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der deutschen Ordens- und Missionszentrale Fulda.
Bonifatius hatte unterdessen, durch den Zuwachs an
Mitteln und Kräften angefeuert, die deutsche Mission
verselbständigen, für sich aber die Arbeit in Friesland
wieder aufnehmen wollen; doch Papst Gregor III.
(731—741) wies - ihn gelegentlich der dritten Romreise
737/38 in die bewährte Arbeit zwischen Rhein und
Saale, Main und Edder zurück. So schritt er denn
zur Aufteilung dieses weiten Gebietes in kirchliche
Sprengel: Hessen empfing auf dem schon befestigten
Buraberge seinen Bischofssitz, der Angelsachse Witta
wurde e r st e r H e s s e n bi s ch o f. Papst Zacharias
(741—752) dehnte die Sendung seines germanischen
Glaubensboten auf Neustrien aus. Die großen Reform
synoden der Jahre 742 (21. April: Concilium Ger
manicum), 743 (1. März zu Estinnes im Hennegau:
Concilium Liftinense für Austrasien), 744 (3. März
zu Soissons: Goncilium Suessionense für Neustrien),
745 und 747 (für das Gesamtfrankreich) stehen im
Lichte dieses weitgreifenden Legatenamtes. Doch eben
die Tätigkeit im stark verwilderten Westreiche weckte bei
Bonifatius den Sinn für die heimischen Werte, das zu
nehmende Alter von mehr als 70 Jahren lehrte ihn, auf
das Erreichbare sich zu besinnen. Daher erstrebte er
um 745 einen festen erzbischöflichen Sitz im
O st r e i ch e. Köln wurde mit Genehmigung der frän
kischen Majordome als Metropole in Aussicht genommen;
Papst Zacharias erteilte seine Zustimmung. Doch per
sönliches Gegenspiel, mehr aber noch politische Bedenken
ließen diesen großen Plan scheitern. Bonifatius siedelte
um 746 nach Mainz über, persönlich zwar (seit 732)
Erzbischof; indessen blieb Mainz weiterhin einfaches
Bistum. Dieser Mißerfolg verminderte erheblich seine
"Freude am germanischen Werk. - -Hm den schlimmsten
Gefahren zu begegnen, schloß er die ihm ergebenen
Bischöfe des Gesamtreiches in einer Ergebenheitserklärung
an den Papst zusammen; diese Reichsversammlung des
Episkopats sollte den vermittelnden Metropoliten ersetzen.
Seinen Klerus empfahl er der Huld König Pippins.
Mit mehr als 50 Gefährten trat er dann Frühjahr
753 die Reise nach Friesland an. Am 5. Juni 754
verblutete der Meister mit seinen Getreuen unter den
Streichen erregter Heiden zu Dokkum. Einen Monat
später bereits stritten zu Mainz zwei Bonifatiusschüler,
Lul und Sturm, um des Führers Leiche: ein Vorspiel
zum nahenden Kampfe um des Führers Werk. Lul
folgte dem Heiligen in Mainz) doch gleichfalls nur als
einfacher Bischof. Aber er wollte nun überall nachsehen
und eingreifen wie ehedem sein Lehrer, obgleich er doch
nicht mehr Rechte besaß als etwa Bischof Witta von
Buraburg. So geriet er bald in Konflikt mit der
Mönchsgemeinde von Fulda. Ihr zum Trotze gründete
er gegen 770 ein eigenes Kloster, ein „Trutz-Fulda" zu
Hersfeld. Dieses erwarb bald Besitzungen im Eddertale,
eine Gefahr zu Zusammenstößen" mit der hessischen
Kirche. Der Hessenbischof war mittlerweile (vor 765)
bereits verschieden, sein Sprengel seitdem ohne Ober
hirten. In der Zeit 780—782 erhob Papst Hadrian I.
(772—795) Mainz zum Erzbistum; trotzdem hat
Lul Buraburg nicht wieder besetzt. Er ver
leibte Hessen seinem engeren Mainzer Sprengel ein,
vermehrte damit dessen Umfang, Ansehen und Einfluß
und baute auch so jener umfassenden kirchlich-politischen
Stellung vor, die Mainz nun bald empfangen und für
mehr als ein Jahrtausend behaupten sollte. Buraburg
wurde so zwar dem Lande alter Rheinkultur genähert;
doch erstarb damit auch langsam die völkisch-eigenartige
Ausprägung des Christentums in Hessen. Redner ging
auch kurz ein auf die Frage nach der Örtlichkeit
der Geismartat und kennzeichnete als bonifa-
tianisches Geismar zweifelsohne Geismar im bottifa-
tianischen Hessen, d. i. im Eddertale, also Geismar
a. Elbe, das jetzt noch als Haufendorf vorhanden ist; als
Standort der Eiche selbst die Höhe bei Geismar, wo
die Petriftiftskirche (von Fritzlar) sich erhebt. Die
Peterskapelle aus dem Holze der Donnereiche war die
erste Vorgängerin eben dieses heutigen Petersdomes.
