menten kennen zu lernen. Tycho war der erste Astro
nom im Abendland, der einen Mauerquadranten baute,
den Vorläufer unserer heutigen 'Meridianinstrumente.
Das war 1587. Gerade zwei Jahrhunderte später hat
der Urgroßvater des Vortragenden, Joh. Christian Breit
haupt, der Gründer der heute noch Weltruf genießenden
Firma, in Kassel den letzten Mauerquadranten von
1,98 Meter Radius angefertigt, der sich heute im
Zwehrenturm befindet. 1579 berief der Landgraf den
Schweizer Jost Büri als seinen Hofuhrmacher und
Mechaniker nach Kassel. Büri hat hier den Proportional
zirkel erfunden und die Arithmetik und Trigonometrie
erweitert durch Berechnung eines Sinuswinkels von
2 Sekunden. Vor allem war er der Erfinder der Loga
rithmen, und schon deshalb verdient sein Wohnhaus
(Graben 46) eine Gedenktafel. Im Auftrag des Land
grafen hat er eine große Kunstuhr für Kaiser Rudolf II.
ausgeführt und auch noch für Landgraf Moritz Globen
hergestellt. Er ist 1632 in Kassel gestorben. Rothmann
aus Bernburg, den Wilhelm IV. gleichfalls in Kassel
beschäftigte, hat die Genauigkeit der Quadranten von
zwei Minuten auf eine Viertelminute erhöht. Dem
Landgrafen haben wir es zu danken, daß er die Qua
dranten als Beobachtungsinstrumente einführte und die
Uhr zu einem astronomischen Institut gemacht hat. Er
lebte in der Blüte des Kunstgewerbes und hatte Glück
in der Auswahl seiner Astronomen und Künstler. Er
schätzte seine Künstler sehr hoch und bezahlte sie gut.
Ein Teil der Instrumente wurde im 30jährigen Krieg
in Sababurg, wohin sie gebracht waren, verbrannt;
trotzdem ist noch ein großer Teil vorhanden und im
Landesmuseum aufgestellt (Donnerstags kostenfreie Be
sichtigung). — Hierauf schilderte Oberst Müller-
H empfing eingehend die Ergebnisse seiner Familien
forschungen. Seine Vorfahren waren höhere kurhessische
Forstbeamte. Die fesselnden Darstellungen wurden durch
Vorzeigen zahlreicher Familienstücke belebt. Im An
schluß an das in der letzten Sitzung vom Vorsitzenden
General Eisentraut behandelte Äussterben der Land
grafen von Hessen-Rotenburg gab Zolldirektor Wo
rt n g e r in großen Zügen ein Bild von der Geschichte
der sog. „Rotenburger Quart", die auf Moritz den Ge
lehrten zurückgeht, der zu Gunsten seiner Kinder aus
zweiter Ehe der Hauptlinie den vierten Teil des Landes
entzog. Erst als im Jahre 1834 der letzte Landgraf
kinderlos verstarb, fiel die ganze Quart an die Kasseler
Hauptlinie des Fürstenhauses zurück. Bibliotheksdirektor
Dr. Hopf wies zum Schluß eindrücklich mit emp
fehlenden Worten auf die bei Victor erschienenen Er
innerungen des Kammerrats Fritz Bode („Glückliche
Tage eines Kurhessen") hin. -v
Marburger Hochschulnachrichten. Der
ord. Professor Dr. Edmund Stengel hat den Ruf
auf den Lehrstuhl für mittlere und neuere Geschichte
und zum Direktor des historischen Seminars angenom
men. — Der a. o. Prof. Dr. mock. Rudolf D i t t l e r
in Leipzig wurde zum ord. Professor der Physiologie
an unserer Universität als Nachfolger des Geheimrats
Hofmann ernannt. — Die Gesamtzahl der Studierenden
im Wintersemester beträgt 2110. Es studieren Theologie
172 Herren und 8 Damen, Jura 518 Herren und
9 Damen, Medizin 419 Herren und 54 Damen, Philo
sophie 734 Herren und 196 Damen. Es sind also 1843
Herren und 267 Damen gegen 2184 Herren und 393
Damen im Sommersemester.
