28
bestellt war. Es wurden u. a. 40000 Zentner russischen
Roggens nach Frankfurt versandt; auch mit der Kasseler
Bäckerinnung hatte Aschrott die Lieferung von Brot ab
geschlossen, das aber so frisch war, daß es schimmelig
in Frankfurt ankam. Ebenso wurde Bieh geliefert. Die
Lieferung erreichte jedoch zum größten Teil die schon
weiter vorgerückten Truppen nicht mehr. Herr Fiorino
sprach sodann noch über die Kippermünzen des Land
grafen Moritz von Hessen, der 1621, von der allgemeinen
Seuche ergriffen, in seinem Lande gleichfalls die schlechten
Münzen prägen und verbreiten ließ und in Kassel,
Lippoldsberg, Witzenhausen, Rotenburg und vielleicht
auch in Bovenden in der Herrschaft Plesse die Einrichtung
von Münzen gestattete. In Kassel werden 1621 zwei
Münzstätten genannt, im „Wilden Mann" und im
Renthof unter der Kanzlei. Der gemeine Mann bekam
keine Silbertaler mehr zu sehen, alle Zahlungen erfolgten
in Scheidemünzen. 1622 verordnete Moritz, daß der
Unterschied zwischen dem guten Reichstaler und dem
schlechten Zähltaler aufgehoben sei. Zum Schluß legte
Redner eine Besuchsliste der Kasseler Galerie aus den
Jahren 1821—1824 vor. Aus Veranlassung von Rechts
anwalt Dr. Dellevie fand eine angeregte Aussprache
über die Zukunft der Vereinszeitschrift und weiter über
die Fortsetzung der Striederschen Gelehrtengeschichte statt.
Während die Schwierigkeit, die Zeitschrift unter den
jetzigen Verhältnissen jährlich erscheinen zu lasse», all
gemein anerkannt wurde, fand der Vorschlag, die bereits
früher als Fortsetzung zu Strieders Werke begonnene
Sammlung hessischer Biographien zum Zweck einer späte
ren Drucklegung weiter zu führen, lebhafte Billigung.
Der Beschluß darüber, wo diese vorläufige Sammelstelle
am zweckmäßigsten eingerichtet wird, soll einer späteren
Besprechung vorbehalten werden.
Hatte in der letzten Monatsversammlung des Kas
seler Vereins Baurat Dr. Holtmeyer die mittelalter
liche Befestigung Kassels vorgeführt, so gab am 20. Fe
bruar Studienassessor S t r e m m e r ein Bild von der
„Entfestigung Kassels unter Philipp dem
Großmütige n", und zwar vorwiegend auf Grund
der die Gefangenschaft dieses Fürsten behandelnden Ak
ten. Sie enthalten die geheime Korrespondenz, die Land
graf Philipp aus der Gefangenschaft mit der in Kassel
gelassenen Regierung führte, und zeigen, daß Philipp
auch in der Gefangenschaft der regierende Herr blieb,
ohne dessen Einwilligung keine wichtigen Beschlüsse in
der Heimat gefaßt werden konnten. Diese geheimen
Berichte, die uns einen besonders unmittelbaren Ein
blick in die Verhältnisse des damaligen Kassel ge
währen, wurden in den meisten Fällen von dem Fuhr
mann oder seinem Begleiter mitgenommen, die den
Landgrafen mit Lebensmitteln und dergleichen versorg
ten; denn es wurden Unsummen von Viktualien — das
Einbecker Bier spielt dabei keine geringe Rolle — von
dem Landgrafen und seinem kleinen Gefolge verbraucht.
