Damit sind wir in dem Teile der Kirche, der
der zweiten Bauzeit entspricht. Er reicht bis
zum Ende des fünften Fensters. Soweit ist
die Nordwand des Langhauses durch die dop
pelte Fensterreihe gewissermaßen zweigeschossig.
Die Partie von dem fünften unteren Fenster
bis zum Ende der Kirche (Westfront) ist wieder
eingeschossig, sie hat nur oben Fenster. Sie
wurde 1328 vollendet. Die ganze Südwand
des Langhauses ist eingeschossig, sie hat nur
oben Fenster.
Allenthalben sehen wir hier die Konsolen der
Dienste (Stützsäulen des Gewölbes) in schönster
Weise verziert durch Blätter, an der Nordwand,
soweit sie zweigeschossig, auch durch Widder und
Hunde. Rechts vor dem Lettner ist ein Ver
schlag an der Wand. Er vertritt die Stelle der
Sakristei für den evangelischen Geistlichen und
ist aus neuerer Zeit.
Wir gehen nun im nördlichen Seitenschiff
durch den Lettner und kommen in die Kon-
versenkirche. Besonders gut sehen wir von
hier aus die Mutter Gottes und das Lamm
Gottes als Schlußsteine oben am Gewölbe.
Unter jedem der Fenster der doppelgeschossigen
Nordwand waren Altäre. Es sind da auch
Nischen vorhanden, wohl zum Aufstellen von
Figuren (Stationen?). Im ganzen hatte die
Kirche nach Angabe Letzners (Kurtze, Einfältige
und Ordentliche Beschreibung des Klosters und
Hospitals zu Haina in Hessen. 1588) 28 Al
täre.
In den: Westteile der Kirche fallen eigen
artige Konsolenverziernngen und Kapitäle auf.
Häufig sind als Verzierung angebracht Phan
tasiegeschöpfe: halb Molch, halb Vogel, halb
Mensch, halb Ochse oder Gesichter von Men
schen, wohl Baumeister der Kirche, oder Ge
sichter von Tieren, an der Südwest- und Süd
wand (Löwe, Affe, Satyr), Teufelchen, Fleder
maus und dergl. '
In der Mitte des Mittelschiffes, zugewandt
dein Marienportal, dem Kircheneingang für
das Volk, sehen wir zunächst die große Orgel.
Sie ist in gotischem Stile von Ungewitter
zwischen 1850 und 1860 erbaut. Sie zeigt
vorne vier Bilder von Personen, die mit der
Kirchenmusik zu tun hatten. Da ist links der
Bischof Ambrosius von Mailand (374), von
dem der ambrosianische Lobgesang stammt.
Dann die heilige Cäcilie, die Heilige aller
Kirchenmusik. Rechts David, der König, mit
der Leier, und aus dem alten Testament Juval,
Vater der Sänger, mit einer Flöte beschäftigt.
Nach Letzner hatten die Mönche eine große,
schöne Orgel, die aber 1588 schon nicht mehr
vorhanden war.
Uber der Orgel sieht man das schon einmal
erwähnte Prunkfenster. Unten, von Ungewitter
entworfen, der erste Stifter Boppo von Reichen-
bach-Ziegenhain (1140, Aulesburg) und feine
Gemahlin Gräfin Bertha. Der Fensterteil dar
über ist aus der Mönchszeit. Oben in der Mitte
des Fensters ist ein Glasbild Christus am
Kreuze, mit Figuren darunter. Unten rechts
ist der Vogel Pelikan, stehend über seinem Neste
mit den Jungen und sich Blut aus dem Herzen
mit dem Schnabel holend, um seine Jungen zu
ernähren, in der Mitte ein Lamnl Gottes, links
ein Untier, halb Löwe, halb Tiger.
Links von der Orgel am Ende der Südwand
des Langhauses ist eine spitzbogige Türe, der
Eingang zur Kirche für die Konversen vom
Kreuzgang bzw. dem Raun: zwischen Kirche
und Pförtnerzelle her. Darüber sieht man in
der Mauer eine Öffnung. An dieser Stelle war
die Türe, die vom Dormitorium (Schlafhaus)
der Konversen in die Kirche führte. Von der
Türe führte ebenfalls, wie im Querbau für die
Konventualen, eine steinerne Treppe zur Kirche
herab. — Das erste Fenster in der Südwand
hat in der unteren Hälfte eine Blende. Hier
stieß das Dach des Dormitoriums der Kon
versen an die Kirche. '
Wenden wir uns nach der Nordwand des
Langhauses, so zeigt uns das fünfte Fenster,
von Westen her, unten im Glas den schönen
Giebel einer gotischen Kirche, Spitzbogen mit
Kreisfenster, Fialen, Wasserspeier (Untiere).
Wir treten nun an den Konversenaltar. Über
ihm ist der Kruzifixus mit der Inschrift: Jesus
aus Nazaret, König der Juden, oben hebräisch,
in der Mitte griechisch, unten lateinisch. Der
Lettner hinter dem Altar war früher durch
brochen, damit die Konversen durch die Öff
nungen hindurch nach dem Hochaltar im Pres
byterium sehen konnten. Jetzt ist der Lettner
hier mit Brettern abgeschlossen und vor dein
Dreipaß ist ein Schalldeckel angebracht, weil
das Lektorium jetzt als Kanzel dient. Das Lese
pult ist unten verziert durch einen Vogel mit
ausgebreiteten Schwingen, an ihn schließen
sich beiderseits Weintrauben an. Zunächst denkt
man bei dem Vogel an die Taube als Sinn
bild des Hl. Geistes. Die Annahme aber, daß
der Vogel ein Pelikan ist, dürfte die richtigere
sein. Er versinnbildlicht Christus, der sein
Blut für seine Kinder gab und dauernd weiter
gibt im Abendmahl. Ter Wein ist das Sym-
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