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ministerium zur Gutheißung zu serrden. Von den
Zivilprozessen des Kriegsministeriums will ich zwei
Gattungen etwas näher berühren, nämlich die Pro
zesse wegen der Exerziergerechtigkeiten (auf dem
Forst und dem Schützenplatz bei Kassel, dem Graß
bei Wehlheiden, dem Meßhagen zwischen Hofgeis-
mar und Grebenstein und der Dörnigheimer Heide
bei Hanau) und dann die zahlreichen Klagen alter
kurhessischer Soldaten auf Gewährung und Nach
zahlung kapitulationsmäßiger Pension von 1 Taler
monatlich auf Grund der Verordnung vom 15. Sep
tember 1789. Nachdem die kurhessische Verfassungs
urkunde vom 5. Januar 1831 die Eröffnung des
Rechtswegs für Forderungen gegen den Staat aus
gesprochen hatte, war von einem alten Soldaten
auf Gewährung der in jener Verordnung verheißenen
Pension geklagt und der Prozeß von ihm in höchster
Instanz gewonnen worden. Sein Beispiel fand
mehrfache Nachahmung mit gleichem Erfolg. Als
daher kurz nach meinem Eintritt in das Kriegs
ministerium wiederum eine derartige Klage einlief,
beantragte ich deren gütliche Erledigung. Aber
Kriegsminister Schmidt wollte davon nichts hören,
indem er das Recht der betreffenden Soldaten nicht
anerkannte und behauptete, daß das Oberappellations
gericht bei der Beurteilung von falschen Grund
sätzen ausgehe. So wurde sich denn auf die Klage
eingelassen, freilich ohne günstigen Erfolg. Später
gelang es mir, bei dem Oberappellationsgericht
durchzusetzen, daß den Klägern nur Verzugszinsen
vom Tage der Klagbehändigung, nicht, wie bisher
in mehreren Fällen geschehen, von der Fälligkeit
der einzelnen Pensionsbeträge ab zuerkannt wurden.
Auch gelang es mir in einzelnen Fällen auf Grund
der besonderen Verhältnissen entnommenen Ein
reden Zurückweisung der Klagen herbeizuführen.
Im allgemeinen aber wurde sich nach dem Abgang
von Schmidt mit den durch die Umtriebe eines
Winkelschreibers in Hofgeismar immer zahlreicher
auftretenden Forderungsberechtigten in billiger
Weise gütlich verständigt.
(Fortsetzung folgt.)
Der Schabbesgast.
Von M. Brehm.
Freitagnachmittag. Den Kochtopf mit dem vor
bereiteten Schabbesgericht im Arm, strebten die
Judenfrauen dem Backhaus zu, um es dort über
Nacht schmoren zu lassen. Ganz wie zufällig stand
in dem Backraum, lässig an den Tisch gelehnt, die
Füße übereinandergeschlagen, die Hände in den
Hosentaschen, der Kallmen. Neben ihm lag, gleich
sam zur Begründung seiner Anwesenheit, der halbe
Brotlaib, den er eben vom Bäcker erstanden hatte.
Der Kallmen hatte sich so ausgestellt, daß die Blicke
der ankommenden Frauen sofort auf ihn fallen
mußten. Er begrüßte jede aufs freundlichste, rich
tete an die eine ein Scherzwort, suchte mit der
andern ein Gespräch anzuknüpfen, das, je nach
Person und Umständen, das schöne Wetter, das
letzte Tagesereignis oder auch den Inhalt ihres
Kochtopfs betraf. Aber der Kallmen mußte die
unerfreuliche Erfahrung machen, daß die meisten
der Frauen ihm mit Zurückhaltung, wenn nicht
mit Abweisung begegneten. So verstummte er zu
letzt und begnügte sich damit, zuzusehen, wie der
hart bedrängte Bäcker seiner Aufgabe gerecht wurde,
von den Frauen, von denen eine jede zuerst bedient
sein wollte, die Töpfe entgegen zu nehmen und in
den Ofen zu schieben. Aber obwohl dies Schauspiel
eine anregende Unterhaltung bot, verfinsterten Kall-
mens Mienen sich, mehr und mehr — keine Einzige
hatte ihn für den morgenden Schabbes zu Tische
geladen, obschon sie wußten, daß für ihn kein Topf
in den Ofen geschoben wurde! Und warum überging
man ihn? Nur, weil der Gäßchen-David dazu
gekommen war, als er vorgestern in einem Wirts
haus der Kreisstadt trefe gegessen hatte. Ach, diese
Stockjuden, diese Moscheroschs, die am Alten, Un
sinnigen klebten, weil sie ein Brett vor dem Kopfe
hatten, weil sie niemals wie er, der Kallmen, in die
Welt hinausgekommen waren!
Der Backraum leerte sich allmählich, nur wenige
Töpfe noch waren in den Ofen zu schieben. Der
Topf der Blümchen kam zuletzt, weil ihr heute das
Beschließeramt am Backofen zufiel. Der Bäcker
legte die Ofentüre an und schob den Riegel vor.
Die Blümchen kam mit einem großen Vorhänge
schloß, drehte den Schlüssel um und versicherte sich
durch vielmaliges Zerren und Rütteln am Schlosse,
daß sie ihres Amtes gilt walte. Dann ging auch
sie. Ingrimmig sah der Kallmen ihr nach, seine
Blicke hingen an dem Schlüssel, der zusammen mit
einer Holzkugel auf einen dünnen Lederriemen ge?-
schnürt, an Blümchens Fingern baumelte. — Dieser
Schlüssel hütete den kostbaren Schatz, an dem er
nicht teilhaben sollte, zum erstenmal, seit er nach
langer Abwesenheit in die alte Heimat zurückgekehrt
war. Bisher hatte ihn, den Unbeweibten, an jedem
Schabbes eine der Familien zum Essen geladen —
morgen würde er hungern müssen.
Der Kallmen nahm seinen halben Brotlaib unter
den Arm und ging langsam heim. Beim Lumpen-
schmul hatte er eine kleine Kammer inne. Ein Tisch,
ein Stuhl und eine armselige Lagerstatt bildeten
das Mobiliar seines Wohnraums. Auf dem Boden
stand ein abgenutzter Reisekoffer, an der Wand
hingen ein Paar schäbige Kleidungsstücke.
Der Kallmen legte sein Brot auf den Tisch, schob
die Hände in die Hosentaschen und trat an das
kleine Schubfenster, das einzige des Raumes. Ge-