Full text: Hessenland (36.1922)

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schützende Mauern mit Graben und Wall. Die alte 
Stadtmauer lief von der ersten Werrabrücke am Mühl 
graben entlang nach dem neuen Tor, wandte sich dann 
südlich nach dem Teichpförtchen oder Leimentor, dann 
bis zur Wallgasse, von hier zum kleinen Gäßchen im 
Brühl und von da über das Pommertor, den Rücken des 
Judenrains zum Brückentor. Als während der traurigen 
Zeit des „Faustrechts" die Bewohner der kleinen Dörf 
chen vor dem Hunsrück: Staufenbühl, Wolfersdorf und 
Hermsdorf und die beiden im Schlierbach gelegenen 
Orte: Ober- und Nnterschlierbach sich nicht mehr sicher 
fühlten, suchten sie Zuflucht hinter den schützenden 
Mauern von Eschwege. Durch den Zuzug mußte die 
Stadt erweitert werden. Der Wall im Süden wurde 
abgetragen und die Neustadt angefügt. Der Redner be 
schrieb nun die einzelnen Tore und Mauertürme der 
Stadt, wie wir sie heute auf den Stadtbildern von Bauer 
und Hogenberg vom Jahre 1575, von Dillich 1591, 
von Merian aus dem Jahre 1606 u. a., die im Saale 
ausgestellt waren, erblicken. Auch der alte Eschweger 
Stadtplan vom Jahre 1745 wurde erläutert. Von den 
stolzen mittelalterlichen Befestigungswerken sind heute 
nur spärliche Reste vorhanden, nämlich ein kleiner Teil 
der Stadtmauer, der schöne Dünzebacher Turm und das 
Warttürmchen im Schloßgarten. Einen wesentlichen 
Schutz für die Bewohner der Stadt bildeten die zahl 
reichen Warttürme außerhalb des Weichbildes von Esch 
wege. Solche Türme standen auf dem großen Leucht 
berge, aus dem Warterasen am Wege nach Jestädt, auf 
dem Galgen, vor dem Hunsrück und im Schlierbach. Ver 
teidigt wurde die Stadt anfänglich von den adeligen 
Burgmannen. Dies waren Glieder des um Eschwege 
ansässigen Landadels, der in der Stadt Burgsitze hatte. 
Später übernahmen, die Eschweger Zünfte und Schützen 
gilden, die militärisch organisiert waren, die Verteidigung. 
Die Eschweger Bürger bewiesen ihren kriegerischen Sinn 
in den Fehden gegen die räuberischen Hansteiner Ritter 
und gegen Heiligenstadt. Die Waffen wurden in einem 
Raume des alten Rathauses aufbewahrt. Nach der 
Revolution von 1848 sorgte die Bürgergarde für den 
Schutz der Stadt. Eschwege besaß im Mittelalter auch 
einige Bronzekanonen. Unter dem Artilleriematerial, 
das Philipp der Großmütige nach seiner Unterwerfung 
an Kaiser Karl V. abliefern mußte, befanden sich auch 
zwei Eschweger Geschütze, deren Abbildungen der Redner 
zeigte und erklärte. Die alten Tore und stattlichen 
Mauertürme sind längst der Ausdehnung der Stadt zum^ 
Opfer gefallen. Aber mit liebevollem Blicke ruht das 
Auge des Geschichtsfreundes auf den wenigen uns er 
haltenen Zeugen mittelalterlicher Befestigungskunst. Ober 
ingenieur Wenzel, ein Kasseler Kind und durch ver 
wandtschaftliche Bande eng mit unserer schönen Werra 
stadt Eschwege verbunden, erntete für seinen mit großem 
Fleiße uni) Verständnis im wesentlichen nach Schminckes 
„Geschichte der Stadt Eschwege" zusammengestellten Vor 
trag lebhaften Beifall. In der Schlußansprache dankte 
Superintendent Hocke dem geschätzten Redner und gav 
dem Wunsche Ausdruck, daß die Bestrebungen des Esch 
weger Geschichtsvereins, der sich die Erforschung und 
Pflege der Heimatgeschichte angelegen sein läßt, von 
allen Kreisen der Bürgerschaft unterstützt werden möchten. 
Der gut verlaufene Abend brachte dem Verein einen 
Zuwachs von 5 neuen Mitgliedern. B. 