Schwieriger war es für ihn, der Kasseler Regierung
seinen Willen zu übermitteln, da er, besonders später
in den Niederlanden, von seiner spanischen Bewachung
außerordentlich scharf beobachtet wurde. Er schrieb teils
direkte Briefe oder bediente sich einer Mittelsperson
wie des Pfennigmeisters Reinhold Abel. In Kassel selbst
war als Statthalter Rudolf von Schenk zu Schweinsberg
zurückgeblieben, dem verschiedene Räte wie Günderode
und Wilhelm von Schachten zur Seite standen. Die
Korrespondenz führte in erster Linie der Kammerschreiber
Simon Bing. Nach dem unglücklichen Ausgang des
Schmalkaldischen Krieges sah sich Landgraf Philipp ver
anlaßt, sich dem Kaiser auf Gnade oder Ungnade zu
unterwerfen; er begab sich nach Halle, um hier durch
einen persönlichen Fußfall vor dem Kaiser seine Frei
heit zu erringen. Diese Hoffnung vereitelte; bei dem
ihm vom Herzog von Alba gegebenen Gastmahl wurde
er gefangengenommen und abgeführt. Zu den Kapi
tulationsbedingungen, die er eingehen müßte, gehörte
die Schleifung sämtlicher Festungen des Landes außer
zweien, und es war noch nicht bestimmt, ob Kassel oder
Ziegenhain unentfestigt bleiben sollte. Die Kasseler Re
gierung hatte eine Gesandtschaft in das kaiserliche Hof
lager mit einer Eingabe an die Landstände geschickt, die
darauf dringen sollte, daß der Landgraf nicht gefänglich
eingezogen werden sollte. Über diese Eingabe war den
Kaiser aufs äußerste empört. Inzwischen hatte der
Landgraf aus der Gefangenschaft beim Herzog von Alba
schon anfragen lassen, welche der beiden Städte ent
festigt werden sollte; Alba antwortete, daß auf Wunsch
des Kaisers Kassel gebrochen werden müßte. Die Ent
festigung hat also wohl im September 1547 begonnen.
Gegen Ende November berichtet Philipp an die Reichs
stände, daß an ihm keine Schuld an der Verzögerung der
Entfestigung läge und man in Kassel bereits ausführlich
gebrochen habe und noch immer weiter breche; bis jetzt
sei vom Zwehrentor bis zum Gießberg gebrochen. Er
bittet weiter, daß der Kaiser durch Verordnete die Ent
festigung besichtigen lassen möchte. Wenn dieser darüber
hinaus noch gebrochen wissen möchte, dann würde auch
das geschehen. Die Räte hatten sich vergeblich bemüht,
vom Kaiser eine Resolution über seinen Willen betreffs
der Entfestigung zu erhalten, und den weitesten Raum
der Ausführungen zwischen der kaiserlichen Regierung
und derjenigen in Kassel nimmt diese Frage in An
spruch. Der Kaiser verzögerte planmäßig die Arbeit
an der Entfestigung, und immer aufs neue drängte der
Landgraf, diese zu betreiben, damit er wieder in die
Heimat zurückkehren könne. Er befand sich damals in
Donauwörth, von wo er auch in chiffrierten Briefen
mitteilte, was die italienischen Kommissare dem Kaiser
berichtet hätten. Unwillkürlich drängt sich uns die
Parallele zur heutigen Zeit auf, wo wir gleichfalls
die feindlichen Kommissare im Lande herumreisen sehen,
die sich von der Durchführung der Bedingungen über
zeugen. Neben den italienischen traten später auch
spanische Kommissare auf. Am gehässigsten drang Graf
Reinhard von Solms auf die Durchführung der Kapitu
lationsbedingungen. Der Landgraf schreibt, er habe
keine Hoffnung, daß Kassel irgendwie als Festung ge
halten werden könne, und bitztet dringend, mit den Ar
beiten so schnell als möglich fortzufahren; der einzige
Ausweg sei der, daß er auf die Stellung von Geiseln
hin entlassen werde, aber auch das würde an der Ent-,
festigung nichts ändern. Wenn übrigens Kassel nur
halb gebrochen würde, so wäre das schädlicher als die
völlige Schleifung, denn dann könne irgend ein Feind
es schnell wieder befestigen und er dann seiner Haupt
stadt verlustig gehen. Nur Schloß und Stadtmauer
verbietet er ohne seinen Befehl zu schleifen. Er war in
zwischen nach dem von der Pest heimgesuchten Nörd-
lingen geführt worden und berichtet von hier über ein
Schreiben des Herzogs Alba, wonach alle Streitwehren,
die Mauern und Schleusen geschleift werden sollten. Der
Landgraf wird allmählich ungeduldig und macht den
Räten in der Heimat den Vorwurf, daß sie nicht genug
gebrochen hätten und dadurch seine Freilassung ver
hinderten. Auch im Winter solle die Entfestigungs
arbeit nicht ausgesetzt werden; die Landschaft solle sofort
genügend Leute stellen. In zwei gleichzeitigen offenen
Briefen teilt er der Bevölkerung mit, daß die Ent
festigung auf seinen ausdrücklichen Befehl erfolge; der
Kommissar Hans Georg Schad bringe ein Schreiben mit