Bauerntöpferei in Hessen.
~ Man sagt dem Bauern oft, mehr oder weniger
rühmend, nach, er hänge am Alten und sei konser
vativ. Doch das stimmt heutzutage nur noch teil
weise; denn in der Lebensführung und in vielen
Äußerlichkeiten merkt man auch auf dem Lande
von der „guten alten Zeit" nicht mehr viel. Man
gehe jetzt nur mal in die Bauernstuben. Da sieht
man allen möglichen städtischen Tand und Schund
und Dinge„ die sich zwar in anderer Umgebung
recht gut machen würden, hier aber geschmacklos
und lächerlich-protzenhaft wirken, wie ich es z. B.
neulich sah: ein Klavier, davor ein Sofa, daneben
ein Schreibtisch und davor noch ein Sofa. Wie
gut paßten doch früher die blank, gescheuerten Holz
bänke und Tische zu den auch etwas „hölzernen"
eckigen Bauern in ihrer schlichten Art. Und auf
den Gesimsen und Tischen prangen jetzt die ab
scheulichsten Vasen und bei den Mahlzeiten das
Häßlichste, was es in der Art gibt, das Emaille
geschirr statt der alten farbenfrohen Schüsseln,
Teller, Kannen und „Dipperche" mit altüberlieferten
Blumen, Figuren und Sprüchen, die der Werkstatt
der Dorftöpfer entstammen. Das ziemlich wider
standsfähige Emaillegeschirr.und die langwierige
- Herstellung der Töpferwaren, die der auf schnellen
und leichten Verdienst bedachten jungen Generation
nicht genug „einbringt", bedrohen die alte Bauern
töpferei mit dem Untergang. Es gilt deshalb, dem
gefährdeten Handwerk wieder emporzuhelfen im
Hessenland, wo die Töpferei besonders in Marburg
und im Vogelsberg blühte. Die Landbevölkerung
muß erkennen, daß die „Dipperche" doch praktischer
und schöner sind als aller moderner Fabrikkram.
Dann besteht die Hoffnung, daß dieser wertvolle
Handwerkszweig wieder zu neuer Blüte kommt.
Wir Städter können dabei mithelfen, durch An
erkennung und Nachfrage nach echten „Dipperchen".
Den Blick auf die hessische Bauerntöpferei zu len
ken, ist der Zweck der vom Frankfurter Kunstgewerbe-
Museum und der „Arbeitsgemeinschaft des Werk
bundes für den Mittelrhein" veranstalteten Aus
stellung „Hessische Keramik" gewesen, die neulich
erstmalig im Frankfurter Kunstgewerbe-Museum zur
Schau gestellt wurde und auch in anderen hessischen
Städten noch gezeigt werden soll. Diese Veranstal
tung, die einen vollständigen Überblick über dieses
ganze Handwerk gibt, hat hoffentlich der hessischen
Keramik weitere Freurwe gewonnen und die hei
mischen Töpfer zu neuer hossnungsfreudiger Arbeit
angeregt. Werner S u n k e l.
—
Herbst.
Eine sommermüde Rose träumt bei mir im Glase.
Sehr zart und arm an Blut ist sie wie die letzten
Sprossen eines alten Adelsgeschlechts, das zu lange
schon am selben Stamm ohne neu gepfropfte Reiser
blühte.
Wir brachten sie heim von dem einsamen Mann
im, Dorf. Freudlos und unschön ist sein Haus,
freudlos war sein Ansehen und sein Reden, freud
los schien sein Herz. Der welkende Tag, durch den
wir zu ihm wanderten, war ein wenig verschleiert
und ganz hingegeben an eine milde Schmerzlichkeit,
die nicht wehetut. Doch die liebearme Ode des
Pfarrhauses tat weh.
Wir sprachen Dinge, kaum des Sprechens wert.
Da war kein Weg von uns zu ihm. Wir gingen
durch den wildnisgleichen Garten, den keine liebende
Sorge umhegt. Die Rose, die hochstämmige, die
mit der blühenden Krone zur Erde gestürzt war, wie
schüttete sie silberne Wassertropfen aus Blättern
und Kelchen, als du sie liebevoll aufrichtetest aus
dem nassen Grase. Es war, als ob sie weinte.
Der ganze Garten in seiner armen Trostlosigkeit
schien..zu weinen. Faulende Äpfel im Gras, ein ver
nachlässigter Bienenstand, zerbrochene Tische und
Bänke, Unkraut und Scherben überall. Was mühten
die späten Rosen sich doch vergebens, den Verfall
zu überblühen.
„Ich bin zu alt", sagte der Mann mit den müden
Schultern. Er blickte verzagt umher und öffnete
mit einer hoffnungsleeren Gebärde die magere Hand,
als ließe er sein ärmliches Leben aus den Fingern
gleiten. „Ich bin zu alt."
Mitleidend trafen sich dein und mein Blick — in
deinem glomm die schöne Wärme des Trösten-
wollens, in meinem fror die zage Angst vor der
Not einsamen Alterns.
„Das war das Reich meiner Frau", sagte der
alte Herr, in ein regenzerschlagenes Durcheinander
von Strauchastern fassend, um sie ratlos und, als
lohnte es nicht der Mühe, gleich wieder zu Boden-
fallen zu lassen. Und dann leiser: „Meine gute
Frau ist mir gestorben."
Er sagte: gute Frau und er sagte: mir ge
storben. An den beiden kleinen Worten blieb mein
Herz hängen. Es war nicht nur der wilde Garten,
'der trauerte und -wartete auf die pflegende Hand
der Toten.
Wir schwiegen und der Alte sann mit verlorenem
Blick ein wenig in die herbstliche Stille hinein.
Verblaßte Bilder mochten wieder Farbe gewinnen.
Sein Herz ging wohl zurück in hellere Zeiten, wo
auf den Stiegen im Haus und auf den Steigen im
Garten Frauenkleider rauschten —, wo eine freund
liche Frauenstimme durch die schweigende Ode