in der die Bewohner der umliegenden kleinen Siede
lungen sich und ihre Herden in Zeiten der Not
bergen konnten. Endlich zogen sich diese, der Trang-
sale müde, ganz hinter den Mauerring zurück, der
nun ein großes, von Häusern nie ganz ausgefülltes
Oval bildete. Sie blieben lange im Stande der'
Unfreiheit und bildeten Gemeinden mit gesonderten
Feld- und Waldmarken, sie behielten demnach auch
ihre Gemeinheiten, und noch heute bestehen in den
Meierschaften Verbände mit gemeinsamem Grund
besitz, deren Mitglieder vom Erbe der Vorfahren
zehren. Da die meisten der ausgegangenen Orte
eigene Kapellen gehabt hatten, so wurde auch in
kirchlicher Beziehung die Trennung aufrecht erhalten,
und zwar wurde zuerst die Marienkirche in ¡bec
Neustadt, dann gegen Ende des 13. Jahrhunderts
die Peterskirche in der nach ihr benannten Peter-
stadt gebaut. Diese Bauerschaftskirche war die jüngste
der drei Pfarrkirchen, blieb längere Zeit unselbstän
dig, war kärglich ausgestattet und wurde bei der
Einführung der Reformation sofort aufgegeben, um
verkauft zu werden zum Besten des Hospitals. Da
sich wohl kein Käufer fand, verfiel der Bau, der
in der bestehenden Form aus dem Jahre 1449
stamnlte und wohl die erste des Namens würdige
Kirche darstellte. Nachdem das Schiff schon im
'Anfang des 18. Jahrhunderts ein Trümmerhaufen
geworden war, erlitt der Turm am 31. Oktober
1782 solchen Schaden, daß er alsbald abgebrochen
werden mußte, weil weiterer Einsturz die Straße
bedrohte. Auf dem Kirchhof entstanden nun Profan
bauten, im Jahre 1793 eine Reitbahn für das
Regiment Leibdragoner, im Jahre 1842 das Amts
gericht, das noch steht. Was Schäfer Seite 121
über die Bedeutung dieser Peterskirche, ihr hohes
Alter und ihre Lage außerhalb der alten Stadt
mauer sagt, ist bloße Konstruktion. Sie würde
hinter der Mauer gebaut, und zwar etwa fünf
Jahrhunderte nach der Marienkirche in der Altstadt,
die längst Sitz des Propstes und des Chorherren
stifts war.
Auch den Namen „Hinter den Eichen" hätte
Schäfer nicht heranziehen sollen, er bezeichnet keine
Stadtgegend (Seite 123), sondern eine Feld- und
Gartenlage und lautet nicht: „Hinter der Eiche"
(Winkelmann) und „Hinter den Eichen" (Falcken-
Heiner), wobei der Hauptpunkt verdunkelt wird,
sondern „Hinder den Eken" im Jahr 1408 und
ebenso hundert Jahre später.^ Der Feldort ist nach
den alten Eichen des Stadthagens benannt, von
denen einige noch stehen. Und was fügt die Ironie
des Zufalls! Er liegt hinter der Altstädter Kirche,
nicht hinter dem Standort der früheren Peterskirche.
Es gibt endlich keinerlei Tradition, daß die Eiche
in Hofgeismar gestanden habe, wenn auch Schäfer
(Seite 122 ) als Zeugen den Chronisten Johannes
von Pohle (Ende des 14. Jahrhunderts), Dilich,
Letzner, Merian, Winkelmann anführt, eine stolze
Schar, die aber keinerlei Autorität hat. Man geht
schwerlich fehl mit der Annahme, daß der eine
!vder der andere dieser unkritischen Schreiber von
Chroniken auf den größten Ort des Namens Geis
mar geraten hat und die übrigen treulich gefolgt
sind.- 2 ,
Zum Schluß bekenne ich, daß ich nach wie vor
aus Grüuden der inneren Wahrscheinlichkeit an
Fritzlar, der bezeugten Stelle vielfachen Wirkens des
Bonifatius, festhalte >vie an dein Petersdom, dem.
kirchlichen Mittelpunkt des Hessengaues.Da Fritz
lar nur etwa 2 Kilometer von Geisurar entfernt ist,
so hat der Name Gäsmere für mich keinen Schrecken.
Gern würde man für Hofgeismar die Rolle, die
ihm angetragen wird, annehmen, aber eine Stimme
sagt: nein! Es ist diejenige der Wahrheit, die, irr
der Welt der Gegewvart verfemt und friedlos ge
macht, in der Geschichte ein letztes Asyl behalten
lnuß, da ohne sie nach einem Wort des Polybius
Geschichte zum müßigen Gerede wird, wie ein
lebender, des Augenlichtes beraubter Körper zu
nichts mehr nütze ist. * 12
n Winkelmann, Beschreibung usw. II c. 12 S. 312
hat nicht, wie Schäfer nach Falckenheiner zitiert, „Hinter
der Eiche", sondern „Hinter der Eichen", offenbar
infolge eines Hörfehlers. Sonderbarer Weise hält er
(IV c. 2 S. 403) den locus Gaesmere nicht für einen
Wohnort.
12 Ohne Anstand genehmigte das Konsistorium in
Kassel im Jahre 1741 die Auslieferung eines alten, mit
Skulpturen versehenen Taufsteins aus der „tvüsten Peter-
städter Kirche", der am Gesundbrunnen als Gläserschrank
dienen sollte.
Näheres bei Landau, Territorien S. 372.
Die Hörerzahlen der Universität Marburg einst und jetzt.
(Aus: Karl Wenck, Die Universität Marburg in den Jahren 1866—1916. Marburg, Joh. Aug. Koch. 1921.)
Der deutsche Krieg von 1866, der nach wenigen Wochen
zu folgenreicher Entscheidung kam, und der Weltkrieg
unserer Zeit, dessen Ende nach zweijähriger Dauer noch
in tveiter Ferne zu liegen scheint — die kleine kurhessische
Universität von 1866 mit ihren zwei- bis dreihundert
Hörern und die blühende preußische Hochschule an der
Lahn in unserer Zeit mit ebensoviel Tausenden von
Hörern und Hörerinnen — das sind die Glieder einer
Gleichung, die nicht zum wenigsten darum reizvoll ist,
tveil sie uns den Gedanken eines inneren Zusammenhangs
ztveier hochbedeutenden Entwicklungsreihen nahelegt: ohne
die glückliche Entfaltung der geistigen Kultur unseres Volks
auf breitester Grundlage in den letzten fünfzig Jahren
wäre der siegreiche Widerstand, den Deutschland so lange