Full text: Hessenland (36.1922)

menten kennen zu lernen. Tycho war der erste Astro 
nom im Abendland, der einen Mauerquadranten baute, 
den Vorläufer unserer heutigen 'Meridianinstrumente. 
Das war 1587. Gerade zwei Jahrhunderte später hat 
der Urgroßvater des Vortragenden, Joh. Christian Breit 
haupt, der Gründer der heute noch Weltruf genießenden 
Firma, in Kassel den letzten Mauerquadranten von 
1,98 Meter Radius angefertigt, der sich heute im 
Zwehrenturm befindet. 1579 berief der Landgraf den 
Schweizer Jost Büri als seinen Hofuhrmacher und 
Mechaniker nach Kassel. Büri hat hier den Proportional 
zirkel erfunden und die Arithmetik und Trigonometrie 
erweitert durch Berechnung eines Sinuswinkels von 
2 Sekunden. Vor allem war er der Erfinder der Loga 
rithmen, und schon deshalb verdient sein Wohnhaus 
(Graben 46) eine Gedenktafel. Im Auftrag des Land 
grafen hat er eine große Kunstuhr für Kaiser Rudolf II. 
ausgeführt und auch noch für Landgraf Moritz Globen 
hergestellt. Er ist 1632 in Kassel gestorben. Rothmann 
aus Bernburg, den Wilhelm IV. gleichfalls in Kassel 
beschäftigte, hat die Genauigkeit der Quadranten von 
zwei Minuten auf eine Viertelminute erhöht. Dem 
Landgrafen haben wir es zu danken, daß er die Qua 
dranten als Beobachtungsinstrumente einführte und die 
Uhr zu einem astronomischen Institut gemacht hat. Er 
lebte in der Blüte des Kunstgewerbes und hatte Glück 
in der Auswahl seiner Astronomen und Künstler. Er 
schätzte seine Künstler sehr hoch und bezahlte sie gut. 
Ein Teil der Instrumente wurde im 30jährigen Krieg 
in Sababurg, wohin sie gebracht waren, verbrannt; 
trotzdem ist noch ein großer Teil vorhanden und im 
Landesmuseum aufgestellt (Donnerstags kostenfreie Be 
sichtigung). — Hierauf schilderte Oberst Müller- 
H empfing eingehend die Ergebnisse seiner Familien 
forschungen. Seine Vorfahren waren höhere kurhessische 
Forstbeamte. Die fesselnden Darstellungen wurden durch 
Vorzeigen zahlreicher Familienstücke belebt. Im An 
schluß an das in der letzten Sitzung vom Vorsitzenden 
General Eisentraut behandelte Äussterben der Land 
grafen von Hessen-Rotenburg gab Zolldirektor Wo 
rt n g e r in großen Zügen ein Bild von der Geschichte 
der sog. „Rotenburger Quart", die auf Moritz den Ge 
lehrten zurückgeht, der zu Gunsten seiner Kinder aus 
zweiter Ehe der Hauptlinie den vierten Teil des Landes 
entzog. Erst als im Jahre 1834 der letzte Landgraf 
kinderlos verstarb, fiel die ganze Quart an die Kasseler 
Hauptlinie des Fürstenhauses zurück. Bibliotheksdirektor 
Dr. Hopf wies zum Schluß eindrücklich mit emp 
fehlenden Worten auf die bei Victor erschienenen Er 
innerungen des Kammerrats Fritz Bode („Glückliche 
Tage eines Kurhessen") hin. -v 
Marburger Hochschulnachrichten. Der 
ord. Professor Dr. Edmund Stengel hat den Ruf 
auf den Lehrstuhl für mittlere und neuere Geschichte 
und zum Direktor des historischen Seminars angenom 
men. — Der a. o. Prof. Dr. mock. Rudolf D i t t l e r 
in Leipzig wurde zum ord. Professor der Physiologie 
an unserer Universität als Nachfolger des Geheimrats 
Hofmann ernannt. — Die Gesamtzahl der Studierenden 
im Wintersemester beträgt 2110. Es studieren Theologie 
172 Herren und 8 Damen, Jura 518 Herren und 
9 Damen, Medizin 419 Herren und 54 Damen, Philo 
sophie 734 Herren und 196 Damen. Es sind also 1843 
Herren und 267 Damen gegen 2184 Herren und 393 
Damen im Sommersemester. 