H e s s e n - N a ss a u i s ch e s Wörterbuch, über 
das Arbeitsjahr 1921 schreibt Prof. W r e d e-Marburg 
in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der 
Wissenschaften -am 27. Februar 1922: Im Jahre 1921 hat 
die Wörterbucharbeit ohne Unterbrechung rüstig > gefördert 
werden können, weil in glücklicher Weise die notwendigen 
Mittel zur Verfügung standen. Haben doch die eigent 
lichen Unternehmer des Wörterbuchs, neben der Akademie 
die Bezirksverbände Kassel und Wiesbaden, ihre bis 
herigen Zuschüsse verdoppelt. Ferner hat der Verein 
für die Geschichte und Volkskunde Wittgensteins ansehn 
liche Beträge, die ihm für heimatliche Dialektforschung 
zugeflossen waren, an unser Wörterbuch weitergegeben. 
Dazu kamen endlich hochherzige Zuwendungen des Ge 
heimen Kommerzienrats Dr.-Jng. Henschel in Kassel 
uno des Mittelschullehrers Kappus in Wiesbaden. Allen 
Genannten sei auch an dieser Stelle aufrichtiger Dank 
für ihre uneigennützige Unterstützung des großen Heimat 
werkes ausgesprochen. Nicht minder verpflichtet sind 
wir allen den treuen Helfern und Sammlern im weiten 
Wörterbuchgebiet, das jetzt mit der Provinz Hessen- 
Nassau, der darmstädtischen Provinz Oberhessen, dem 
Kreis Wetzlar und dem Kreis Wittgenstein ein fest ge 
rundetes mitteldeutsches Gebiet umfaßt. 150 Eingänge 
hat uns das Jahr gebracht; der Ertrag von drei Frage 
bogen — die wir jetzt selbst vervielfältigen, nachdem 
uns von einem Mitgliede des Wörterbuchausschusses 
ein Opalograph geschenkt worden ist — konnte verarbeitet 
werden, so daß die Zahl der revidierten Zettel auf 
170500 gestiegen ist. Unser Dank gebührt allen Hel 
fern gleichmäßig, auch wenn -an dieser Stelle keine 
Namen genannt werden können. Das Seminar in 
Schlüchtern und das Lyzeum in Hersfeld standen auch 
in diesem Jahre an der Spitze der für uns sammelnden 
Lehranstalten. Kreisschulrat Schwalm in Ziegenhain 
hat nicht nur dem Wörterbuch in seinen „Heimat 
schollen" einen ständigen Platz eingeräumt, sondern uns 
auch ein Idiotikon von 7500 Stichworten aus dem 
Nachlaß des Dialektdichters Nutzn in Riebelsdorf ver 
mittelt. Von früheren Mitarbeitern hier in Marburg 
sind Studienrat Br. Witzel und Studienassessor vr. 
Schwing auch in Frankfurt und Weilburg unsere 
fleißigen Helfer geblieben. In Erndtebrück hat Lehrer 
Kroh ein kleine, aber ergiebige Wörterbuchfiliale für 
den Kreis Wittgenstein eingerichtet. Die Presse der 
Provinz, besonders die verschiedenen kleinen Heimat 
blätter, haben sich wiederholt und gern in den Dienst 
der Wörterbucharbeit gestellt. Möge dieser solch viel 
seitiges Interesse auch im kommenden Jahre bewahrt 
bleiben! Die Arbeit hier in Marburg selbst gehörte wie 
immer in erster Linie dem großen Zettelapparat. Die 
Eingänge waren zu verarbeiten, die neuen Zettel kritisch 
zu sichten, mit vorhandenen zu kombinieren; den vielen 
Einordnungen standen häufige Aussonderungen gegen 
über. Oberstes Prinzip bleibt eben, den Apparat vom 
A bis zum Z in stets gebrauchsfähigem Zustand zu 
erhalten. Auch die Zahl der wortgeographischen Karten 
konnte erhöht werden. Die Verzettelung literarischer 
und urkundlicher Belege wurde ohne Unterbrechung fort 
gesetzt. Vor allem aber hat die Ausarbeitung eines 
populären Idiotikons begonnen, wie es im 
vorjährigen Bericht in Aussicht gestellt worden war. 
Eine Probe daraus hat der Deutschen Kommission vor 
gelegen, ebenso der Wörterbuchkonferenz, die am 1. Ok 
tober zu Jena im Anschluß -an die dortige Philologen 
versammlung von der Mehrzahl der deutschen Wörter 
buchunternehmungen abgehalten wurde: die uns vor 
geschlagenen Änderungen werden seitdem in gewissen 
hafte Erwägung gezogen. Wissenschaftliche Mitarbeiter 
hier am Ort waren Studienassessor ßr. Kroh und 
Oberlehrer Canstein, die Damen Or. Beirtholo, Dr. 
Mertes und Studienassessorin Stock; dazu traten als 
gelegentliche Hilfsarbeiter stuck. Hofmann und stuck. 
Wrede. Die Sekretärgeschäfte führte bis zum 1. April
	        

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