Hier auf der Höhe hat volkstümliche Erinnerung noch
bis 1521 die kühne Tat in jedem Lenze gefeiert. Ein
deutscher Maler, Philipp Veit, verlegte schon vor nun
mehr 80 Jahren in seinem gewaltigen Werke „Ein
führung der Wissenschaften und Künste in Deutschland
durch das Christentum" (Städelsches Institut, Frank
furt a. M.) die Geismartat auf den Petrikirchplatz von
Fritzlar: genialer Künstlerblick hat intuitiv richtig er
schaut, was die Forschung erst in langwieriger Reflexion
erkennen sollte.
Am wissenschaftlichen Unterhaltungsabend des Kas
seler Vereins (4. Dezember) bot Fabrikant Dr.-Jng.
h. c. Wilhelm Breithaupt eine anschauliche und
auf gründlicher Sachkenntnis beruhende Darstellung der
astronomischen Forschungen Landgraf Wilhelms IV.- und
seiner Mitarbeiter. Schon als Prinz galt dieser Fürst
als einer der bedeutendsten Astronomen seiner Zeit,
und das Wilhelmszimmer unseres Landesmuseums birgt
heute noch zahlreiche Kunstuhren und astronomische In
strumente, die .z. T. nach Zeichnungen Wilhelms an
gefertigt sind. Darunter befindet sich auch die seinerzeit
von August Cöster im 15. Band der Bereinszeitschrift
beschriebene große astronomische Kunstuhr, die jedoch
nicht von Bürgt, wie Esöster annimmt, sondern von
zwei Marburgern, dem hochbegabten einstigen Schneider
Eberhard Baldewein und Hermann Diepel hergestellt
und 1561 vollendet wurde. Das im Innern mit einem
Uhrwerk versehene auch heute noch staunenswerte Werk
stellt die Bewegungen der damals bekannten Planeten
nach dem Ptolemäischen Weltsystem dar, ferner den
Stand des Mondes, gibt die Jahreszahl, das Datum,
die beweglichen und unbeweglichen Feste des Kalenders,
die Stunden, die Tages- und Nachtlängen an und findet
seinen architektonischen Abschluß in einem Himmels
globus, der sich innerhalb 24 Stunden einmal um
seine Achse dreht. Ein von denselben Künstlern an
gefertigtes ähnliches Kunstwerk schenkte der Landgraf
dem Kurfürsten August von Sachsen; es ist heute noch
im Dresdener Museum erhalten. Landgraf Wilhelm,
durch die Werke des Peter Apianus zu seinen Studien
angeregt, wär der erste, der die Zeit als Beobachtungs
clement einführte, indem er eine die Sekunden an
zeigende Uhr herstellen ließ. Das war eine große Tat.
Jahrhunderte lang hat man geglaubt, er habe schon
durch Bürgt eine Pendeluhr herstellen lassen, aber erst
Galilei hat das Pendelgesetz gegeben, und erst Huygens
hat das Pendel bei Uhren in Anwendung gebracht.
Etwa 1563 begann er seine OrtsbestiMMung der Fix-
ster-ne mit einem kleinen 'Quadranten; er wollte einen
Sternkatalog von 1000 Sternen anlegen, hat aber nur
52 Sterne bestimmt; dann haben seine Astronomen
Rothmann und Büri etwa 200, und Tycho de Brahe
hat über 1000 bestimmt. Um auf seinen Reisen in
sternklaren Nächten zur Beobachtung ein rasch aufzu
stellendes Instrument zu haben, ließ er durch Baldewein
und Diepel einen mit einem Uhrwerk versehenen und den
Bewegungen der Fixsterne folgenden Himmelsglobus
anfertigen, der 1575 vollendet wurde und sich heute im
physikalischen Institut zu Marburg befindet. 1575 kam
der junge dänische Astronom Tycho nach Kassel, um
den Landgrafen, seine Sternwarte und seine Jnstru-