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Durch dieses seligmachende Freuen klingen
ernste, ewige Klänge^ Geschehen uub Tun er
halten symbolische Deutung.
Der Sämann.
Ich seh einen Sämann schreiten,
Als schritt er im Morgenrot,
Entlang den Ackerbreiten.
Er schafft dem Leben Brot.
Der reine Glanz der Frühe
Verklärt ihm das Gesicht.
Des Mannes heilige Mühe
Strahlt hell im Morgenlicht.
Die goldnen Körner regnen
Im Wurf auf braunes Land.
Es ist wie leises Segnen
In seiner starken Hand.
Es ist wie stummes Bitten,.
Es ist wie tiefes Flehn
In seinen schweren Schritten:
„Laß mich die Ernte sehn!"
Nirgends im deutschen Land steht der Boden
der Heimat leer. Wesen wurzeln in ihm,
Pflanzen, Tiere und Menschen, leben- und
schicksalverbunden mit ihm. Dieses erdhafte
Verbundensein zwischen Mensch und Landschaft,
das durch langes Fernsein und schreckliches
Erleben noch verstärkt wird, wächst bei Ruppel
sehr fein heraus, als Henn Laudenbach, der
Bauernsohn, im letzten Kriegsjahr in seine
Heimat zurückkehrt:
„Jetzt umfing ihn eine helle Zone des Leuchtens, als
hab es der Herrgott mit seinem Sonnenspiegel auf ihn
abgesehen. Henn erhob die Hand wie zum Gruß an die
Heimat und tauchte sie ins weiche Septembersonnenlicht.
Das wanderte weiter, ließ ihn im Schatten stehen und
wanderte durch Senken und Schluchten, über Hügel und
Wacholdertriften, gemähte Wiesen und staubige Straßen,
die ins Land liefen, von herbstbunten Bäumen geleitet.
Und seine Sehnsucht wanderte mit der Sonne, die grün
goldenen Scheines die Heimat überglänzte, wanderte mit,
bis der große, wandernde Lichtfleck über Ziesenrode, seinem
Dorf im Tale, stand. Da war sein Zuhause. Er hob
den Blick zu den Wolken und sah, wie unter dunkeln
Wimpern hervor streifige Lichtbahnen durch die Lüfte
gingen und ein Lichtbild auf sein Heimatdorf warfen,
zauberischer, als es seine Zauberlaterne tat, die ihm als
Junge das Allerwunderbarste gewesen war. Nun zog
es ihn dem Lichte nach."
„Er bückte sich und nahm eine Handvoll kühle Erde
vom Acker, zerbröselte sie und ließ sie durch die Finger
rieseln. Das tat ihm so wohl, so unaussprechlich wohl!
Heimaterde!"
Nicht überall führen die Säfte, die aus der
Heimat Nährboden aufsteigen, zu gleichen Bil
dungen, und immer werden die Menschen, die
mit der Landschaft verwachsen sind, den Gleich
machungsbestrebungen spotten, die von Dilet
tanten der Seele ausgehen. Denn das war und
ist ungeheurer Reichtnnl deutschen Lebens in
Vergangenheit und Gegenwart, daß Friesen
und Schlesier, Märker und Bayern, Ostpreußen
und Rheinländer, Hessen und Schwaben ilicht
gleich zu setzende Massen sind, sondern Men
schen mit scharf betonten Eigenzügen, die ihnen
nicht angeflogen sind erst seit gestern.
In eigenartiger, scharf herausgehobener
Weise stellt er die Menschen vor uns hin, die
in seiner engeren Heimat, in der Vorderrhön
Hausen, hart wie ihr Boden, schwer in ihren:
Schreiten und Denken unb hartnäckig in ihrem
Wollen. Wer seine Erzählungen „Rhön
bauern" in die Spaub nimmt, der sieht, daß
er tief in ihrem Herzen gelesen hat und es
versteht, aus seelischer Notwendigkeit Tat und
Schicksal aufwachsen zu lassen. Und weil seine
Liebe den Menschen gehört, die in harter Ar
beit mit der Scholle ringen, ist es ihm Heiliger-
Ernst mit der Frage, wie die Seele des Bauern
durch unsere Zeit geht. Mit hellen Blicken er
kennt er die zügellosen Geister, die zu schonungs
losem Wirken losgelassen sind und auch Ein
gang gefunden haben in jene Gassen, die ihnen
sonst verschlossen waren. In tiefem sittlichen
Ernst weist er hin auf die unheilvollen Kräfte,
die im Verein mit alten Erbfehlern an der Ar
beit sind, wurzelechtes Bauerntum zu zerstören,
in dem Band, der unter dem Titel „ M a n n s -
Volk und Weibsleut" 15 Erzählungen
vereinigt. Es sind meist düstere Bilder, in die
wir in den beiden genannten Erzählerbänden
schauen. Aber der Dichter kennt auch als sol
cher das helle Leuchten und läßt es blinken in
seinem Büchlein „ G l ü ck s v o g e l".
Es wäre ein Wunder, wenn über ein sol
ches Dichtergemüt, das aus heiligen Mutter
händen uraltes Volksgut nahn:, das mit Volk
und Heimat schicksalverbunden sich fühlt, das
mit den Stimmen und Erscheinungen der Natur
verstehende Zwiesprache führt, nicht Pie Geister
des Märchens Herr geworden wären. In sei
nem Büchlein „Aus Mutters Märchen-
truhe" singt und klingt es von Kindersehnen
und -wünschen, von ewigem Verlangen, das
von Zeit zu Zeit wie rosenroter Schimmer
auch über die härtesten Herzen geht. Und in
dieser Sammlung steht auch die tiefergreifende
Erzählung aus der Zeit des Weltkrieges von
den drei Brüdern, um die zwar die Märchen-
fäden wehen, die aber voll Erdenweh und
Himmelssehnsucht ist.
Vom Mntterherzen her über heimatliches
Land und Volk führt des Dichters Weg und
Schaffen aufwärts zum Schicksal des deutschen
Volkes. Ruppel gehört nicht zu denen, die sich