Full text: Hessenland (37.1925)

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Durch dieses seligmachende Freuen klingen 
ernste, ewige Klänge^ Geschehen uub Tun er 
halten symbolische Deutung. 
Der Sämann. 
Ich seh einen Sämann schreiten, 
Als schritt er im Morgenrot, 
Entlang den Ackerbreiten. 
Er schafft dem Leben Brot. 
Der reine Glanz der Frühe 
Verklärt ihm das Gesicht. 
Des Mannes heilige Mühe 
Strahlt hell im Morgenlicht. 
Die goldnen Körner regnen 
Im Wurf auf braunes Land. 
Es ist wie leises Segnen 
In seiner starken Hand. 
Es ist wie stummes Bitten,. 
Es ist wie tiefes Flehn 
In seinen schweren Schritten: 
„Laß mich die Ernte sehn!" 
Nirgends im deutschen Land steht der Boden 
der Heimat leer. Wesen wurzeln in ihm, 
Pflanzen, Tiere und Menschen, leben- und 
schicksalverbunden mit ihm. Dieses erdhafte 
Verbundensein zwischen Mensch und Landschaft, 
das durch langes Fernsein und schreckliches 
Erleben noch verstärkt wird, wächst bei Ruppel 
sehr fein heraus, als Henn Laudenbach, der 
Bauernsohn, im letzten Kriegsjahr in seine 
Heimat zurückkehrt: 
„Jetzt umfing ihn eine helle Zone des Leuchtens, als 
hab es der Herrgott mit seinem Sonnenspiegel auf ihn 
abgesehen. Henn erhob die Hand wie zum Gruß an die 
Heimat und tauchte sie ins weiche Septembersonnenlicht. 
Das wanderte weiter, ließ ihn im Schatten stehen und 
wanderte durch Senken und Schluchten, über Hügel und 
Wacholdertriften, gemähte Wiesen und staubige Straßen, 
die ins Land liefen, von herbstbunten Bäumen geleitet. 
Und seine Sehnsucht wanderte mit der Sonne, die grün 
goldenen Scheines die Heimat überglänzte, wanderte mit, 
bis der große, wandernde Lichtfleck über Ziesenrode, seinem 
Dorf im Tale, stand. Da war sein Zuhause. Er hob 
den Blick zu den Wolken und sah, wie unter dunkeln 
Wimpern hervor streifige Lichtbahnen durch die Lüfte 
gingen und ein Lichtbild auf sein Heimatdorf warfen, 
zauberischer, als es seine Zauberlaterne tat, die ihm als 
Junge das Allerwunderbarste gewesen war. Nun zog 
es ihn dem Lichte nach." 
„Er bückte sich und nahm eine Handvoll kühle Erde 
vom Acker, zerbröselte sie und ließ sie durch die Finger 
rieseln. Das tat ihm so wohl, so unaussprechlich wohl! 
Heimaterde!" 
Nicht überall führen die Säfte, die aus der 
Heimat Nährboden aufsteigen, zu gleichen Bil 
dungen, und immer werden die Menschen, die 
mit der Landschaft verwachsen sind, den Gleich 
machungsbestrebungen spotten, die von Dilet 
tanten der Seele ausgehen. Denn das war und 
ist ungeheurer Reichtnnl deutschen Lebens in 
Vergangenheit und Gegenwart, daß Friesen 
und Schlesier, Märker und Bayern, Ostpreußen 
und Rheinländer, Hessen und Schwaben ilicht 
gleich zu setzende Massen sind, sondern Men 
schen mit scharf betonten Eigenzügen, die ihnen 
nicht angeflogen sind erst seit gestern. 
In eigenartiger, scharf herausgehobener 
Weise stellt er die Menschen vor uns hin, die 
in seiner engeren Heimat, in der Vorderrhön 
Hausen, hart wie ihr Boden, schwer in ihren: 
Schreiten und Denken unb hartnäckig in ihrem 
Wollen. Wer seine Erzählungen „Rhön 
bauern" in die Spaub nimmt, der sieht, daß 
er tief in ihrem Herzen gelesen hat und es 
versteht, aus seelischer Notwendigkeit Tat und 
Schicksal aufwachsen zu lassen. Und weil seine 
Liebe den Menschen gehört, die in harter Ar 
beit mit der Scholle ringen, ist es ihm Heiliger- 
Ernst mit der Frage, wie die Seele des Bauern 
durch unsere Zeit geht. Mit hellen Blicken er 
kennt er die zügellosen Geister, die zu schonungs 
losem Wirken losgelassen sind und auch Ein 
gang gefunden haben in jene Gassen, die ihnen 
sonst verschlossen waren. In tiefem sittlichen 
Ernst weist er hin auf die unheilvollen Kräfte, 
die im Verein mit alten Erbfehlern an der Ar 
beit sind, wurzelechtes Bauerntum zu zerstören, 
in dem Band, der unter dem Titel „ M a n n s - 
Volk und Weibsleut" 15 Erzählungen 
vereinigt. Es sind meist düstere Bilder, in die 
wir in den beiden genannten Erzählerbänden 
schauen. Aber der Dichter kennt auch als sol 
cher das helle Leuchten und läßt es blinken in 
seinem Büchlein „ G l ü ck s v o g e l". 
Es wäre ein Wunder, wenn über ein sol 
ches Dichtergemüt, das aus heiligen Mutter 
händen uraltes Volksgut nahn:, das mit Volk 
und Heimat schicksalverbunden sich fühlt, das 
mit den Stimmen und Erscheinungen der Natur 
verstehende Zwiesprache führt, nicht Pie Geister 
des Märchens Herr geworden wären. In sei 
nem Büchlein „Aus Mutters Märchen- 
truhe" singt und klingt es von Kindersehnen 
und -wünschen, von ewigem Verlangen, das 
von Zeit zu Zeit wie rosenroter Schimmer 
auch über die härtesten Herzen geht. Und in 
dieser Sammlung steht auch die tiefergreifende 
Erzählung aus der Zeit des Weltkrieges von 
den drei Brüdern, um die zwar die Märchen- 
fäden wehen, die aber voll Erdenweh und 
Himmelssehnsucht ist. 
Vom Mntterherzen her über heimatliches 
Land und Volk führt des Dichters Weg und 
Schaffen aufwärts zum Schicksal des deutschen 
Volkes. Ruppel gehört nicht zu denen, die sich
	        

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