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ein weit gehaltvolleres Band um alle; und das
war das Bewußtsein, zu einer großen Familie
zu gehören, deren Ehre auch die des einzelnen
N'ar. Und wer vom rechten Wege abwich, der
entehrte nicht nur sich selbst, sondern auch noch
obendrein die Zunft. Über die Ehre der Zunft
wachten Meister und Gesellen, ja selbst der
letzte Lehrjunge mit ängstlicher Strenge. Einer
für alle, aber auch alle für einen, war der Wahl
spruch, und streng wurde er innegehalten. Und
iveil darum ein jeder im anderen sich selber
ehrte, war die Kluft zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer bei weitem nicht so groß wie
oder Gilden in Fritzlar, die von Bedeutung
waren: die Brauer, die Michelsbrüder, die
Bäcker, die Schneider, die Schuster, die
Schmiede, die Leinweber, die Metzger, die
Krämer und die Wollweber; zu ihnen kommt
um das Jahr 1470 noch die Gilde der Böttcher
und Zimmerleute. Jede Gilde joar ähnlich dem
Ritterorden des Mittelalters gegliedert. Ihre
Mitglieder stiegen aus Lehrlingen zu Gesellen,
die Gesellen aber zu Meistern empor. Wer
die Meisterschaft erlangte, hatte, wie die Rittev,
seinen Eid auf die Statuten abzulegen. Wie
die Stadt von zwei „Burgemeistern" regiert
Frihlarer Dom. Musikzimmcr. Photograph Eberih-Kaffel.
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heute, wo das alte ehrbare Handwerk teils
schon verschwunden, teils int Aussterben be
griffen ist und mehr und mehr dem unpersön
lichen Fabrik- und Maschinenbetrieb das Feld
räumen muß. Die alte Zuuft gliederte sich,
wie auch heute noch, in Meister, Gesellen und
Lehrlinge, nur waren die Grenzen zum Teil
schärfer umrissen. Manch alt überkommener
Brauch fand sich noch vor, ich erinnere nur an
die Zunftlade, die von allen Zunftmitgliedern
heilig gehalten wurde, Bräuche, für die unsere
heutige, leichtlebige Zeit nur noch wenig Ver
ständnis aufbringt.
Um das Jahr 1453 finden sich zehn Zünfte
wurde, so leiteten die Zunft zwei „Zunft
meister", deren zweiter, entsprechend den geist
lichen Stiften „Decan" oder „Dechen" hieß.
Ein Knecht besorgte die niederen Dienste. Jede
Zunft hatte ihre eigene Kasse, in die die Ein
tritts- und Strafgelder flössen. Da jede Zunft
ein Glied der städtischen Gemeinde bildete, so
mußte der, der die Meisterschaft erlangen wollte,
zuvor Bürger sein oder es doch vorher werden.
Jeder Gewerbetreibende war verpflichtet, Mit
glied der betreffenden Zunft zu sein. Ohne
Zunftzugehörigkeit konnte er kein Gewerbe aus
üben. Die Zunft überwachte seine Tätigkeit,
die Güte seiner Produkte und deren Absatz.