that schrieb im ganzen 18 Dramen. Mag inan ihnen
platte Effekthascherei und Kulissenromantik nach
sagen, sie haben jahrzehntelang stark gewirkt und
ein ganzes Dichtergeschlecht beeinslußt. Der An
zahl der Dramen entspricht diejenige der Opern
texte, die er für Nicolai (Lustige Weiber), Rubin-
stein, Kretschmar, Brüll u. a. schrieb. Seine Lyrik
ist so gut wie vergessen. Mit unvergänglichem
Zauber aber wirken noch heute Mosenthals gegen
Ende seines Lebens entstandene Erzählungen ans
dem jüdischen Familienleben, die zum großen Teil
die Kasseler Verhältnisse der Biedermeierzeit schil-
dern und eine Neuauflage lohnen. Die Stadt Kassel
nannte bereits vor Jahren eine ihrer Straßen nach
dem heimatlichen Dichter. Die Kasseler Staatsbühne
hatte uns ane* Anlaß der Säkularfeier die Neu-t
. anfführung der „Deborah" versprochen, scheint aber
mit dem einst gewissenhaft geübten Brauch, mit
solchen Aufführungen den eigentlichen Gedenktag zu
zieren, gebrochen zu haben. Trotzdem wollen >vir in
diesen Tagen ehrend des einheimischen Dichters
gedenken, der im Grunde niemals spezifischer Wiener
geworden, sondern zeit seines Lebens ein Hesse
geblieben ist. P. H.
August Vilmars Verhältnis zu Goethe.
Voi: W > l l S ch e l l e r.
Es wäre müßig, die Bedeutung Vilmars für das
höhere geistige Leben seiner Nation, vor allem
hinsichtlich ihres Verständilisses für ihre eigenen
dichterischen Hervorbringungen, besonders darlegen
zu wollen. Der beispiellose Erfolg seiner „Ge
schichte der delltscheu Nationalliteratur" sagt mehr
als alle Definitionen. Interessant und lehrreich
ist es jedoch, zil sehen, auf welchem Wege der
Mann zu solcher Erheblichkeit emporgeschritten ist.
llnd wie die Beziehung zuni Größten immer die
beste Handhabe für das Urteil über den Menschen
überhaupt zu sein pflegt, kann es für die Erkenntnis
der leibhaftigen Wirksamkeit Vilniars nur eine der
vorzüglichsten Anleitungen seil», zu betrachten, wie
er sich zu den« erhabensten Phänomen des deut
schen Geistes, zu Goethe, verhalten hat.
I. H. Leimbach teilt in seiner Lebensbeschreibung
Vilmars (1875, Heinrich Feesches Verlag, Han
nover) mit, daß dieser als Knabe Gelegenheit hatte,
Erzählungen einer den Hofkreisen zu Weimar an
gehörenden Dame zu lauschen, die das Nachteilige
aus Goethes früherem und damaligem Leben, wenn
auch mit großer Diskretion, so doch in allen Details !
mit großer Anschaulichkeit schilderten; es hat ihn
deshalb, nach seiner Versicherung, noch zehn, ja
zwanzig Jahre später die größte Mühe gekostet,
bei dem Lesen von Goethes We^en diese nach
teiligen Jugendeindrücke zu überwinden, und nur
ein benachbarter Pfarrer, der ein gewisses Ver
ständnis für Goethe besaß, hielt diesen Erzählungen
bei ihm einigermaßen das Gleichgewicht. Es ist
mithin doppelt zu bewundern, daß Vilmar, der
einen so entschiedenen christgläubigen Standpunkt !
allen Lebensfragen gegenüber einnahm, zu einer so
objektiven Würdigung Goethes gelangte, wie es ^
ans seiner gesamten eigenen Produktion und allen
bekannt gewordenen privaten Äußerungen mit hin
reichender Klarheit ersichtlich ist. Diese Würdigung
' gelangt zum Ausdruck vor allem in Vilmars „Ge
schichte der deutschen Nationalliteratur" (27. Auf
lage, N. G. Elwerts Verlag, Marburg) und in
seinem Werk „Lebensbilder deutscher Dichter und
Germanisten" (2. Auflage, ebenda). Wichtige Aus
schlüsse gewährt auch die große, für die Geistes
geschichte des vorigen Jahrhunderts hochbedeutsame
Vilmar-Biographie von Wilhelm Hopf (1613/14 bei
N. G. Elwert, Marburg). Mit Hilfe dieser drei
Quellen zunächst soll versucht werden, die haupt
sächlichen Gedanken Vilmars über Goethe kurz und
übersichtlich vorzutragen.
Goethe repräsentiert demnach nicht einen ein
zelnen, wenn auch uoch so hervorragenden Dichter
unter vielen, sondern ein ganzes Zeitalter der
Poesie; es wäre jedoch verkehrt, aus dem Beifall,
den „Götz" und „Werther" gefunden haben, zu
schließen, daß der Grundzug dieses Zeitalters im
Revolutionären zil suchen sei! Vielmehr ist es eine
gewisse allgemeine poetische Stimmung, die das
Zeitalter Goethes kennzeichnet, und Goethe selbst
ist die höchste Spitze dieser Stimmung, indem sich
diese in seiner Produktion unvergänglich mani
festiert. In dem unveröffentlichten, von W. Hopf
auszugsweise mitgeteilten, Briefwechsel mit seinem
Bruder Wilhelm betont August Vilmar,'wie später
in seiner Nationalliteratur, daß Goethes welt
liches Evangelium, ivie sein Gesamtwerk
bezeichnet werden kann und soll, seinen Lauf durch
die Welt noch lange nicht vollendet hat; und Wil
helm antwortet, daß, wer Goethe nicht versteht,
weder die auf ihn folgende Zeit versteht, noch ihre
verschiedenen Richtungen in sich aufnehmen kann.
Goethe ist „unser Meister darin, daß uns nichts
Irdisches mehr fremb ist; alles wird nahe sein,
ohne sein Geheimnis zu verlieren; daß er ein ein
gefleischter Heide, ist wahr, wenn hierin kein ver
werfliches Urteil soll ausgesprochen werden, insofern!