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schützende Mauern mit Graben und Wall. Die alte
Stadtmauer lief von der ersten Werrabrücke am Mühl
graben entlang nach dem neuen Tor, wandte sich dann
südlich nach dem Teichpförtchen oder Leimentor, dann
bis zur Wallgasse, von hier zum kleinen Gäßchen im
Brühl und von da über das Pommertor, den Rücken des
Judenrains zum Brückentor. Als während der traurigen
Zeit des „Faustrechts" die Bewohner der kleinen Dörf
chen vor dem Hunsrück: Staufenbühl, Wolfersdorf und
Hermsdorf und die beiden im Schlierbach gelegenen
Orte: Ober- und Nnterschlierbach sich nicht mehr sicher
fühlten, suchten sie Zuflucht hinter den schützenden
Mauern von Eschwege. Durch den Zuzug mußte die
Stadt erweitert werden. Der Wall im Süden wurde
abgetragen und die Neustadt angefügt. Der Redner be
schrieb nun die einzelnen Tore und Mauertürme der
Stadt, wie wir sie heute auf den Stadtbildern von Bauer
und Hogenberg vom Jahre 1575, von Dillich 1591,
von Merian aus dem Jahre 1606 u. a., die im Saale
ausgestellt waren, erblicken. Auch der alte Eschweger
Stadtplan vom Jahre 1745 wurde erläutert. Von den
stolzen mittelalterlichen Befestigungswerken sind heute
nur spärliche Reste vorhanden, nämlich ein kleiner Teil
der Stadtmauer, der schöne Dünzebacher Turm und das
Warttürmchen im Schloßgarten. Einen wesentlichen
Schutz für die Bewohner der Stadt bildeten die zahl
reichen Warttürme außerhalb des Weichbildes von Esch
wege. Solche Türme standen auf dem großen Leucht
berge, aus dem Warterasen am Wege nach Jestädt, auf
dem Galgen, vor dem Hunsrück und im Schlierbach. Ver
teidigt wurde die Stadt anfänglich von den adeligen
Burgmannen. Dies waren Glieder des um Eschwege
ansässigen Landadels, der in der Stadt Burgsitze hatte.
Später übernahmen, die Eschweger Zünfte und Schützen
gilden, die militärisch organisiert waren, die Verteidigung.
Die Eschweger Bürger bewiesen ihren kriegerischen Sinn
in den Fehden gegen die räuberischen Hansteiner Ritter
und gegen Heiligenstadt. Die Waffen wurden in einem
Raume des alten Rathauses aufbewahrt. Nach der
Revolution von 1848 sorgte die Bürgergarde für den
Schutz der Stadt. Eschwege besaß im Mittelalter auch
einige Bronzekanonen. Unter dem Artilleriematerial,
das Philipp der Großmütige nach seiner Unterwerfung
an Kaiser Karl V. abliefern mußte, befanden sich auch
zwei Eschweger Geschütze, deren Abbildungen der Redner
zeigte und erklärte. Die alten Tore und stattlichen
Mauertürme sind längst der Ausdehnung der Stadt zum^
Opfer gefallen. Aber mit liebevollem Blicke ruht das
Auge des Geschichtsfreundes auf den wenigen uns er
haltenen Zeugen mittelalterlicher Befestigungskunst. Ober
ingenieur Wenzel, ein Kasseler Kind und durch ver
wandtschaftliche Bande eng mit unserer schönen Werra
stadt Eschwege verbunden, erntete für seinen mit großem
Fleiße uni) Verständnis im wesentlichen nach Schminckes
„Geschichte der Stadt Eschwege" zusammengestellten Vor
trag lebhaften Beifall. In der Schlußansprache dankte
Superintendent Hocke dem geschätzten Redner und gav
dem Wunsche Ausdruck, daß die Bestrebungen des Esch
weger Geschichtsvereins, der sich die Erforschung und
Pflege der Heimatgeschichte angelegen sein läßt, von
allen Kreisen der Bürgerschaft unterstützt werden möchten.
Der gut verlaufene Abend brachte dem Verein einen
Zuwachs von 5 neuen Mitgliedern. B.
