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Bücherschau.
Norbert, Willy. Cassel. Mit 68 Abbildungen,
darunter 17 in farbiger Wiedergabe. (Velhagen «k Kla-
sings Volksbücher Nr. 160.) Bielefeld und Leipzig
1925. 96 Seiten. Preis geb. 4.— M.
Ein neues Werk über Kassel wird man mit Freuden
begrüßen, zumal, wenn es in so ansprechender, reich
illustrierter Aufmachung geboten wird, wie wtr das vom
Velhagenschen Verlag gewohnt sind. Leider sank mir
gibst diese Freude schon beim flüchtigen Durchblättern
aus den Nullpunkt angesichts der Rekordleistung, die einem
hier aus dem Gebiete des Plagiats entgegentrat. Es ist
;a heute üblich geworden, seuilletonistisch gehaltene Stadt
monographien fabrikmäßig herzustellen. Irgendein be
triebsamer Autor, der aus das Geschäft geaicht ist, hält
sich zwei, vielleicht auch drei Tage in einer Stadt spa-
zlerengehend aus, wo man ihm in Erwartung der ersehn
ten Propaganda aufs liebenswürdigste entgegenkommt,
fährt, mit der einschlägigen Literatur bewaffnet, heim
wärts und macht hier im Handumdrehen aus zwei Bü
chern ein drittes, wobei er sich vor allem bestrebt, mit
den aus ihnen herausgepickten „Rosinen" den neuen, mög-
lichsr mürbe angerührten Teig zu verzieren. Wer meinen
Band „Kassel", der „Stätten der Kultur" und meine „Ge
schichte der Wilhelmshöhe" gelesen hat, wird fast Seite
für Seite feststellen können, 'wie leicht sich Herr Norbert
seine Arbeit gemacht hat. Besonders geschickt ist meine
400 seitige „Wilhelmshöhe", das Ergebnis fünfjähriger
Arbeit, auf etwa 30 Seiten ausgezogen. An irgend einer
Stelle seine Quellen zu nennen, hielt der Verfasser
offenbar für unter seiner Würde. Das Plagiieren geht
bei ihm so >veit, daß er die aus den entlegensten Stellen
geholten dichterischen Zitate restlos mit herübernimmt.
Daß er gelegentlich auch einmal falsch abschreibt, ist bei
dieser Arbeitsmethode nicht verwunderlich. Recht lustig
wirkt etwa der aus einer nichtverstandenen Stelle meines
Bandes „Kassel" (S. 10) beruhende Satz auf Seite 39, in
dem er von eurem der kostbarsten Schätze unserer Landes
bibliothek schreibt: „Es ist das Bruchstück vom „Hille-
brandlted" Wolframs von Eschenbach, des großen Dich
ters und Sängers des achten Jahrhunderts. Fünf Jahr
hunderte später ließ Heinrich, der „Eiserne Landgraf",
die Handschrift anfertigen." Aus weiteres einzugehen, er
übrigt sich für mich angesichts des oben Gesagten. Daß
auch die Angabe der Herkunft der Photos nicht immer zu
trifft, sei nur nebenbei bemerkt. Im übrigen ist das, wie
gesagt, vorzüglich illustrierte Bändchen sehr unterhaltsam
und anregend geschrieben. Aber bei Autoren eines Ver
lages wie des Velhagenschen sollte man wirklich mehr
literarische Reinlichkeit voraussetzen. Heidelbach.
Becker, Eduard Edwin, D i e R i e d e s e l z u Eisen-
b a ch. Geschichte des Geschlechts der Riedesel zu
Eisenbach, Erbmarschälle zu Hessen. Bd. I. 1923
(XVIII und 372 Seiten). Bd. II. 1924 (X und 524
Seiten): Auslieferung für den Buchhandel: 4t. G.
Elwert, Marburg a. d. L.
In mühsamer jahrelanger Arbeit hat der verfasser-
unter Benutzung der urkundlichen Bestände des sreiherr-
lich Riedeselschen Samtarchivs und zahlreicher Staats-,
Reichs-, Stadt- und Privatarchive eine grundlegende
Geschichte des Riedeselschen Geschlechts verfaßt, die in
dreser Gründlichkeit und diesem Umfang Nwhl einzig da
stehen dürfte. Schon vor 7 Jahrhunderten taucht der
Name Riedesel in den Urkunden auf. Kraftvolle Kriegs-
leüte, kluge Staatsmänner und betriebsame Landedel
leute zählt das Geschlecht zu den Seinen, und mancher
Riedesel hat tu fremden Diensten seinem Namen Ehre
gemacht. Aber von all den Zweigen, die sich außerhalb
der Heimat bildeten, ist keiner am Leben geblieben, nur
im Stammland Hessen lebt noch der Zweig der Riedesel
zu Eisenbach. Der erste Band des groß angelegten Wer
tes umfaßt die Zeit zwischen dem ersten Auftreten des
Namens (1226) bis zum Tod Hermanns III. 9iiebeiel
(1500). Im ersten Jahrhundert erfahren wir nur von
einzelnen Rittern aus hessischem Blut. Dann verpflanzt
Ritter Johann den Stamm aus ntederhessischen Boden.
Hundert Jahre später gebietet Hermann Riedesel, der
„goldene Ritter", über dessen Heirat mit Margarete von
Röhrenfurth eine oft wiedergegebene Sage in verschiede
nen Fassungen berichtet, über Schlösser, Burgen, Städte,
Gerichte und Dörfer. Die Söhne haben schwere Kämpfe
um des Vaters Werk zu führen, aber Jahrhundert um
Jahrhundert steht der von Stürmen umbrauste Bau.
Band II. bringt den, dem ersten Band zu Grunde liegen
den urkundlichen Stofs in nicht weniger als 1630 Num
mern, einige Urkunden im Wortlaut, die meisten in aus
führlichen Regesten. Daneben enthält er die Urkunden
des Samtarchivs, die nicht die Familie Rtedesel betreffen,
und bietet so eine reiche Quelle für die hessische Familtcn-
und Ortsgeschichte. Die Regesten bringen alle Namen,
verzeichnen tue Rechtsgebräuche, sprachlich merkwürdige
Formen und alle Datierungen. Aus den künstlerischen,
meist von Otto Ubbelohde und Albrecht Riedesel Freiherr
zu Eisenbach stammenden Buchschmuck (vgl. die Abbil
dungen auf Seite 303 und 317 dieses Heftes) des vor
nehm ausgestatteten Werkes, dessen zweiter Textband
demnächst erscheinen wird, sei noch besonders hingewiesen.
II.