Full text: Hessenland (36.1922)

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Bitte hin überwiesen zur Verwendung für vorgeschriebene 
Zwecke, bot Preußen Gelegenheit, einen Teil der Aus 
gaben, die es Kurhessen schuldete, auf das Vermögen des 
annektierten Landes abzuwälzen und den neuen Unter 
tanen den Schein einer an Preußen ungewohnten 
Generosität vorzutäuschen. Der Laudemialfonds 
von rund 5 Millionen Talern wurde ohne jeden Um 
weg der preußischen Staatskasse zugeführt. Im übrigen 
hat bei der Fusionierung Kurhessen 27 Millionen Taler 
mehr eingebracht als Preußen. Nach Oetkers Berech 
nung erbrachten die kurhessischen Forsten ungefähr den 
doppelten Reinertrag wie bte. preußischen. Im kur 
hessischen Staatshaushalt von 1862 war der Erlös aus 
den Forsten mit 950570 Talern eingestellt; im preu 
ßischen Staatshaushalt von 1913 sind die Einnahmen 
aus den Forsten des Regierungsbezirks Kassel mit 
8794000 Mark eingesetzt. Die Angaben der Denk 
schrift über die Minderwertigkeit der hessischen Forsten 
seien durch diese Zahlen widerlegt und gebrandmarkt. 
Auch die Angaben der Denkschrift über Preußens Ver 
dienste um Kurhessen bedürften der Prüfung. Nach An 
gabe der Denkschrift seien in Kurhessen unter preu 
ßischer Verwaltung 500000 Hektar verkoppelt worden, 
Kurhessen habe aber nur 411000 Hektar Ackerland; es 
seien einfach die Zahlen für Hessen und Nassau berechnet 
worden. Wenn die Denkschrift den Zuschuß für die 
Universität Marburg in 50 Jahren auf 50 Millionen 
Mark berechne, so habe sie um ganze 20 Millionen nach 
oben abgerundet. Es sei ein starkes Stück, Kurhessen, 
das finanziell so günstig stand wie kein anderer Staat 
des Deutschen Bundes, für unfähig zu erklären, seine 
Universität zu erhalten. Kurhessen sei, wenn es Herr 
seiner Verwaltung und seiner Finanzen blieb, stark 
genug gewesen, die Marburger Hochschule mindestens 
ebenso hoch und reichlich auszustatten wie es Preußen 
getan hat; es hätte auch die Eddertalsperre ohne fremde 
Hilfe bauen können. Ein gesamthessischer Staat werde 
gleichfalls ohne ~ Schwierigkeit leben und den Aufstieg 
des Reiches fördern können, wenn ihm nur dieselben 
Rechte in vollem Umfang belassen werden, die die 
andern deutschen Länder besitzen, um ihre Pflichten er 
füllen zu können. — Von einer Besprechung der Gegen 
schrift wurde auf Beschluß des Vorstandes abgesehen. 
Geheimrat Scheibe sprach hierauf über das 1895 im 
Auftrag des Geschichtsvereins von Franz Gundlach 
herausgegebene „Kasseler Bürgerbuch" (1520—1699), das 
eine reiche Ausbeute für die Kultur- und Sprachgeschichte, 
besonders aber auch für die Familienforschung bietet 
und in einer Anzahl von Exemplaren noch vom Verein 
käuflich abgegeben wird. Der Vorsitzende General Eisen 
traut legte ein französisches Werk von 1761 vor, das 
die Rechtfertigung des Grafen Wilhelm von Schaum- 
burg-LiPpe-Bückeburg enthält, der im Februar 1761 die 
Belagerung Kassels aufgeben mußte, und weiter das 
dem Verein geschenkte Tagebuch des Kapitäns Vogeley. 
1834 war mit dem Tode des Landgrafen Viktor Ama 
deus die männliche Linie der Landgrafen von Hessen- 
Rotenburg ausgestorben, und die Rotenburger Quart 
hätte wieder an die Landgrafschaft Hessen zurückfallen 
müssen. Während sich 1835 noch bei den Landständen 
der Streit darum drehte, ob die Quart an den Kurstaat 
oder das Kurhaus zurückfallen würde, erklärte die bisher 
kinderlose Witwe des Landgrafen, eine geborene Prin 
zessin Eleonore von Salm-Reifferscheid, daß sie ihrer 
Niederkunft entgegensehe. Um eine Kindesunterschiebung 
zu verhüten, wurde sofort eine Kommission ernannt uno 
gleichzeitig ein militärisches Kommando von Kassel zu 
eingehender Beobachtung nach Rotenburg geschickt. Schließ 
lich mußte die Landgräfin erkennen, daß sie nicht in 
anderen Umständen war. Sie ist 1855 in der Gegend von 
Brünn an einem Stürz aus dem Wagen verstorben. 