H e s s e n - N a ss a u i s ch e s Wörterbuch, über
das Arbeitsjahr 1921 schreibt Prof. W r e d e-Marburg
in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der
Wissenschaften -am 27. Februar 1922: Im Jahre 1921 hat
die Wörterbucharbeit ohne Unterbrechung rüstig > gefördert
werden können, weil in glücklicher Weise die notwendigen
Mittel zur Verfügung standen. Haben doch die eigent
lichen Unternehmer des Wörterbuchs, neben der Akademie
die Bezirksverbände Kassel und Wiesbaden, ihre bis
herigen Zuschüsse verdoppelt. Ferner hat der Verein
für die Geschichte und Volkskunde Wittgensteins ansehn
liche Beträge, die ihm für heimatliche Dialektforschung
zugeflossen waren, an unser Wörterbuch weitergegeben.
Dazu kamen endlich hochherzige Zuwendungen des Ge
heimen Kommerzienrats Dr.-Jng. Henschel in Kassel
uno des Mittelschullehrers Kappus in Wiesbaden. Allen
Genannten sei auch an dieser Stelle aufrichtiger Dank
für ihre uneigennützige Unterstützung des großen Heimat
werkes ausgesprochen. Nicht minder verpflichtet sind
wir allen den treuen Helfern und Sammlern im weiten
Wörterbuchgebiet, das jetzt mit der Provinz Hessen-
Nassau, der darmstädtischen Provinz Oberhessen, dem
Kreis Wetzlar und dem Kreis Wittgenstein ein fest ge
rundetes mitteldeutsches Gebiet umfaßt. 150 Eingänge
hat uns das Jahr gebracht; der Ertrag von drei Frage
bogen — die wir jetzt selbst vervielfältigen, nachdem
uns von einem Mitgliede des Wörterbuchausschusses
ein Opalograph geschenkt worden ist — konnte verarbeitet
werden, so daß die Zahl der revidierten Zettel auf
170500 gestiegen ist. Unser Dank gebührt allen Hel
fern gleichmäßig, auch wenn -an dieser Stelle keine
Namen genannt werden können. Das Seminar in
Schlüchtern und das Lyzeum in Hersfeld standen auch
in diesem Jahre an der Spitze der für uns sammelnden
Lehranstalten. Kreisschulrat Schwalm in Ziegenhain
hat nicht nur dem Wörterbuch in seinen „Heimat
schollen" einen ständigen Platz eingeräumt, sondern uns
auch ein Idiotikon von 7500 Stichworten aus dem
Nachlaß des Dialektdichters Nutzn in Riebelsdorf ver
mittelt. Von früheren Mitarbeitern hier in Marburg
sind Studienrat Br. Witzel und Studienassessor vr.
Schwing auch in Frankfurt und Weilburg unsere
fleißigen Helfer geblieben. In Erndtebrück hat Lehrer
Kroh ein kleine, aber ergiebige Wörterbuchfiliale für
den Kreis Wittgenstein eingerichtet. Die Presse der
Provinz, besonders die verschiedenen kleinen Heimat
blätter, haben sich wiederholt und gern in den Dienst
der Wörterbucharbeit gestellt. Möge dieser solch viel
seitiges Interesse auch im kommenden Jahre bewahrt
bleiben! Die Arbeit hier in Marburg selbst gehörte wie
immer in erster Linie dem großen Zettelapparat. Die
Eingänge waren zu verarbeiten, die neuen Zettel kritisch
zu sichten, mit vorhandenen zu kombinieren; den vielen
Einordnungen standen häufige Aussonderungen gegen
über. Oberstes Prinzip bleibt eben, den Apparat vom
A bis zum Z in stets gebrauchsfähigem Zustand zu
erhalten. Auch die Zahl der wortgeographischen Karten
konnte erhöht werden. Die Verzettelung literarischer
und urkundlicher Belege wurde ohne Unterbrechung fort
gesetzt. Vor allem aber hat die Ausarbeitung eines
populären Idiotikons begonnen, wie es im
vorjährigen Bericht in Aussicht gestellt worden war.
Eine Probe daraus hat der Deutschen Kommission vor
gelegen, ebenso der Wörterbuchkonferenz, die am 1. Ok
tober zu Jena im Anschluß -an die dortige Philologen
versammlung von der Mehrzahl der deutschen Wörter
buchunternehmungen abgehalten wurde: die uns vor
geschlagenen Änderungen werden seitdem in gewissen
hafte Erwägung gezogen. Wissenschaftliche Mitarbeiter
hier am Ort waren Studienassessor ßr. Kroh und
Oberlehrer Canstein, die Damen Or. Beirtholo, Dr.
Mertes und Studienassessorin Stock; dazu traten als
gelegentliche Hilfsarbeiter stuck. Hofmann und stuck.
Wrede. Die Sekretärgeschäfte führte bis zum 1. April