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fahrene Kenner irregeführt werden. Auch das ver
hältnismäßig seltene Braunkehlchen ist in den Fulda
wiesen jährlich in mehreren Paaren anzutreffen.
Doch zurück -zum Aupark! Wir hören noch den
lieben Gesang des Hänflings aus den Obstbäumen
der Gärten, das Schwirren der Girlitze in den
Baumkronen und sehen den grauen Fliegenschnäpper
seine Jagd aus fliegende Insekten betreiben. Sein
nächster Vetter, der Trauerfliegenschnäpper, wird in
beit letzten Jahren immer zahlreicher beobachtet.
Er und der Girlitz verbreiten sich in Deutschland
immer mehr nach Nordwesten. Ebenso scheint in
unserer Gegend der Wendehals häufiger vorzu
kommen. Er ist durch seine Stimme, ein lautes
„gückgäckgück" leicht festzustellen. Daß das grün-
süßige Teichhuhn (das Wasserhühnchen) in den
Teichen der Au nicht fehlt, ist selbstverständlich,
ebensowenig die Hohltaube in den hohen Tannen.
Der rotrückige Würger ist, wenn auch nicht häufig,
doch jährlich als Brutvogel zu finden. Als höchst
seltener Gast luurbe hin und wieder für kurze Zeit
der Pirol (auch Goldamsel genannt) festgestellt,
allerdings nur durch seinen wundervoll klingenden
Ruf. Zu sehen war er nicht, da er sich stets in den
höchsten Kronen der Bäume aufhält.
Das sind nun die nach eigener Beobachtung fest-
Das Hengster.
Eines der botanisch und faunistisch interessan
testen Gebiete Mitteldeutschlands ist wohl das aus
gedehnte Gelände, das sich südlich der Straße
Bieber — Lämmerspiel - Hausen bis über Heusen
stamm—Weißkirchen hin erstreckt, und das in der
wissenschaftlichen Welt unter dem Namen „Heng
st e r " oder „ H e n g st e r m 0 0 r " bekannt ist und
als Fundort seltener Pflanzenarten einen ganz
hervorragenden Namen genießt. Schon vor länger
als hundert Jahren sind dorthin die hervorragend
sten Botaniker und Floristen unseres Vaterlandes
gewandert, als man von Eisenbahnen und modernen
Verkehrsmitteln noch nichts wußte, als man aus
die Füße angewiesen war, dafür aber in engerer
Fühlung zur Natur mit ihren Pflanzenwundern
stand.
Der Hengster selbst stellte zur Diluvialzeit jeden
falls ursprünglich einen Arm vom Main vor, der
wohl ungefähr in der Richtung Seligenstadt—Bürgel
geflossen ist, später aber versandete und nur das
Mittelgelände mit ausgedehnten Altwässern und see
artigen Wasserflächen übrig ließ. Ter leider lange
trocken gelegte Entensee bei Bürgel gehörte ursprüng
lich mit zu diesem Wasserarm. Nach und nach er
oberte die Pflanzenwelt diese Altwässer und füllte
sie zu einer Tundra aus, »nährend später der Blätter
fall aus dem entstandenen Eichen-Buchen-Urwalde
bei der Ausfüllung geholfen haben mag. Es ent
standen aus diese Weise Schwingmoore, die sich all
mählich zu echten Hochmooren entwickelten. Eine
Fülle von botanischen Raritäten konnte sich dort er
halten, die alle aufzuzählen hier nicht der Platz ist.
gestellten Vogelarten, die den schönen Aupark so
herrlich beleben, immerhin eine stattliche Anzahl.
Die Vogelkenner werden aber sagen: „Das sind ja
alles „olle Kamellen", ivas der da schreibt." Für
die Kenner soll es aber gar nicht geschrieben sein,
sondern für die Freunde der Au, die sich unter
richten »vollen. Außerdem wird man sagen: „Ja,
aber ein Vogel ist doch vergessen, um dessenwillen
alle Kasselaner „einmal" im schönen Monat Mai in
die Au wandern, um ihn zu hören und sich an
seinem herrlichen Lied zu erfreuen — die Nachtigall.
Ja, „Nachtigall, Nachtigall, wie sangst du so
schön —", als es nämlich noch welche gab in der
Au zu Kassel. Hat aber einer im letzten Jahr eine
Nachtigall in der Au schlagen hören? Es ist eine
betrübende Frage, auf die die Auverwaltung nur
eine betrübende Antwort geben kann. Man hätte
das Buschwerk am Ausgang der Au nicht abschlagen
sollen. In den zu engen Vogelgehölzen ist kein
Raum für Nachtigallen. Sie wollen Bewegungs
freiheit haben, d. h. dichtes Buschwerk mit altem
Laubbelag des Bodens. Vielleicht entschließt sich die
Auverwaltung, entlang des Wassergrabens wieder
mehr Buschwerk zu pflanzen, dann »verden hoffent
lich auch die Nachtigallen wieder bei uns einkehren.
G g. Z i nl m e r.
Tie Botaniker Frankfurts, Hanaus und Offenbachs
sorgten dafür, daß das „Hengster" immer bekannter
wurde, weshalb auch berühmte Leute kamen, um die
Flora an Ort und Stelle zu untersuchen. Wünsche,
Gerke, Eichler, Wigand, um nur einige zu nennen,
weilten zu verschiedenen Zeiten hier. Wer die Namen
von Botanikern, die im Gelände des Hengsters ge
sammelt haben, wissen will, der braucht nur in das
Fremdenbuch auf dem „Neuen Wirtshause" zu schau
en, das vielleicht dort noch vorhanden ist, oder in
den deutschen Floren zu blättern, um bei vielen
Seltenheiten als Fundort das „Hengster" verzeichnet
zu finden. Jedenfalls stellt das Hengster eine Land
schaft vor, auf der Seltenheiten der deutschen Flora
so zusamniengedrängt vorkommen, wie das kaum
an einem anderen Platze Deutschlands der Fäll sein
dürfte. Es handelt sich also im .Hengster um ein
Naturdenkmal ersten Ranges, das zu schützen Staat,
Gemeinde und die naturwissenschaftlichen Vereine
der Umgebung alle Ursache haben. Man hatte ja
auch dem Vernehmen nach das ganze Gelände als
Naturschutzgebiet erklärt. Jahrtausendelang hat sich
diese eigentümliche Pflanzengenossenschaft hier in
dieser früher glücklicherweise ziemlich abgelegenen
Gegend erhalten. Soll das plötzlich anders werden?
Soll dort die Verständnislosigkeit für Jdealgüter den
Sieg davontragen? Oder soll Gedankenlosigkeit diese
Flora und die von ihr abhängige eigentümliche
Fauna vernichten? Man sollte es nicht für möglich
halten! Es laufen in der letzten Zeit erschütternde
Klagen aus dem Gebiete ein, denn man scheint das
so wie so schon ans anderen, inneren Gründen kleiner