Vogeley, der dem Rotenburger Kommando angehörte, 
gibt in seinem Tagebuch eine eingehende Schilderung der 
dortigen Vorgänge. Zolldirektor Woringer knüpfte 
an die bekannte Lewaltersche Hypothese an, daß der 
„Y ankee-Doodle“, das volkstümlichste Lied Ame- 
-rikas, ursprünglich ein Schwälmer - Tanz sei und im 
Unabhängigkeitskrieg 1776 als Tambourmarsch mit den 
hessischen Truppen nach Amerika gekommen sei. Woringer 
hat nun ermittelt, daß die Melodie bereits 1775, ehe die 
Hessen nach Amerika kamen, von englischen Militär 
musikern gespielt wurde. In Amerika wurde sie am 
häufigsten von den Wales-Füsilieren gespielt, die im 
7 jährigen Krieg mehrere Jahre in Hessen und auch 
monatelang in der Schwalm gestanden haben. Höchst 
wahrscheinlich ist sie also durch diese Füsiliere nach 
Amerika gelangt, wo sie die Amerikaner als englischen 
Marsch kennen lernten, der dann immer weiter bekannt 
und schließlich zur Melodie des Vankee-vooäle wurde. 
Hauptlehrer Boß machte zum Schluß noch eingehende 
Ausführungen über sächsische Siedlungen im fränkischen 
Hessengau, an die er Vermutungen über die ursprüng 
lichen Wohnsitze der sächsischen Siedler knüpfte. 
In der Monatsversammlung des K wsße l e r Ge - 
s ch i ch t s v e r e i n s am 20. Nov. zeichnete ennä. MI. 
Franz Flaskamp aus St. Vit bei Wiedenbrück in 
Wests. — bekannt durch mehrere neuere Bonifatius- 
studien, u. a. Bonifatius und die Sachsenmission: Ztschr. 
f. Missionswissenschaft VI (1916) 273—285; Bonifatius 
als Missionsfeldherr: Jllustr. Missionsblätter VI (1918) 
37—42 — ein Bild der Bekehrung Hessens zum Christen 
tum. Ende 721 — Anfang 722 kam Bonifatius ins 
damalige Hessen, das Gebiet der unteren Edder. Dieses 
war bis dahin ein noch vollkommen heidnisches Land; 
an der Donnereiche auf der Höhe bei Geismar a. Elbe 
hatte es seinen religiösen und damit politischen Mittel 
punkt, Ostern oder Pfingsten 722 fand bereits die erste 
Mässentaufe im Ed der tale statt. Papst Gre 
gor II. (715—731; ernannte, durch diesen Erfolg er 
mutigt, am 30. November 722 Bonifatius zum Ger 
manenbischof, übertrug ihm damit die volle Bekehrung 
des hessischen Volkes, wies ihn aber auch schon auf die 
kirchliche Ordnung Thüringens hin. Die Größe der 
Aufgabe und Mangel an Hilfskräften erforderten ein 
Einsetzen seiner Person in einer bedeutenden Tat: das 
war die Eichenfällung von Geismar im 
Herbst 723. Aus dem Holze des Götterbaumes haupt 
sächlich zimmerte die Missionsgemeinde auf der Berges 
höhe ein schlichtes Bethaus und weihte es dem Apostel 
fürsten Petrus. Anfang 724 fügte man ihm eine kleine 
Zellensiedlung von Benediktinermönchen bei unter dem 
Namen „Frideslar", d. h. Friedensstätte. Als der 
Heilige Ende des Jahres nach Thüringen weiterzog, 
übertrug er seinem Landsmann Wigbert d. Ä. die Lei 
tung als Abt. Dieser legte durch Gründung einer 
Klosterschule (schola interior) den Boden für eine Ver 
schmelzung von Mission und Volk. Um 737/38 segnete 
Wigbert das Zeitliche; Tatwin wurde sein Nachfolger, 
der angelsächsische Priester Wigbert d. I., mittlerweile 
in Hessen angelangt, Vorsteher der Klosterschule. Etwa 
735 hatte Fritzlar schon einen hochbegabten deutschen 
Novizen empfangen, den Bayern Sturm. Er wurde hier 
gegen 740 zum Priester geweiht, wirkte dann ungefähr 
drei Jahre in der hessischen Seelsorge und unternahm 
Frühjahr 743 mit Zustimmung und Weisung des 
Bonifatius seine Forschungsreise im Fuldawalde; am 
12. März 744 pflanzte er das Kreuz in der Eichloh an 
der oberen Fulda auf und begann damit die Gründung
	        

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