Todesfälle. Im Alter von 75 Jahren wurde der
langjährige Pfarrer an St. Elisabeth Metropolitan a. D.
Christian Manger von einem langen Leiden durch
den Tod erlöst. In Wetter geboren, kam er 1894 von
Rosenthal nach Marburg, wo er 1913 sein Amt nieder
legte. — In Hersfeld verschied, wenige Monate nach
seinem 80. Geburtstag („Hessenland" Seite 147) der
Geheime Baurat a. D. Armin X t) i et rt b e r. — In
Fulda verschied 84jährig der Geh. Sanitätsrat Dr. Wil
helm R a a b e, der seit 1867 als Arzt in Fulda tätig
war und daneben seit 1874 dem Stadtparlament, von
1897 an als Bürgrrausschußvorsteher angehörte.
Aus A m ö n e b u r g. Prälat Jestädt aus Fritzlar
entdeckte hier eine als Umschlag von alten Rechnungen
aus dem 17. Jahrhundert dienende Handschrift aus dem
9. Jahrhundert, deren Inhalt die Bestimmungen des
Konzils von Ganara behandelt.
Aus V o l k m a r s e n. Amtsgerichtsrat Gonner-
mann aus Wolfhagen fand auf dem Höhenzug 4 bis' 5
Kilometer nördlich der Kugelburg die Reste eines bisher
unbekannten Ringwalles.
Hessische Bücherschau.
Gottfried August Bürger und P h i l i p P i n e
G a t t e r e r. Ein Briefwechsel aus Göttingens emp
findsamer Zeit. Herausg. von Dr. Erich E b st e i n.
Leipzig (Dieterich) 1921. 221 Seiten.
„Daß ich gar mit Bürger Briefe wechsle", schrieb
Philippine Engelhard, geb. Gatterer, deren Leben ihre
Nachkommin Elsbeth von Nathusius in unserer Zeit
schrift (1919, Nr. 1—10) schilderte, 1778 in ihrem
Gedicht „Die Porzellanlotterie". Schon Strodtmann
hatte ihre Briefe an Bürger vor fast einem halben Jahr
hundert in seiner vierbändigen Bürgerausgabe veröffent
licht, während Bürgers eigene Briefe an diese char
mante Kasseler Dichterin und Urgroßmutter Gabriele
Reuters, die in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrt
werden, jetzt in der verdienstvollen Ausgabe Ebsteins
vorliegen. Der hier vollständig veröffentlichte Brief
wechsel hat literarische Bedeutung, einmal, weil Bürger
darin ernstlich bemüht ist, die dichterische Produktion
Philippines durch strenge Kritik zu heben, und dann auch,
weil er in diesen Briefen außerordentlich viel von seinem
eigenen Innenleben gibt. Tie handliche Ausgabe ist
u. a. mit zwei Bildnissen der Dichterin ausgestattet. H.
Heldmann, Karl. Kriegserlebnisse eines
deutschen G e s ch i ch t s p r o f e s s o r s i n der
Heimat. Ludwigsburg (Verlag. Friede durch Rechts
1922. VII, 108 Seiten.'
Diese eigenartigen Kriegserlebnisse sind schon um ihres
hessischen Verfassers willen von Interesse, der unseren
Lesern ja kein Unbekannter ist. Heldmann kämpft in
dieser Schrift für seine „moralische und wissenschaftliche"
Reputation, die ihm die eigene Fakultät aberkannt hat!
Wie und warum, das möge man in der temperament
vollen Schrift nachlesen. Man darf daraus gespannt sein,
was die philosophische Fakultät der Universität Halle-
Wittenberg auf diese Flucht in die Öffentlichkeit ant
worten wird. L.