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veranlaßt zu haben, 1574 ein Jahr lang eine
Hauptmannstelle bei dem Grafen Johann von Ol
denburg anzunehmen. Dann führte er ein Jahr
lang seinem alten Kriegskameraden von Schoonen
her Hilmar von Quernheim die Rechnungs
bücher und ließ sich schließlich von zwei alten
Spießgesellen Ste ntz el von Namslo und Ru
dolf Leffert, Hauptleuten in des Obristen
Lazari Müller Regiment, überreden, noch ein
mal einen Feldzug als Regimentsschultheiß mitzu
machen. Es scheint sein letzter gewesen zu sein.
Er sagt nicht, wohin es ging, nur daß die finan
ziellen Versprechungen, die man ihm gemacht, nicht
gehalten wurden. Neun Monate hielt er aus, dann
kehrte er „on alle frucht" zurück. Wie es dann kam,
daß er in die Dienste des Landgrafen Wil-
h e l m s IV. von Hessen trat, ist nicht recht klar.
Er erzählt nur, daß er „für ein gewisses geld" im
Jahre 1579 von seinem gnädigen Landesfürsten
und Herrn zum „Hauptmann von Haus aus" be
stellt wurde, und zwar war dies eine Bestallung für
Lebenszeit. Seine Verpflichtung bestand wohl nur
darin, im Falle eines Krieges die Werbung und
Führung eines Landsknechtshaufens zu übernehmen;
denn stehende Truppen hatte der Landgraf noch
nicht. Riege blieb daher auch in Westfalen, wo
er weiter von seinen ritterlichen Freunden mit ver
schiedenen Verwaltungsgeschäften beauftragt war.
Drei Jahre lang war er Statthalter „uf der Laghe"
für den Johanniterkomtur Moritz L e s ch von
Müllnheim; und 1585 vertauschte er dies Amt
mit der Verwaltung der Komturei zu Hervord
ebenfalls im Aufträge von Ritter Lesch. Es war
sein letztes Amt dieser Art. Der Ärger mit den
Bauern, die Kargheit seines Brotherrn und vor
allen Dingen das Bedürfnis nach Ruhe veranlaßten
ihn, die Verwaltung der Komturei aufzugeben. Er
verließ Hervord und zog „in der Rintelschen Hos6,
Zu fuern ein einsam stilles leben
In meines Herrn Lantgraven Pflicht
Und sonsten keines andern nicht.
Riege benutzte die Muße seines Lebensabends
auf dem Rintelschen Hofe dazu,' seine zahlreichen
Dichtungen und Kompositionen zu ordnen und auf
zuzeichnen. Sie sind ups in fünf handschriftlichen
Bänden der Berliner Staatsbibliothek (Ns. germ. 4°
864) erhalten, die früher einmal im Besitze des
Büchersammlers Ludolph von Münchhausen und
später eines gewissen Jakob Bernhard von Weicker
gewesen sind. Aus einem Briefe R i c o l a u s
Selneccers an Riege geht hervor, daß Riege
6 Ich habe nicht feststellen können, wo dieser Rintelsche
Host lag. Krabbes Vermutung, daß R. nach Rinteln
selbst an den Hof gezogen sei, vermag ich nicht zu teilen.
Jedenfalls lag der Hof in der Nähe von Rinteln bzw.
Minden.
seine geistlichen Lieder (sie füllen- zwei Bände der
Handschrift) einmal an diesen Leipziger Theologen
und Psalmendichter (1532—92) 6 7 zur Begutachtung
gesandt hat, der ihm dringend zuredete, die „schönen
herrlichen Psalmen ufs eheste in Druck zu geben.
Dann es ja fünde wehre, so ihr sie allein für euch
wollet haben". Dazu ist es aber nicht gekommen.
Wir können auch nicht in das überschwengliche Lob
Selneccers einstimmen, der von Nieges „geistreichen
gesengen" sagt, daß sie „weder mit gold noch silber
zu bezalen" seien. Auch Vilmar, der freilich nur
wenige Bruchstücke kannte, hat diese offenbar über
schätzt. Größeres Interesse für die Nachwelt als
Nieges geistliche Lieder können seine weltlichen Dich
tungen beanspruchen, weniger um ihrer oft recht
mäßigen Form als um des Inhalts willen. Wüßte
man es nicht schon aus der Lebensgeschichte des
Dichters, daß er viel in der Welt herumgekommen
war und in die politischen Händel seines Jahr
hunderts manchen Einblick getan hatte, so würde
man es aus seinen Gedichten erfahren. Er besang
alle möglichen Zeitereignisse, rein lokale wie die
Hexenverbrennungen zu Buxtehude und Stade oder
die Todesfälle und Familienfeste seiner großen enge
ren und weiteren Bekanntschaft, aber auch wichtigere
Weltbegebenheiten wie die politischen Wirren in
den Bistümern Bremen und Minden und im Herzog
tum Braunschweig, die Kämpfe der Niederländer
gegen Alba, die Hugenottenkriege usw., oft in der
vielfach variierten Form deutscher Chronostichen, in
denen die als römische Zahlzeichen dienenden Buch
staben der Verse die Jahreszahl des besungenen Er
eignisses angeben. Solche Künsteleien und Spiele
reien liebte er überhaupt. So muß man in seinem
Lebenslaus alle angegebenen Daten erst umständlich
nach einem ziemlich komplizierten Zahlenrätsel be
rechnen. Viele Gedichte sind den kirchlich-religiösen
Zeitereignissen gewidmet, wobei Riege, ein leiden
schaftlicher Anhänger Luthers, es nicht an scharfen,
oft direkt unflätigen Ausfällen gegen den Antichrist
in Rom und seine Anhänger fehlen läßt. Die
Kalenderreform Gregors XIII. gab ihm den Anlaß
zu einem langatmigen „Gesprech eines reisenden
Kaufmanns, Wirtes und. Studenten", worin der
kluge Student Johannes den beiden andern ein
Licht über den neuen in Rom ausgeheckten Schwin
del aufsteckt?
7 Dichter der bekannten Gesangbuchslieder „Laß mich
Dein sein und bleiben" und „Ach bleib bei uns, Herr
Jesu Christ".
s Was konfessionelles Vorurteil in dieser Frage be
deutete, kann man an dem Urteil eines so klugen und
mathematisch gebildeten Fürsten, wie LandgrafWilhelmIV.
>var, über das verdienstvolle Reformwerk des Papstes
sehen. Vgl. Rommel 5, 490 ff. Nach Einführung der
Reform renommierten die mainzischen Bauern der hes-