Todesfälle. Im Alter von 75 Jahren wurde der 
langjährige Pfarrer an St. Elisabeth Metropolitan a. D. 
Christian Manger von einem langen Leiden durch 
den Tod erlöst. In Wetter geboren, kam er 1894 von 
Rosenthal nach Marburg, wo er 1913 sein Amt nieder 
legte. — In Hersfeld verschied, wenige Monate nach 
seinem 80. Geburtstag („Hessenland" Seite 147) der 
Geheime Baurat a. D. Armin X t) i et rt b e r. — In 
Fulda verschied 84jährig der Geh. Sanitätsrat Dr. Wil 
helm R a a b e, der seit 1867 als Arzt in Fulda tätig 
war und daneben seit 1874 dem Stadtparlament, von 
1897 an als Bürgrrausschußvorsteher angehörte. 
Aus A m ö n e b u r g. Prälat Jestädt aus Fritzlar 
entdeckte hier eine als Umschlag von alten Rechnungen 
aus dem 17. Jahrhundert dienende Handschrift aus dem 
9. Jahrhundert, deren Inhalt die Bestimmungen des 
Konzils von Ganara behandelt. 
Aus V o l k m a r s e n. Amtsgerichtsrat Gonner- 
mann aus Wolfhagen fand auf dem Höhenzug 4 bis' 5 
Kilometer nördlich der Kugelburg die Reste eines bisher 
unbekannten Ringwalles. 
Hessische Bücherschau. 
Gottfried August Bürger und P h i l i p P i n e 
G a t t e r e r. Ein Briefwechsel aus Göttingens emp 
findsamer Zeit. Herausg. von Dr. Erich E b st e i n. 
Leipzig (Dieterich) 1921. 221 Seiten. 
„Daß ich gar mit Bürger Briefe wechsle", schrieb 
Philippine Engelhard, geb. Gatterer, deren Leben ihre 
Nachkommin Elsbeth von Nathusius in unserer Zeit 
schrift (1919, Nr. 1—10) schilderte, 1778 in ihrem 
Gedicht „Die Porzellanlotterie". Schon Strodtmann 
hatte ihre Briefe an Bürger vor fast einem halben Jahr 
hundert in seiner vierbändigen Bürgerausgabe veröffent 
licht, während Bürgers eigene Briefe an diese char 
mante Kasseler Dichterin und Urgroßmutter Gabriele 
Reuters, die in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrt 
werden, jetzt in der verdienstvollen Ausgabe Ebsteins 
vorliegen. Der hier vollständig veröffentlichte Brief 
wechsel hat literarische Bedeutung, einmal, weil Bürger 
darin ernstlich bemüht ist, die dichterische Produktion 
Philippines durch strenge Kritik zu heben, und dann auch, 
weil er in diesen Briefen außerordentlich viel von seinem 
eigenen Innenleben gibt. Tie handliche Ausgabe ist 
u. a. mit zwei Bildnissen der Dichterin ausgestattet. H. 
Heldmann, Karl. Kriegserlebnisse eines 
deutschen G e s ch i ch t s p r o f e s s o r s i n der 
Heimat. Ludwigsburg (Verlag. Friede durch Rechts 
1922. VII, 108 Seiten.' 
Diese eigenartigen Kriegserlebnisse sind schon um ihres 
hessischen Verfassers willen von Interesse, der unseren 
Lesern ja kein Unbekannter ist. Heldmann kämpft in 
dieser Schrift für seine „moralische und wissenschaftliche" 
Reputation, die ihm die eigene Fakultät aberkannt hat! 
Wie und warum, das möge man in der temperament 
vollen Schrift nachlesen. Man darf daraus gespannt sein, 
was die philosophische Fakultät der Universität Halle- 
Wittenberg auf diese Flucht in die Öffentlichkeit ant 
worten wird. L.
	        

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