist das Sym- 
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